Pandemie-Gesetz / Menschenrechtskommission sieht viele der geplanten Maßnahmen kritisch
Die „beratende Kommission für Menschenrechte des Großherzogtums Luxemburg“ („Commission consultative des droits de l’homme du Grand-Duché de Luxembourg“, CCDH) hatte nur wenig Zeit, um sich mit der geplanten Änderung des Gesetzes zur Pandemie-Bekämpfung zu befassen. Dieses sieht unter anderem eine allgemeine Ausgangssperre vor. Insgesamt fordert die Kommission mehr Ausnahmen, die nicht immer nur wegen wirtschaftlicher Interessen erwogen werden sollen, sowie dass keine Menschen vergessen werden.
Der Eingriff, über den das Parlament heute berät, kann kaum noch schwerwiegender ausfallen: Im Kampf gegen Corona soll die persönliche Bewegungsfreiheit jedes einzelnen Einwohners Luxemburgs praktisch komplett negiert werden – und das täglich von 23 bis 6 Uhr.
Diese und weitere geplante Maßnahmen in Hinsicht auf die Auswirkungen auf die Menschenrechte zu beurteilen, ist an sich schon kein leichtes Unterfangen – dass es aber auch noch in größter Eile geschehen muss, macht es noch kritischer. Das schickt die CCDH gleich ihrer siebenseitigen Stellungnahme voran, die sie am Mittwoch veröffentlicht hat (hier als PDF in französischer Sprache): „Die CCDH möchte betonen, dass die Dringlichkeit, mit der der Gesetzentwurf geprüft und beraten werden muss, die Möglichkeiten der verschiedenen Akteure, sich an der öffentlichen Debatte zu beteiligen und so eine vertiefte Analyse der neuen Maßnahmen durchzuführen, erheblich einschränkt“, heißt es in der Stellungnahme.
Ausgangssperre
Hinsichtlich der geplanten Ausgangssperre erkennt die CCDH an, dass auch andere, benachbarte Länder ähnliche Maßnahmen ergriffen hätten. Zudem sei der späte tägliche Beginn um 23 Uhr eine gute Entscheidung. Generell seien aber wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zur Notwendigkeit beziehungsweise Wirksamkeit einer Ausgangssperre praktisch nicht vorhanden oder würden jedenfalls von der Regierung nicht vorgebracht.
Außerdem wundert man sich bei der CCDH darüber, dass bestimmte Menschengruppen, die sehr verletzlich sind, offenbar schlichtweg vergessen worden seien: Obdachlose könnten die Ausgangssperre etwa kaum befolgen. Dies sei „besonders besorgniserregend, da die Regierung bis heute keine Informationen über die voraussichtliche Eröffnung von Unterbringungseinrichtungen für diese Bevölkerung, wie z.B. über die ‚Wanteraktioun‘, vorgelegt hat“, schreibt die Kommission. Auch in problematischen Verhältnissen, wenn etwa häusliche Gewalt zu befürchten sei, müssten Betroffene die Rechtssicherheit haben, ihre Wohnung verlassen zu können, ohne Strafen zu befürchten.
Generell fordert die CCDH die Regierung auf, Menschen in prekären Situationen, die in Krisenzeiten in Vergessenheit zu geraten drohen, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Weder in den Kommentaren zu den Artikeln noch in der Begründung würden aber Garantien für die Achtung der Rechte und Bedürfnisse dieser Menschen gegeben.
Schwammige Definitionen
Ohnehin seien zwar Ausnahmen vorgesehen, etwa eine Erlaubnis des Reisens für eine „berufliche Tätigkeit“ oder „in Fällen höherer Gewalt oder in Situationen der Notwendigkeit“ – aber nicht nur hier fehle es an „Klarheit und Präzision“ der verwendeten Begriffe, bemängelt die CCDH.
„Generell haben wir auch in früheren Stellungnahmen festgestellt, dass viele Aspekte der Pandemiegesetze einfach nicht präzise genug formuliert sind“, stellt die Juristin Anamarija Tunjic von der CCDH fest. Auch im aktuellen Papier wird mehrfach kritisiert, dass viele Bestimmungen im derzeitigen Entwurf Menschen verunsichern könne – vor allem hinsichtlich ihrer Rechte.
