Internethandel / „Make Amazon Pay“: Weltweit finden Proteste gegen den Onlineriesen statt – auch in Luxemburg
„Make Amazon Pay“, so lautet die Hauptforderung einer Aktion, die am Freitag weltweit stattfand und einen bekannten Internetriesen ins Visier nimmt. Auch in Luxemburg folgten am Nachmittag mehrere Menschen dem Aufruf von acht Vereinigungen und Organisationen, um an der place de Clairefontaine in der Hauptstadt gemeinsam die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie der politischen Verantwortlichen auf das Thema zu lenken.
Freitagnachmittag (25.11.) in Luxemburg-Stadt: Etwa 50 Menschen stehen auf der place de Clairefontaine und halten ein Banner in der Hand. „Make Amazon Pay“ ist in weißer Schrift auf rotem Hintergrund zu lesen. Die Menschen vor Ort gehören Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen oder politischen Bewegungen an. Acht solcher Vereinigungen und Organisationen haben sich zusammengetan, damit auch Luxemburg Teil einer Aktion wird, die am sogenannten „Black Friday“ in über 20 Ländern – darunter Indien, Japan oder den Vereinigten Staaten – stattfindet.
Und gleich mehrere Ziele verfolgt, wie Sofia Fernandes von der Bürgerbewegung „Rise for Climate Luxembourg“ und Zuständige für die Protestaktion im Großherzogtum erklärt: „Zum einen soll Amazon für seine Klimaschäden aufkommen. Aber auch für soziale Schäden.“ Damit meint die 38-Jährige unter anderem die Arbeitsbedingungen bei dem Konzern, die weltweit in Medienberichten immer wieder thematisiert werden. „In Luxemburg haben wir das Problem vielleicht nicht – aber in anderen Ländern müssen die Menschen dort für einen Hungerlohn arbeiten“, sagt Sofia Fernandes.
Mehr als 4.000 Menschen sind laut der Pressestelle von Amazon aktuell bei dem Konzern in Luxemburg angestellt. Auf eine Anfrage vom Tageblatt zu ungünstigen Arbeitsbedingungen – wie niedrigen Löhnen oder hektischem Arbeitstempo –, wie sie von „Make Amazon Pay“ weltweit kritisiert werden, heißt es von der Pressestelle: „Wir bieten unseren Mitarbeiter:innen in den Logistikzentren wettbewerbsfähige Löhne sowie großartige Sozialleistungen und sorgen beispielsweise dafür, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben und gesund bleiben.“
Lokal bestellen
Die Ursprünge
Amazon ist ein eher jüngerer Konzern. Laut Unternehmensgeschichte wurde der Online-Händler 1994 von Jeff Bezos in seiner Garage in Seattle gegründet. Das erste verkaufte Produkt war ein Buch. Nach und nach wuchs das Geschäft und weitere Produkte kamen hinzu. Später öffnete sich die Webseite und wurde so zu einem Marktplatz, über dem auch Drittanbieter ihre Produkte vertreiben konnten. Konstant wurde in das Wachstum investiert, ein eigenes Logistiknetz errichtet und es kamen weitere Produkte sowie Dienstleistungen hinzu. Die Wachstumsraten des Konzerns waren schwindelerregend. Heute ist der Konzerngründer einer der reichsten Menschen der Welt. 2015 zählte die Gruppe Verkäufe in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar. Im Jahr 2021 waren es dann 469 Milliarden. Gewachsen ist auch die Zahl der Beschäftigten: Insgesamt 1,5 Millionen sind es heute. (cm)
Was die Bekämpfung des Klimawandels angeht, habe man sich bei dem Konzern außerdem dazu verpflichtet, bis 2040 CO₂-neutral zu sein, heißt es weiter von der Pressestelle von Amazon in Luxemburg. Den grünen Anstrich will Carlo Mullesch aus Consdorf dem Onlineriesen nicht so recht abnehmen. Seit zehn Jahren ist der 73-Jährige bei Greenpeace Luxembourg dabei und am Freitag ebenfalls zur place de Clairefontaine gekommen. Um laut eigener Aussage die jüngere Generation zu unterstützen. Und: „Für mich ist es zudem ein No-Go, dass bei Amazon Rücksendungen aus Platzgründen einfach zerstört werden. Einfach nur, weil sie nicht mehr die erste Wahl sind.“
Tatsächlich ist auch das ein Thema, mit dem der Konzern in den vergangenen Jahren und zuletzt Mitte Oktober im deutschen ZDF immer wieder für Negativschlagzeilen sorgte. Carlo Mullesch ist laut eigener Aussage davon überzeugt, dass die Umweltbilanz des Internetriesen alles andere als positiv ausfällt. Auch der 73-Jährige hat immer gerne bei diesem bestellt – weil es einfach bequem war. „Bis ich mir dann bewusst darüber wurde, dass man auch in Luxemburg online Bücher bestellen und diese dann gleich vor Ort abholen kann.“ Er bestellt und kauft lieber lokal.
