Schwimmen / „Mehr oder weniger lachhaft“: Der ehemalige FLNS-Trainer Miloslav Rolko über seine Kündigung
Im vergangenen Jahr sorgte der nationale Schwimmverband FLNS, um Präsident Marco Stacchiotti, mit der überraschenden Entlassung seiner beiden hauptamtlichen Trainer Ingolf Bender und Miloslav Rolko für einen Eklat. Das Kündigungsschreiben erhielten die Trainer wenige Tage vor Weihnachten. Nach anfänglichem Schweigen über die Beweggründe hieß es später, dass man sich neu aufstellen wolle. Im August dieses Jahres hatte der 61-jährige Miloslav Rolko seinen letzten Arbeitstag, nachdem er gemeinsam mit Ingolf Bender die zehn erfolgreichsten Jahre des Luxemburger Schwimmsports mitgeprägt hatte. Im Tageblatt-Interview wollen wir mit dem ehemaligen Weltklasse-Schwimmer erstmals seine Sicht der Dinge erläutern.
Tageblatt: Herr Rolko, wie haben Sie die Kündigung verkraftet?
Miloslav Rolko: Der Zeitpunkt unserer Kündigung, kurz vor Weihnachten, wurde sehr schlecht gewählt. Auf jeden Fall hätte man im Vorfeld mit uns reden sollen. Ein „Hey Männer, wir wollen neue Wege gehen, wir wollen es anders versuchen“, hätte schon gereicht. Wir Sportler sind es gewohnt, spontan zu handeln, mit Schwierigkeiten umzugehen. Wir können uns auf neue Gegebenheiten einstellen. Einige Tage nach der Kündigung wollte sich der Präsident mit mir treffen, um mit mir zu reden.
Sind Sie darauf eingegangen?
Zu einem Treffen kam es im Januar, zwei bis drei Wochen nach der Kündigung. Er sagte mir, dass er die ganze „Sache“ glatt über die Bühne bringen will. Ich fragte ihn bei dieser Gelegenheit noch einmal nach dem Warum. Wieso entlässt man einen Trainer zwei, drei Jahre vor seiner Pensionierung? Seine Antwort hat mich überrascht. Er antwortete zuerst, dass er auch vor kurzer Zeit arbeitslos war … So nach dem Motto, das gehört eben zum Leben dazu.
Wie hat die FLNS denn Ihre Kündigung letztendlich begründet?
Die Begründungen sind mehr oder weniger lachhaft und teilweise künstlich fabriziert. Ich kann sie nur vehement zurückweisen. Zum Beispiel haben sie mir vorgeworfen, dass ich Kilometergeld abgerechnet hätte, um meinen Sohn zu einem Wettkampf zu fahren. Ich fuhr als Trainer zu diesem Wettkampf am Samstag, mein Sohn schwamm allerdings erst am Sonntag! Der Clou war aber, dass ich die Abrechnung erst drei Monate nach der Kündigung beantragt hatte. Im Großen und Ganzen haben sie mir mangelnde Motivation und Unzuverlässigkeit unterstellt. Auf der anderen Seite hat es den Vorstand nie interessiert, wenn wir wochenlang am Stück im Einsatz waren. Es war auch nie klar geregelt, wie viele Tage uns als Ausgleich zur Verfügung standen. Das war mir aber nicht so wichtig, weil ich meine Arbeit gern gemacht habe.
Haben Sie einen Anwalt eingeschaltet, um gegen Ihre Entlassung vorzugehen?
Ja. Ich habe mich aber entschieden, mein Wort zu halten und das Ganze möglichst sauber über die Bühne zu bekommen. Leider ist es von der Verbandsseite anders gelaufen. Heute bereue ich diesen Weg.
Nur die Art und Weise, wie sie es vollstreckt haben, damit kann ich niemals einverstanden sein
Sie scheinen vom Vorstand der FLNS enttäuscht zu sein.
Enttäuschung, Wut, Frust. Ja, vielleicht die ersten Stunden. Dann kam die rationale und realistische Betrachtung. Unsere Kündigung war für mich eine Überraschung. Etwas, womit niemand gerechnet hat. Im Sport muss man auf solche Situationen gefasst sein. Nur die Art und Weise, wie sie es vollstreckt haben, damit kann ich niemals einverstanden sein.
Hat es Ihnen denn an Motivation gefehlt?
Nein, definitiv nicht. Ich habe mich auf meine Aufgaben konzentriert, die im Schwimmen so wichtig sind: das Techniktraining, oder das Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Athlet. Ich habe enorm viel beim Training auf diese Aspekte gesetzt und war immer mit meinem ganzen Schwimmerherzen dabei.
Ging es denn überhaupt nicht um sportliche Differenzen?