Menschen zu verbieten, ihre Wohnungen zu verlassen, sei jedenfalls eine starke Einschränkung der Freiheit – für die generelle Ausnahmen gefordert werden. So schlägt die Kommission etwa vor, dass ein im Gesetzentwurf vorgesehener Bewegungsradius von einem Kilometer nicht nur für die Ausführung eines Haustiers genutzt werden darf, sondern von jedem Menschen.
Ausnahmen und Rechte – auch für Infizierte
Die geplanten Bestimmungen zum Versammlungsrecht stoßen ebenfalls auf Skepsis bei der CCDH – weil nicht wirklich gesichert sei, dass sie das Demonstrationsrecht nicht berührten. Zwar trage ein Änderungsantrag vom Dienstag entsprechenden Mahnungen der CCDH Rechnung, doch man sei „nach wie vor besorgt, dass es nach dem angekündigten Gesetzentwurf nicht möglich sein wird, das Recht auf Protest zwischen 23 Uhr und 6 Uhr auszuüben“. Man fordere die Regierung daher auf, den Entwurf in diesem Punkt zu überprüfen.
Positiv stellt die CCDH fest, dass der Gesetzentwurf „endlich“ vorsehe, dass auch infizierte Personen ihre Isolation für wichtige Gründe verlassen dürfen, wenn das Risiko weiterer Ansteckungen gering bleibt. Die CCDH hatte schon früher so etwas gefordert, zum Beispiel beim drohenden Tod eines nahen Verwandten oder bei der Geburt eines Kindes, um sich vor Gewalt zu schützen oder um sich um Tiere zu kümmern. Die Regierung wird aufgefordert, flexibel sicherzustellen, dass Segregationsmaßnahmen die Ungleichheiten in der Bevölkerung nicht verstärken: „Die Auswirkungen einer Isolation sind nicht für alle gleich“, heißt es.
Die CCDH fordert die Regierung dringend auf, „sicherzustellen, dass die Fähigkeit des Gesundheitsdirektors, Ausreisegenehmigungen zu erteilen, nicht ausschließlich dazu genutzt wird, die organisatorischen Bedürfnisse bestimmter öffentlicher oder privater Arbeitgeber zu erfüllen“. Neben wirtschaftlichen oder beruflichen Interessen gebe es „auch andere Erwägungen und Bedürfnisse, die bei der Erteilung einer möglichen Ausgangserlaubnis vorrangig berücksichtigt werden sollten“.
Nicht nur an die Wirtschaft denken
Das gelte aber auch andersherum – wenn Menschen es lieber vorzögen, zu Hause zu bleiben, sollten sie nicht aus primär wirtschaftlich-beruflichen Gründen gezwungen werden können, sich an den riskanten Arbeitsplatz oder an eine Bildungseinrichtung zu begeben.
Generell will CCDH-Mitarbeiterin Tunjic die Maßnahmen gegenüber dem Tageblatt nicht verdammen, schließlich handele die Regierung grundsätzlich ja mit Augenmaß: „Es ist natürlich wichtig, dass man zum rechten Zeitpunkt Maßnahmen ergreift“, stellt sie fest. „Und die Zahlen gehen ja auch derzeit hoch, das ist nicht zu leugnen.“ Die Regierung habe weiterhin erkannt und erklärt, dass man auch nicht zu früh Eingriffe tätigen wolle, die die Freiheit beschränken.
Es sei aber auch eklatant wichtig, dass erkennbar sei, auf welche Fakten und Daten man sich stützt – und dass man, wenn Maßnahmen verhängt werden, „auf klare Kommunikation setzt“. Das würde den Menschen einerseits Rechtssicherheit geben und andererseits ja auch die Akzeptanz für die Maßnahmen erhöhen.
Sowohl bei der Faktengrundlage als bei der Kommunikation sieht die Kommission aber noch eklatante Schwachpunkte, die dringend beseitigt werden müssen, um die Menschenrechte in vollem Umfang zu wahren.
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Das Virus kennt keine Menschenrechte weder demokratische Rechte. Hören wir auf uns etwas vorzumachen, nur mit Härte , Einschränkungen können wir Herr der Lage werden. Noch immer unterschätzen wir die Gefahr die dieses Virus in sich birgt , handeln wir endlich.
Immer nur Menschenrechte, aber was ist mit den elementaeren Menschenpflichten, wie Gesetze befolgen ?