Interview / Masterstudentin: „Es ist sehr schwierig, ein Praktikum zu finden“
Christelle Brausch ist Luxemburgerin und studiert in Barcelona „Public relations“. Kurz vor ihrem Masterabschluss bricht die Corona-Pandemie aus. Die Studentin beschließt, in Spanien zu bleiben. Trotz strengerer Lockdown-Regeln bereut sie es nicht. Die Suche nach einem Praktikumsplatz in Barcelona wird allerdings wegen der Krise zur wahren Herausforderung. Die Chancen stehen nicht gut. Ein Interview.
Tageblatt: Das Studienjahr neigt sich dem Ende zu. Was sind – mitten in der Corona-Pandemie – deine Pläne nach dem Masterabschluss?
Christelle Brausch: Ab September werden die Unis hier in Barcelona wieder normal laufen. Aber da ich ja dieses Jahr meinen Masterabschluss bekommen werde, bin ich auf der Suche nach einem Praktikum, um noch ein wenig Berufserfahrung zu sammeln. Die Situation ist sehr schwierig. Momentan finde ich nichts. In Luxemburg muss man sich normalerweise lange Zeit im Voraus für Praktika melden. Hier in Spanien ist das eher nicht so. Dennoch habe ich mich schon früh darum bemüht. Seit Wochen versuche ich wie verrückt, etwas zu finden, das mich interessieren würde. Ich habe bislang noch keine Antwort bekommen. Also auch keine Absage. Ich glaube, dass es durch die momentane Situation hier in Spanien schwierig ist, irgendwo Leute einzustellen. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren. Die Situation hier ist, glaube ich, gravierender als in Luxemburg.
Also Corona-bedingt?
Ja, absolut. Der Lockdown hat über zwei Monate gedauert. Viele Unternehmen gingen pleite, Millionen Menschen wurden arbeitslos. Wenn man hier in Barcelona durch die Straßen läuft, sieht man an vielen kleinen Geschäften Schilder aushängen, wo Räumungsverkauf draufsteht.
(…) da ich ja dieses Jahr meinen Masterabschluss in „Public relations“ bekommen werde, bin ich auf der Suche nach einem Praktikum. Die Situation ist sehr schwierig.Masterstudentin in Barcelona
Das ist kein schönes Bild.
Ja, aber trotzdem kommt langsam, aber sicher wieder Leben in die Stadt. Die Menschen gehen wieder vor die Tür. Die Terrassen sind wieder geöffnet seit Montag. Und sind dementsprechend gut besucht. Die Leute halten sich allerdings nicht so genau an die Regeln. Es wurde zum Beispiel erlaubt, dass man an die Strände gehen darf zum Treiben von Sport oder zum Spazierengehen, nicht aber zum Sonnenbaden. Das wird nun allerdings ausgenutzt. Tausende Menschen sitzen jetzt an den Stränden und treffen sich dort mit Freunden. Das darf man eigentlich nicht. Vielleicht müssen die Strände dann wieder ganz schließen.
Du bist im Lockdown in Barcelona geblieben. Bist du im Nachhinein zufrieden mit deiner Entscheidung?
Eine Luxemburger Freundin von mir, die auch hier in Barcelona studiert, hat sich vor dem Lockdown entschieden, zurück nach Luxemburg zu reisen. Nun hat sie allerdings Schwierigkeiten, wieder einzureisen. Sie hatte Flüge gebucht, die im Nachhinein gecancelt wurden. Sie hat sich mit der Botschaft in Kontakt gesetzt. Diese meinte, dass sie keinen Grund habe, einzureisen, obwohl sie hier in Spanien ihre Residenz hat. Auch verfügt sie über eine spanische „matricule“, die einem nur zugeteilt wird, wenn man hier wohnt und lebt. Trotzdem wird sie nicht hereingelassen. Hätte ich mich dazu entschieden, nach Luxemburg zu reisen, würde mir wahrscheinlich jetzt das Gleiche blühen.
Eine Luxemburger Freundin von mir, die auch hier in Barcelona studiert, hat sich vor dem Lockdown entschieden, nach Luxemburg zu reisen. Nun hat sie allerdings Schwierigkeiten, wieder einzureisen.Masterstudentin in Barcelona
Sie ist doch an der Uni eingeschrieben?
Ja, aber da die Kurse derzeit online angeboten werden, hat sie wohl keinen Grund, einzureisen.
Wie kam es denn eigentlich dazu, dass du im Lockdown in Barcelona geblieben bist? Hast du dich bewusst dafür entschieden?