Auch die Steuern – vor allem jene, die der Konzern in Luxemburg nicht zahlt – sind an diesem Nachmittag bei der Protestaktion Thema. „Wir fordern von der Politik, Farbe zu bekennen – auch wenn viele der Meinung sind, dass der Finanzplatz für das Land wichtig ist. Aber wenn es mir gut geht, meinen Nachbarn allerdings nicht, dann ist das nicht richtig“, sagt Sofia Fernandes. „Das Klima, die Beschäftigten und die Gemeinschaften: Wie bei einer Zitrone wird alles bis auf den letzten Tropfen ausgepresst“, stellt sie fest. Was dann auch den ergänzenden Titel der Protestaktion „Stop the Squeeze“ (zu Deutsch: „Stopp das Ausquetschen“) erklärt.
Vor Ort einkaufen
Amazon im Großherzogtum
Nach Luxemburg kam der ambitionierte Konzern bereits relativ früh: Damals, 2003, interessierte sich dieser unter anderem für die steuerlichen Vorzüge des Landes. Zu der Zeit gab es mehrere Regelungen, die den Standort interessant machten. Ende 2005 zählte Amazon nur etwa ein Dutzend Angestellte im Großherzogtum. Bis 2012 waren es dann rund 300 Beschäftigte. Als die betreffenden steuerlichen Regelungen, auf Druck der größeren EU-Länder, abgeschafft wurden, verlegten einige dieser Konzerne ihre Unternehmen von Luxemburg nach Irland. Amazon jedoch blieb und baute seine Präsenz im Land weiter aus. Bis zu Beginn des Jahres 2022 stieg der Konzern, mit 3.960 Angestellten, zum fünftgrößten Luxemburger Arbeitgeber auf. In puncto Steuern hatte die EU-Kommission 2017 erklärt, dass das Großherzogtum Amazon unzulässige Steuervergünstigungen in Höhe von 250 Millionen Euro gewährt habe. Im Mai 2021 erklärte der Europäische Gerichtshof den Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt worden war, jedoch für nichtig. (cm)
Bereits vor zwei Jahren fand die Protestaktion im Großherzogtum statt – damals in Kirchberg vor dem Sitz des Konzerns. „Jetzt wollen wir vor allem die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen aus der Politik auf uns ziehen. Deshalb treffen wir uns hier zu einer Uhrzeit, während deren in der Abgeordnetenkammer und in den Ministerien noch gearbeitet wird“, erklärt Sofia Fernandes. Und auch das Datum ist bewusst gewählt, wie sie erklärt: „Der ‚Black Friday’ ist ein Tag, an dem Amazon wahrscheinlich wieder viel Gewinn macht.“ Ein Grund mehr aus Sicht der Verantwortlichen der Aktion, die öffentliche Debatte um das Thema anzukurbeln.
Das Geschehen auf der place de Clairefontaine hat die Aufmerksamkeit einer griechischen Touristin auf sich gezogen. Evi Leivadinou kennt den Internetriesen vor allem durch ihre frühere Arbeit bei einer Bank in Griechenland und verbindet damit eher Negatives: „Wir hatten immer viele Anfragen von Menschen, denen via Amazon Beträge von den Visa-Karten abgebucht worden waren, obwohl sie gar nichts gekauft hatten.“ Die Griechin selbst shoppt eigentlich nie bei dem Onlinehändler: „Ich kaufe lieber in Läden ein. Und wenn im Internet, dann unter anderen Adressen.“
Wer sich allgemein nun für das Thema Massenkonsum interessiert und sich mit kritischem Blick über den „Black Friday“ informieren will, kann das am Samstag ab 11 Uhr beim „Roude Pëtz“ in der Hauptstadt von Luxemburg tun. Dort informiert „move.“ – die Jugendbewegung des „Mouvement écologique“ – zu den Thematiken Konsum und Wachstum sowie den Problemen, die damit einhergehen.
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Witzlos.
Nicht mal Streiks, die in Deutschland gefühlt alle paar Wochen auftreten, kann man was machen.
Das ist ein Logistikunternehmen, die organisieren sich drum rum.