Remich / Masterplan 2035: Das Schmuckstück soll wieder glänzen
Alles beginnt mit dem Plan, ein neues Parkhaus zu bauen. Stattdessen entwickelt sich eine Diskussion, wie sich Remich entwickeln soll. Bürgerbefragungen unter den knapp 5.500 Einwohnern steuern Ideen bei und heraus kommt eine Vision, wie die Stadt ihr Gesicht verändern könnte. Der „Masterplan 2035“ zeigt Umgestaltungen im gesamten Kern, die der „Perle an der Mosel“ neuen Glanz verleihen.
Das Wort „ändern“ fällt häufig, wenn es um Remichs Zukunft geht. Place Kons, place de la Résistance mit dem Rathaus, „Notaireshaus“, „Maacher Gaass“ – jeder Einwohner kennt das. Wer von Schengen aus anreist, hat allerdings erst mal einen anderen Eindruck. „Man sieht ein Schwimmbad, einen Parkplatz und erwartet etwas“, sagt Bürgermeister Jacques Sitz (DP). „Aber dann ist man schon fast in Stadtbredimus.“
Der „Masterplan 2035” wirft einen anderen Blick auf die Stadt. Im Visier sind zentrale Plätze und Gebäude. Was wäre, wenn das alles mehr miteinander verbunden wäre, ohne alte Substanz zu zerstören? Und was wäre, wenn alles eine andere Nutzung hätte? Der Plan beantwortet diese Fragen.
Die place Kons ist ein Platz, wo traditionell viele Touristen hinkommen. Überdacht mit Wasserbecken und -spiel, Bäumen und Bänken wirkt er im Plan wesentlich einladender als die heutige Betonfläche. Geplant ist ein Hotel am Platz mit offener Lobby und Cafés. Die Übernachtungsmisere entlang der Mosel ist schon lange ein Thema. Von der place de la Résistance mit dem Rathaus gibt es ein altes Foto.
Das „Filetstück“ Notaireshaus
Es zeigt ihn als Ort, wo Bürger nicht nur ihre Erledigungen im Rathaus machen. So soll es wieder werden, geht es nach dem Stadtentwicklungsplan. Wenn der Schulkomplex am Ausgang Remichs Richtung Luxemburg fertig ist, stehen die benachbarte, jetzige Schule und „Crèche“ leer. Das Gebäude soll u.a. das Rathaus erweitern. Es platzt aus allen Nähten. Das „Filetstück“ aber ist das „Notaireshaus“ mitten im Zentrum, das die Gemeinde 2017 gekauft hat.
Von außen sieht man das ausladende Grundstück dahinter nicht, auf dem sich viele neue Nutzungsmöglichkeiten ergeben. Denkmalgeschützt bleibt die Fassade des Hauses mit Wiedererkennungseffekt erhalten. Im Inneren sollen Umbauten Räume für administrative Einrichtungen, Bewohner und Geschäfte ansiedeln. Remich will sich einen Namen als Platz für Start-ups aus dem Dreiländereck machen. Aber nicht nur.
In dem „Open Space“ sollen Remicher und Auswärtige ein Büro anmieten können, die im Home-Office arbeiten, aber nicht zu Hause bleiben wollen. Und eine weite Anfahrt vermeiden wollen. So umgenutzt und belebt, ist es dann das Verbindungsstück zwischen place Kons und place de la Résistance. Am Ruf Remichs als Start-up-Sitz arbeiten die Gemeindeverantwortlichen. Gerade erst hat eine Veranstaltung die Gründerszene mit den Geschäftstreibenden vor Ort enger zusammengebracht.
Einen Ruf als Sitz von Start-ups erarbeiten
„Wir wissen, dafür ist Bedarf da“, sagt Bürgermeister Sitz. Die Geschäftsführerin des Luxemburger Start-ups „Food4all“ bestätigt das. „Angesichts der Preise haben es Start-ups in Luxemburg schwer, bezahlbare Büros zu finden“, sagt Ilana Devillers (28). „Viele sind schon besetzt und die Szene boomt“. Sie begrüßt es, wenn in Remich eine solche Gelegenheit geschaffen würde. Die Firma, die Lebensmittelverschwendung vermeiden will, war an dem Event beteiligt.
