Pilotprojekt Ausbildung / Meisch macht Zugeständnisse an Erzieher
In Luxemburg herrscht Erziehermangel. Um dem entgegenzuwirken, hat Bildungsminister Claude Meisch ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das de facto vorsieht, die dreijährige Ausbildung auf ein Jahr zu kürzen. Am vergangenen Freitag traf sich die Gewerkschaft der Erzieher ALEE/CGFP mit Claude Meisch. Im Tageblatt-Gespräch erläutert Yves Kails, Sekretär der Gewerkschaft, was bei dem Treffen nun beschlossen wurde.
Wer Erzieher werden will, kann sich am LTPES („Lycée technique pour professions éducatives et sociales“) auf 2e und 1re in eine GED-Klasse einschreiben. Nach diesen zwei Jahren folgt ein drittes, das „Terminale“ genannt wird. Das neue Pilotprojekt von Bildungsminister Claude Meisch sieht vor, auch jenen Schülern der GSO-Sektion (Sozialwissenschaften), die einen Abschluss in Sozialwissenschaften haben, innerhalb eines weiteren Jahres im LTPES den Zugang zum diplomierten Erzieherberuf zu ermöglichen. Dies, indem sie nach ihrem GSO-Abschluss die „Terminale“ besuchen. Dieser neue Zugang zum Beruf des Erziehers soll zunächst als Pilotprojekt unter der Bezeichnung „Passerelle“ auf zwei Klassen – LTPES und ENAD („Ecole nationale pour adultes“) – im nächsten Schuljahr angeboten werden.
Relativ schnell konnten wir unsere Ideen und Vorschläge einbringen, wie man den Erziehermangel langfristig beheben kannALEE-Sekretär
Die Gewerkschaft der Erzieher ist über diesen neuen Weg der Ausbildung alles andere als erfreut. Bereits vor einem Monat teilte die ALEE ihren Unmut darüber in einer Pressemitteilung mit. Genau einen Monat später – am vergangenen Freitag – hatte Claude Meisch die Gewerkschaftler zu einer Unterredung eingeladen. „Wir saßen zwei Stunden mit dem Bildungsminister und seinen Beratern zusammen und waren sehr gut vorbereitet, um gegen diese ‚Passerelle‘ zu argumentieren“, sagt Yves Kails, Sekretär der ALEE/CGFP. „Relativ schnell konnten wir unsere Ideen und Vorschläge einbringen, wie man den Erziehermangel langfristig beheben kann.“
Als erstes großes Argument gegen das neue Projekt führte die ALEE das Praktikum an. „Das sind auf 2e und 1re zusammengezählt 15 Wochen Praktikum“, sagt Kails. Er erinnert daran, dass die Schüler während des Praktikums Arbeitsaufträge bekommen. „Es geht darum, dass die Schüler Kompetenzen erwerben“, betont der ALEE-Sekretär. Gleichzeitig seien die Praktika dazu da, um den Schülern die verschiedenen Bereiche ihres zukünftigen Berufes zu zeigen. Es wurden vom LTPES 15 unterschiedliche Bereiche identifiziert, in denen Erzieher „um Terrain“ arbeiten können, so Kails.
Schüler könnten zu wenig Erfahrung haben
„Es geht also darum, dass man am Ende ein Diplom bekommt, das besagt, dass man in all diesen Bereichen arbeiten darf.“ Deshalb sei es wichtig, dass man nicht nur in einem Bereich unterwegs sei, sondern auch in anderen Erfahrungen sammeln könne. Bislang hat man auf 2e und 1re seine Praktika abgelegt und auf der Terminale zusätzlich einen „Stage“ von 11 Wochen. Laut „Règlement grand-ducal“ handelt es sich dabei um einen „Stage de perfectionnement“. „Ab dem ersten Tag tritt der Schüler hier wie ein Professioneller auf“, sagt Kails. „Da bleibt nicht viel Zeit, sich noch Kompetenzen anzueignen, da geht es darum, zu zeigen, was der Schüler schon alles kann.“ Beim neuen Pilotprojekt könne es aber sein, dass den Schülern Erfahrungen aus anderen Bereichen fehlten und zudem sei keine Zeit da, die Kompetenzen nachzuholen, welche die anderen Schüler sich in den zwei Jahren vorher aneignen konnten, sagt Kails.
Es geht also darum, dass man am Ende ein Diplom bekommt, das besagt, dass man in all diesen Bereichen arbeiten darfALEE-Sekretär
Ein weiteres wichtiges Argument, das die ALEE bei der Unterredung mit Claude Meisch jedoch nicht anführen musste, war jenes der unterrichteten Fächer. Die Gewerkschaftler haben Tabellen zusammengestellt, anhand derer man die angebotenen Fächer vergleichen kann. Kails erklärt, dass die Schüler auf der Sektion GSO Fächer wie Psychologie, Kommunikation, Soziologie, aber auch Volkswirtschaftslehre, Philosophie und „Connaissances du monde contemporain“ haben. Schüler der 2e und 1re GSO haben laut Kails nur sieben beziehungsweise acht Stunden pro Woche Fächer, die einen direkten Bezug zum Beruf des Erziehers haben. Auf der 2e und 1re GED seien es dagegen 20 bis 23 Stunden mit einem direkten Bezug. „Das ist ein sehr großer Unterschied“, sagt er. Ein anderes wichtiges Fach, wie etwa die Entwicklungspsychologie, wird laut ALEE-Sekretär nur auf 2e und 1re GED unterrichtet, nicht aber auf der GSO-Sektion. „Das sind aber essenzielle Sachen, die die Schüler dann nicht gelernt haben“, sagt er.