Sie haben mir auch vorgeworfen, dass ich kein Sichtungssystem für die Nachwuchsschwimmer erstellt hätte. Dabei hatten wir ein funktionierendes System, wie unsere Erfolge der vergangenen Jahre zeigen. Aber als der neue Vorstand gewählt wurde, haben sie das funktionierende System abgeschafft. Man kann bei Nachwuchstalenten allerdings nicht nur auf geschwommene Zeiten achten. Da spielen die Technik und das Entwicklungspotenzial eine Rolle. Da muss man den Trainern, die sich tagtäglich damit beschäftigen, einfach eine gewisse Portion Vertrauen entgegenbringen.
Das heißt, der Vorstand hat sich in die sportlichen Belange eingemischt?
Sie haben sich ständig eingemischt. Ich kann mich erinnern, dass sie immer gesagt haben, nichts von Schwimmen zu verstehen, aber dennoch haben sie mitgeredet. Bei einer Trainingseinheit habe ich aber nie jemanden vom Vorstand vorbeischauen sehen.
Nach der Entlassung hat man Ihnen eine Vergleichsvereinbarung angeboten …
Ja, das haben Sie. Da kam der Präsident der FLNS drei Monate nach unserem Treffen wieder auf mich zu. Ich wollte zwei Punkte in der Vereinbarung anders formuliert haben. Der Präsident konnte mit mir kein Treffen vereinbaren, dann ist er für fast zwei Wochen zur EM nach Budapest abgereist. Als er zurückkam, hat man mir mitgeteilt, das Angebot zurückzuziehen, da ich mich nicht gemeldet hätte, was aber nachweislich falsch ist. Heute bin ich eigentlich erleichtert darüber, da meine persönliche Freiheit so nicht eingeschränkt wurde.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Arbeit bei der FLNS?
Es war eine lehrreiche und erfolgreiche Zeit, am Anfang hat es mir sehr viel Spaß gemacht. Jeden Tag Training mit motivierten Schwimmern, darunter dreimal in der Woche Frühtraining. Es ist nicht einfach für die Athleten, regelmäßig früh aufzustehen, sich ins Wasser zu werfen und an die eigenen Grenzen zu stoßen. Dies machen sie jahrelang. Wir haben viele gute und international erfolgreiche Schwimmer hervorgebracht, die auch nach ihrer sportlichen Laufbahn noch erfolgreich waren. Ich denke da an Tom Stolz, Luc Decker, Laurent Carnol, Fränz Schneiders, Raphaël Stacchiotti, meine Tochter Sarah, um nur einige zu nennen.
Hat Ihre Entlassung mit der Verpflichtung von Christophe Audot, dem ehemaligen Trainer von Raphaël Stacchiotti, zu tun?
Das will ich nicht beurteilen. Ich stelle nur fest, dass Raphaël seine größten Erfolge unter Ingolf Bender erzielt hat.
Können Sie denn verstehen, dass sich die FLNS neu aufstellen will?
Das ist etwas, das im Sport immer vorkommen kann und womit man als Trainer rechnen muss. Aber in diesem Fall zweifele ich an den Absichten des Verbandes. Der Präsident hatte zum Beispiel erklärt, dass unsere Entlassung bereits einige Monate im Vorfeld diskutiert wurde und es mehrere Vorstandssitzungen hierfür gab. In dem angegebenen Zeitraum gab es aber nur eine, höchstens zwei Vorstandssitzungen. Außerdem frage ich mich, wieso der Neuanfang nicht geplant war. Die Ausschreibung für den Trainerposten erfolgte erst lange, nachdem unsere Kündigung bekannt war. Letztendlich war die FLNS im September, als die Sommerferien vorbei waren, nicht bereit. Zu dem Zeitpunkt rekrutierten sie noch einen weiteren Trainer, sodass die Aufgabenteilung nicht klar sein konnte. Dass mit Christian Hansmann auch noch der Technische Direktor gekündigt hat, macht die Sache nicht besser. Am Ende sind die Sportler die Leidtragenden.
Sie haben also kein gutes Gefühl, was die Zukunft der FLNS betrifft?
Ich hoffe, dass der Verband zur Ruhe kommt und sich sportlich so aufstellt, dass die Talente weiter gefördert werden und es Erfolge zu feiern gibt. Mein Wunsch wäre, dass Eigeninteressen im Sport – und das nicht nur im Schwimmsport – weder Athleten noch Verbänden oder Vereinen schaden. Sollte der Neuanfang nicht klappen, wird sich das in ein paar Jahren bemerkbar machen, wenn keine Talente mehr nach oben kommen. Ich hoffe, dass der Verband aus früheren Fehlern lernt, damit dies nicht eintritt.
Wie geht es für Sie persönlich weiter, was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Alles ist offen. Ich wäre für die Schwimmer sehr froh, wenn die Pandemie sie nicht noch einmal zurückwirft. Es ist brutal schwer, sich immer wieder neu zurückzukämpfen.
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