Der Lockdown kam ziemlich spontan. Natürlich wussten wir, dass das Coronavirus da ist. Aber am Anfang war das gar nicht so schlimm. Die Menschen haben sich ganz normal verhalten. Am Wochenende, als der Lockdown kam, war ich noch mit einer Freundin in Porto. Ich habe mich überhaupt nicht in Gefahr gewähnt. Als ich zurückkam, wusste ich: ‚Okay, die Uni ist geschlossen und nun ist hier Quarantäne angesagt.‘ Das war von einem Tag auf den anderen. Wir haben gesagt bekommen, dass wir uns noch entscheiden können, ob wir nach Luxemburg wollen oder nicht. Wir mussten uns allerdings schnell entscheiden, weil die Flüge sonst schon nicht mehr flogen.
Mein Freund und ich haben uns überlegt, was wir nun machen sollen. Dann haben wir uns entschieden, hier in Barcelona zu bleiben, weil wir hier eine Terrasse haben und weil sich in unseren beiden Familien gefährdete Personen befinden. Da ich vor der Uni-Schließung jeden Tag mit dem Zug zur Uni gefahren bin – dort stand ich stets wie eine Sardine in der Dose –, war das Risiko hoch, dass ich mich bereits infiziert hatte.
In Spanien war der Lockdown ja schlussendlich strikter als in Luxemburg. Hast du das so erwartet?
Ja, eigentlich schon. Das war für uns kein so großes Problem, weil mein Freund und ich vormittags Homeschooling für die Uni hatten und wir uns danach auf der Terrasse installiert haben. Wir haben viel und gut gekocht. Es ist nicht so, dass wir am Anfang den Drang hatten, viel auszugehen. Das war kein Problem für uns. Natürlich haben wir mitgekriegt, dass man in Luxemburg noch in die frische Luft durfte zum Spazierengehen. Das war hier nicht der Fall. Wir durften nur rausgehen zum Einkaufen. Aber groß gestört hat es mich am Anfang nicht.
Und später?
Ja, schon. Ich habe viel mit meiner Familie in Luxemburg telefoniert. Dort war stets gutes Wetter. Da dachte ich mir: ‚Na ja, dort hätte man mehr herausgehen können als hier.‘ Aber unsere Terrasse hat uns sehr viel geholfen. Mit der Zeit wurde ich schon ungeduldig, ich wollte endlich mal wieder Freunde sehen. Das ist seit Montag wieder möglich. Ein guter Freund von uns, ebenfalls Student, der alleine lebt, hat uns manchmal am Wochenende auf unserer Terrasse besucht, um Sonne zu tanken, auch wenn er es eigentlich nicht durfte. Ansonsten habe ich niemanden gesehen.
Ich ziehe aus der ganzen Sache, dass ich jetzt weiß, was es heißt, frei zu sein, und dass ich das jetzt auch mehr schätze als vorher, denn da war das etwas ganz Normales.Masterstudentin in Barcelona
War die Uni denn ganz geschlossen?
Die Uni hat am 13. März zugemacht. Seitdem läuft alles über Onlineklassen. Die Kurse finden über Zoom oder Hangout statt und unsere Arbeiten müssen wir online einreichen. Die Uni wird bis September geschlossen bleiben. Ich sollte dieses Jahr mein Diplom bekommen, also meinen Masterabschluss. Wahrscheinlich werde ich den auch erhalten, die Zeremonie dazu Ende Juli wurde allerdings abgesagt.
Studieren besteht ja auch aus dem Studentenleben und dazu gehört auch der Kontakt zu den Kommilitonen auf dem Campus …
Ja, das ist sehr schade. Ich studiere an einer öffentlichen Uni und mache meinen Master auf Spanisch. In meiner Klasse sind nur Südamerikaner und keine Spanier. Die sind für dieses Studienjahr hierhergekommen. Wir haben uns im September kennengelernt und Freundschaften aufgebaut. Und nun werden sie irgendwann wieder zurückreisen. Zurzeit kommen sie allerdings noch nicht zurück, weil keine Flüge für sie angeboten werden. Das Studienjahr ist eigentlich jetzt vorbei. Am 3. Juli geben wir die Masterarbeit ab.
Wie gehst du mit der neu erlangten Freiheit nach dem Lockdown um?
Seit letzter Woche dürfen wir wieder am Strand spazieren gehen. Ich war dann auch im Meer schwimmen. Da wurde mir bewusst, was mir in den vergangenen zwei Monaten gefehlt hat. Ich ziehe aus der ganzen Sache, dass ich jetzt weiß, was es heißt, frei zu sein, und dass ich das jetzt auch mehr schätze als vorher, denn da war das etwas ganz Normales.
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