Kino / „MaXXXine“: Ein wildes L.A.-noir-Pastiche
Achtziger-Charme und Horror pur: „MaXXXine“ von Ti West ist neu in den Kinos und entführt in die Tiefen der Pornoindustrie. Eine Filmkritik.
Nach „X“ und „Pearl“ schließt nun „MaXXXine“ eine Horrortrilogie um verirrte Frauenfiguren, die sich in Slasher-Szenerien wiederfinden, ab. Regisseur Ti West setzt dafür die neue „Scream Queen“ Mia Goth in Szene, in einem Film, der überaus direkt als eine Hommage an die Achtzigerjahre verstanden werden will, dabei aber auch eine subversive Hollywood-Kritik evozieren will, ohne wirkliche Eigenständigkeit zu erreichen.
Nach Filmen wie „X“ und „Pearl“ dürfte es augenfällig sein, dass Ti West ein Filmemacher des postmodernen Genrezitats ist. Seine Filme sind in besonderer Weise der Pastiche-Technik verschrieben: Das geschieht zunächst über die überaus nostalgische Titelsequenz, die ganz bemüht ist, einen Retro-Charme der Achtzigerjahre zu beschwören, der das gesamte Erscheinungsbild des Films programmatisch vorwegnimmt. Die auffällige VHS-Tape-Ästhetik, die zeitgenössischen Radiobeiträge, die Ansprache Ronald Reagans – Ti West verdichtet diese Elemente in einer eindringlichen Montage-Sequenz, die symptomatisch für „MaXXXine“ stehen wird. Sein Film ist eine Addition von Zitaten, die sich aber nie zu einem Ganzen fügen wollen.
Los Angeles 1985: Maxine Minx (Mia Goth) träumt von Hollywood. Die junge Frau ist ihrer Karriere als Pornodarstellerin überdrüssig, der Sprung ins große Filmgeschäft soll aus ihr einen großen Star machen. Aber nach ihrem ersten Casting, das ihr eine größere Rolle beschert, häufen sich um sie die Probleme: In Los Angeles treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Dann schleicht sich die Vergangenheit Maxines immer mehr in ihre unmittelbare Gegenwart; die Mordserie umgibt alsbald auch sie, und rückt auch das Ermittlerpaar Torres (Bobby Cannavale) und Williams (Michelle Monaghan) auf den Plan. Obendrein setzt ihr noch der schmierige Privatdetektiv John Labat (Kevin Bacon) zu, der im Auftrag eines mysteriösen Unbekannten arbeitet.
Horror im Neonlicht
„I will not accept a life I do not deserve“, heißt es in „MaXXXine“ immer wieder; es ist der Grundsatz, nach dem diese Maxine handelt, aufwärts soll es gehen – dabei legt der Film immer mehr die Schattenseiten der Filmindustrie frei, die er gegen Ende explizit als unheilige Stätte lesen will. Dagegen spricht indes die doch sehr spielerisch-wilde Inszenierungsweise, die „MaXXXine“ begleitet. Seine Ästhetik aus Popmusik-Collage und Neonlicht, die stilbildend für den Look des Achtzigerjahre-Kinos wurde, unterfüttert Ti West mit Slasherfilm- oder Noir-Referenzen.
Je mehr West seine Protagonistin in ein verruchtes Hollywood eintauchen lässt, desto mehr nimmt er an Drastik und Filmverliebtheit zu. Sehr explizit werden da die Gore-Elemente eines David Cronenbergs inszeniert, sehr direkt wird das Filmgeschäft als ein artifizielles Spiel der Illusionen dargestellt, mitsamt seinen Außensets und Studiointerieurs. Alfred Hitchcocks „Psycho“, der gerne als der Urfilm des Slasher-Genres gehandelt wird, wird ganz direkt zitiert. Alles Zitieren, alles Nachahmende kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass „MaXXXine“ ein transzendentales Moment fehlt, diese Bezüge zu einem Ganzen zu binden. Er inszeniert die Millionenstadt der Unterhaltungsindustrie als einen durch und durch glanzvollen, aber bedrohlichen Ort der Oberflächlichkeit, kann aber die Tiefe seiner angestrebten Aussage nicht in diese Oberfläche einschließen.
Obwohl er die Muster des Slasherfilms und des ihm inhärenten „Final Girl“ zwar anmoderiert, erfüllen Wests Filme das Klischee der weiblichen Opferrolle nicht. Mia Goth ist die Schlüsselfigur aller drei Filme; drei Heldinnen, die sich durch ihre Sehnsüchte, ihre Selbstbestimmung und ihren Hang zu sadistischen Gewalttaten auszeichnen – man kann darin ein Bestreben der aktualisierenden Lesart des Genres lesen, in allen Fällen aber schließt „MaXXXine“ die Starwerdung Goth metareflexiv ab. Expressis verbis wird sie hier als „Scream Queen“ bezeichnet, der der große Ruhm beschert ist.
„Scream Queen“
Der Begriff „Scream Queen“ gehört dem Filmjargon an: Er beschreibt Schauspielerinnen, die in Horrorfilmen schrille Schreie und Laute des Entsetzens sowie des Erschreckens von sich geben. Es mag paradox klingen, doch „Scream Queens“ gab es bereits zu Zeiten des Stummfilms – Frauen, die von Monstern bedroht wurden, waren ein wichtiges Element in Horrorfilmen dieser Zeit. Als eine der wohl ersten „Scream Queens“ gilt die US-amerikanische Schauspielerin Fay Wray: Anfang der 1930er Jahre übernahm sie mehrere Rollen in Horrorfilmen. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Rolle in „King Kong und die weiße Frau“ (1933).
Die Entwicklung des Tonfilms stellte Schauspielerinnen wie Wray vor Herausforderungen, denn oft fehlte ihnen die nötige Stimmkraft für eine „Scream Queen“. Aus dem Grund gab es in Hollywood kurze Zeit den Beruf der „Schreierin“, die entsprechende Passagen für die Schauspielerinnen übernahm. Oft live im Studio, später durch Synchronisierung.
Ab den 1970er Jahren gab es vonseiten einzelner Schauspielerinnen Kritik an der Figur der „Scream Queen“. Die US-amerikanische Filmschaffende Gaylen Ross weigerte sich beispielsweise, während der Dreharbeiten zum Film „Zombie“ (1978) Regieanweisungen zu befolgen, nach denen sie bei Gefahr schreien sollte. Ihr Argument: Ihre Figur Francine Parker sei eine starke Frau, zu der dieses Verhalten nicht passe. Der Regisseur und Drehbuchautor George A. Romero soll die Kritik angenommen und die Rolle entsprechend angepasst haben.
Übrigens gibt es auch männliche „Scream Queens“: Eine davon soll Bruce Campbell sein, der sein Talent in „Tanz der Teufel“ (1981) und dessen Fortsetzung „Tanz der Teufel II“ (1987) unter Beweis stellte und in zahlreichen Szenen schrie. (Isabel Spigarelli)
„Final Girl“
Unter „Final Girl“ versteht man in der Filmwissenschaft die letzte Überlebende in einem Horrorstreifen. Ein anderer Begriff ist „Survivor Girl“. Beide Wörter bezeichnen die weiblichen Heldinnen-Figuren in Horrorfilmen, denen es gelingt, die Mörder*innen zu besiegen. In mehrteiligen Filmreihen ist es der Heldin so möglich, in den Fortsetzungen aufzutreten. Angeblich geht der Begriff auf Filmwissenschaftlerin Carol J. Clovers Buch „Men, Women and Chain Saws: Gender in the Modern Horror Film“ (1992) zurück. (IS)
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