Als der frühere Direktor des LTPES in Rente ging, hatte sich die ALEE vorgenommen, den neuen Direktor zu kontaktieren, um über die Probleme zu sprechen, die es „um Terrain“ gibt. Die Ausbildung am LTPES sei gut, dennoch wollte die Gewerkschaft das Gespräch suchen, um das Potenzial weiter auszuschöpfen und die Ausbildung einen Schritt weiterzubringen. Mit mehr Qualität und mehr Kompetenzen in der Ausbildung wollten sie den Problemen im Alltag und den gesellschaftlichen Entwicklungen begegnen. „Als wir das Gespräch mit dem neuen Direktor ersuchen wollten, kam der Bildungsminister mit seinem Pilotprojekt“, sagt Kails.
Wir haben gegenüber Claude Meisch klar gesagt, dass wir mit der Passerelle nicht zufrieden sein könnenALEE-Sekretär
Die Ursache für den Mangel an Erziehern
„Wir haben gegenüber Claude Meisch klar gesagt, dass wir mit der Passerelle nicht zufrieden sein können.“ Für die Gewerkschaft reicht es nicht, festzustellen, dass es einen Mangel an Erziehern gibt. „Wir müssen herausfinden, woher der Mangel stammt“, sagt er. Die ALEE stellt fest, dass viele Berufsanfänger sich oft umorientierten, weil sie dem Druck nicht standhielten. Denn selbst drei Jahre Ausbildung würden noch nicht genügen, um die notwendigen Kompetenzen zu erwerben, die einen dazu befähigen, den Erzieher-Alltag zu bewältigen. Andererseits sehen sich Erzieher, die schon länger den Beruf ausüben, oft mit einem Mangel an Kontinuität konfrontiert und sind sehr schnell frustriert, da eine qualitative Arbeit immer schwerer wird. Dazu gehöre laut Kails sowohl häufiger Personalwechsel als auch die fehlende gesellschaftliche Anerkennung für den Beruf. „Das gesellschaftliche Bild von der Arbeit eines Erziehers wird oft darauf reduziert, dass die Erzieher ja nur mit Kindern spielen, die wertvolle pädagogische Arbeit und die Vielfalt der Adressaten wird dabei vergessen“, sagt er. Deshalb erachtet die ALEE es für wichtig, dass die Erzieher auch nach mehreren Jahren Berufserfahrung noch die Möglichkeit haben sollten, sich weiterzubilden oder zu spezialisieren. „Neben der Möglichkeit einer Spezialisierung in Form eines BTS müsse man auch ein ‚Diplôme d’aptitude professionnelle’ (DAP) anbieten, um dem besonderen Aufwand in einzelnen Arbeitsbereichen, etwa Kindheit oder drittes Alter, gerecht zu werden.“
Meisch wird das Pilotprojekt nicht zurückziehen. Dennoch zeigt sich die Gewerkschaft pragmatisch, da der Bildungsminister Zugeständnisse an die ALEE gemacht hat. Die Gewerkschaft wird demnach in der Gruppe vertreten sein, die das Projekt auswertet. Auch sicherte das Ministerium völlige Transparenz beim Handeln und der Kommunikation zu. Zudem sagte Meisch, dass es sich bei dem einjährigen Pilotprojekt nur um zwei Klassen handele (ENAD und LTPES). Wenn es zu viele Einschreibungen gibt, wird ausgewählt, wer teilnehmen darf. In den Modalitäten muss klar formuliert werden, welche Bedingungen die Schüler erfüllen müssen, um angenommen zu werden. „Da die Einschreibungen seit geraumer Zeit möglich sind, ist es zu diesem Zeitpunkt unmöglich, das Projekt noch zu stoppen.“
Auf gar keinen Fall dürfen die Schüler als Versuchskaninchen herhalten, um ein Jahr in ein Projekt zu investieren, ohne dass sie die Möglichkeit bekommen, das Diplom in einem zweiten Anlauf zu erhaltenALEE-Sekretär
Für Kails ist es wichtig, dass das Pilotprojekt so laufe, dass die Schüler der Passerelle die notwendigen Kompetenzen für den Erzieherberuf effektiv erlernen könnten. Jene, die dies bewältigen, sollen am Ende auch ihr Diplom erhalten, sagt Kails. Bei den Schülern, welche diese Kompetenzen nicht erreicht haben, müsse man selbstverständlich analysieren, wieso dies nicht so sei, und auch eine Lösung für ihre Situation finden. Das Ganze müsse am Ende richtig evaluiert und die richtigen Schlüsse gezogen werden. „Auf gar keinen Fall dürfen die Schüler als Versuchskaninchen herhalten, um ein Jahr in ein Projekt zu investieren, ohne dass sie die Möglichkeit bekommen, das Diplom in einem zweiten Anlauf zu erhalten.“
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Firwat soll nach e jonke Mensch am Land esou blöd sinn an eng regulär Ausbildung maachen? Schoulmeeschter gess de an engem Joer (bezuelt) als Quereinsteiger an Educateur mat engem Joer Crashcours ouni all déi aner Stagen. Ass dach vill méi praktesch déi Ofkierzungen do ze huelen!