Editorial / Men on the Moon
Dass es der Welt nicht gut geht, dürften selbst die hartnäckigsten aller Klimawandel-Leugner spätestens dann, als ihr Keller unter Wasser stand oder sie bei 50 Grad im Schatten fast den Hitzetod gestorben sind, gemerkt haben. In einem rezenten Artikel („Letzter Ausstieg Sozialismus“) geht der slowenische Philosoph Slavoj Zizek davon aus, dass eine solche Anhäufung von Katastrophen in Zukunft eher die Regel als die Ausnahme sein wird. Zizek zitiert dabei den Guardian, laut dem die kanadische Hitzekuppel schätzungsweise „eine Milliarde Meerestiere an der kanadischen Küste getötet“ habe.
Um den wirtschaftlich-ökologischen Katastrophen, die uns noch bevorstehen, entgegenzuwirken, müsse man, so Zizek, verschiedene Charakteristiken des kommunistischen Regimes wiederherstellen: Da wären die Einschränkung individueller Freiheiten, globale Solidarität, absoluter Egalitarismus und der Wille der Bevölkerung, an der Umsetzung dieser Maßnahmen mitzuwirken. Kurz: Das kollektive Wohl muss wieder über dem Einzelinteresse stehen.
Das Problem ist: Wir haben als Spezies verlernt, kollektiv zu denken. Denn es liegt im Interesse des Neoliberalismus, dass wir individualistisch und selbstbezogen aufwachsen und handeln. Im digitalen Alltag werden wir tagtäglich zu Solipsisten erzogen: So sind Newsfeed oder Werbungen in sozialen Netzwerken auf unsere Interessen und unsere Weltansicht gemünzt, was wir dort lesen, ist durch die politischen Überzeugungen unseres Freundeskreises (die oftmals identisch mit den eigenen sind) meist sehr einseitig und vermittelt nur noch den Schein der Diversität.
Individualismus ist seit Jahrzehnten eine wahnsinnig effiziente Verkaufsstrategie: So kann man sich bspw. durch das Selbstverwirklichungsangebot seiner Wahl von anderen Methoden abkapseln – und bekommt gleichzeitig ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt. Zugespitzt hat sich dies mit dem Phänomen der Influencer, die ein Derivat der Promis sind – jener Menschen, die ganz tautologisch bekannt sind, weil sie eben bekannt sind und die deswegen in der Öffentlichkeit auftreten, ohne irgendein besonderes Talent zu haben. Die Influencer haben das Promi-Phänomen demokratisiert, was schön und recht ist. Wenn sich jedoch jeder dauerprofilieren will, ist bald niemand mehr da, um diejenigen, die sich profilieren, zu bestaunen.
Der kulturelle Mainstream – damit bezeichne ich alle Kulturprodukte, die dezidiert das neoliberale System unterstützen, sei es nur, indem sie es stillschweigend und unkritisch gutheißen – begleitet dieses Phänomen: Die bekanntesten Romanfiguren sind Outsider, Superhelden sind überwiegend eigenwillig und kauzig, Fiktionen fokussieren sich meist auf eine Hauptfigur, kollektives Erzählen bleibt immer noch eine narratologische Ausnahme.
Dass Mainstream-Filme und -Serien einen prägenden Einfluss auf unser soziales Verhalten haben, erkannte bereits David Foster Wallace, als er 1989 in einem Essay darüber schrieb, wie das Fernsehen und dessen Mainstream-Fiktionen den Tod ignorierten – Foster Wallace prophezeite, auf Dauer werde der Mensch deswegen seine eigene Sterblichkeit leugnen.