Das sind die Visionen für das Moselstädtchen in groben Zügen auf dem Papier. Andere Projekte sind weit fortgeschritten. Der Remicher Schöffenrat arbeitet seit Beginn seiner Amtszeit darauf hin, den zentralen „Betreuungs-, Schul- und Sportkomplex“ zu realisieren. Bislang sind Grundschüler, „Maison relais“- und „Crèche“-Kinder auf verschiedene Standorte in der Gemeinde verteilt. Die Idee ist nicht revolutionär. Gemeinden wie beispielsweise Monnerich machen das gerade.
Am Ende dieser Woche fällt die Entscheidung, wer den Komplex planen soll. 33 Architektenbüros haben sich um das auf 40 Millionen Euro Baukosten kalkulierte Projekt beworben. Abgesehen davon, dass sich das angesichts explodierender Preise nicht mehr halten lässt, haben es vier Büros nach Rathausangaben in den Endspurt geschafft.
Planer für den Schulkomplex stehen bald fest
„Am Freitagabend wissen wir, wer es plant“, sagt Remichs Bürgermeister. „Ich hoffe wirklich, dass es Ende 2022 oder Anfang 2023 losgehen kann.“ Etwa ein Drittel des langfristigen Bauvorhabens finanziert der Staat. Sitz rechnet mit sechs bis acht Jahren Bauzeit ab Spatenstich bis zur Fertigstellung. Schon alleine das wird Remich stark verändern.
Ein Problem aber bleibt: der Verkehr. „Wenn wir hier wirklich Lebensqualität schaffen wollen, muss sich das ändern“, sagt Jean-Paul Kieffer (49), seit Juni 2021 Schöffe im Remicher Rathaus. Eine Studie aus den Jahren 2016/2017 des Transportministeriums bewertet das anders. „Das Ministerium will nicht wahrhaben, dass wir hier Durchgangsverkehr haben“, sagt er.
Remich wird von vielen als Zufahrt zur Autobahn genutzt, die wenige Kilometer südlich, kurz vor Schengen, das Moseltal kreuzt. „Von den 100.000 Fahrzeugen nehmen 80 Prozent die Auffahrten in Perl oder Mondorf“, bestätigt Bürgermeister Sitz Aussagen wie diese. „Die Studie war nicht komplett und wir müssen diesen Verkehr aus Remich rauskriegen.“ Das zweite Problem ist Remichs Lage am Moselufer.
Es ist Glück und Unglück zugleich, weil seit 2002 die Pläne für einen Hochwasserschutz laufen. Bis jetzt ist nichts davon umgesetzt. Das betrifft vieles. „Wenn wir in der ‚Maacher Gaass’ Geschäfte wollen, dann geht das nicht, wenn die Betreiber alle paar Jahre mit den Füßen im Nassen stehen“, sagt Schöffe Kieffer, „dann gehen junge Geschäftsleute lieber auf die „Cloche d’Or“. Es drängt also, denn die Stadt kämpft seit Jahren mit Leerstand.
Das „Jousefshaus“
Seit vier Jahren beschäftigt das Alten- und Pflegeheim „Jousefshaus“ das Remicher Rathaus. Viel war angedacht und eine Option hat sich durchgesetzt. Das dann ehemalige „Hospice civil“ geht an den schon mit 15 Häusern im Sektor tägigen Betreiber Servior über. Ein eigens dafür vorgesehenes Gesetz, Nr. 7902, ist auf dem Weg. Demnach gehen die Aktiva und Passiva des „Hospice“ an die Gemeinde Remich über. Für die Gebäude und Grundstücke der im 19. Jahrhundert gemachten Schenkung heißt das, sie gehören zukünftig der Kommune. Im Erbpachtverfahren werden sie über 49 Jahre, mit der Option, zu verlängern, an Servior für 100 Euro jährlich verpachtet. Sollten die Gebäude oder Grundstücke veräußert werden, hat Servior ein Vorkaufsrecht. Eventuelle Gerichtsverfahren oder Verbindlichkeiten, die vor dem Übergang entstanden sind, übernimmt Remich. Das Personal wird vom neuen Betreiber übernommen. Das Gesetz soll ab 1.1.2022 in Kraft treten und muss noch im Parlament verabschiedet werden.
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