Es ist folglich kein Zufall, dass das Verhalten einzelner Megareicher, die wie in Jeff Nichols’ „Take Shelter“ unterirdische Bunker für die bevorstehende Apokalypse bauen (lassen) oder wie in Christopher Nolans „Interstellar“ den Weltraum nach bewohnbaren Orten abgrasen, an das Handeln fiktionaler Gestalten angelehnt ist. Menschen wie Jeff Bezos oder Elon Musk entgeht jedoch die Warnfunktion solcher Fiktionen, da sie nur den Eigennutzen erkennen – diese „Après moi le déluge“-Philosophie steht im starken Kontrast zu Zizeks wichtigem Appell zu mehr Zusammenhalt, in dessen Zentrum nicht der (unaufhaltsame) Tod des Einzelnen, sondern das Überleben unserer Spezies steht.
- Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging - 14. August 2023.
- Des débuts bruitistes et dansants: la première semaine des „Congés annulés“ - 9. August 2023.
- Stimmen im Klangteppich: Catherine Elsen über ihr Projekt „The Assembly“ und dessen Folgeprojekt „The Memory of Voice“ - 8. August 2023.
Schon bedenklich ein renommierter Journalist die Aussagen eines Herrn Zisek , der wieder Teile dès kommunistischen Systems instruieren will so hervorhebt. Es kann nicht sein , dass Generationen die während des Kalten Krieges den Kommunismus bekämpft, dieser jetzt im Namen des Klimaschutz durch die Hintertür eingeführt wird. Ich finde diese Aussage des Herrn Zizek genauso beschämend, wie jener Leute die den Nationalsozialismus hochloben. Wir leben seit Generationen in einem kapitalistischen System , der Wohlstand den Menschen gebracht hat und diese Tatsache ist mit allen Mitteln zu verteidigen. Naturschutz , Klimaschutz ist auch Blumenwiesen ( Siehe Gesetzgebung Dänemark) , oder das Anpflanzen einer Anzahl von Bäumen ( CO2 Schlucker) ,Baugenehmigungen in Überschwemmungsgebieten zu verweigern, Überschwemmungsgebiete für Flüsse,Bäche zu schaffen, Versiegelung des Bodens zu verbieten,…… »Och kléng Bréidecher machen saat « , aber das interessiert die Politik nicht .
Das wahre Problem sämtlicher Sozialismus- und Kommunismus-Experimente der Menschheit: Die Sache mit der „Kollektivierung“ funktioniert nicht. Wenn wir als Spezies nicht das Individuum entdeckt hätten, würden wir immer noch zwangskollektiviert in Höhlen hocken. Das Rad oder der Hebel zB wurden garantiert nicht von irgendeinem steinzeitlichen VEB entwickelt, sondern entstanden durch spontane Ideen und Geistesblitze findiger Individuen. Da Vinci, Mozart, Einstein oder Hawking arbeiteten allein und wären in irgendeinem „Kollektiv“ sicher niemals zu ihren Leistungen fähig gewesen. Genialität verkümmert, wenn sie sich andauernd mit Mittelmass messen muss. Menschen sind nun mal keine Ameisen. Sicher: Gebündelte Expertise kann wahre Wunder wirken – vom Manhattan-Projekt bis zur Mondlandung. Alle beteiligten Stränge entstammt dabei aber immer „nur“ einzelnen Forschern. Um uns weiter entwickeln zu können benötigen wir den Sauerstoff und den Freiraum, den uns einzig eine zuvorderst auf die Rechte des Individuums ausgelegte Gesellschaft bietet. Wovor hat man eigentlich Angst? Dass Einzeldenker ohne die ideologische Einbettung eines Kollektivs diesen ganzen Klimahype als Chimäre entlarven…?
Die Tageblatt-Jugend entdeckt die Freuden des Kommunismus.
@Realist: Ich bin auch gern ein Individuum, der spät abends noch an Musiktiteln oder Zeichnungen oder Automotoren oder in seinem Garten arbeitet. Leider muss ich im schönen kapitalistischen System trotzdem in der kollektiven Plattenbausiedlung wohnen und abends ruhig sein und wenn ich zu Bett gehe nerven mich die Nachbarn. Kapitalismus ist was schönes.