20 Jahre Uni.lu / Michel Goedert: „Hoffentlich entstehen auch hier die Googles und Microsofts von morgen“
Das Buch „Beginnings: Looking back on twenty years in the Conseil de gouvernance de l’Université du Luxembourg“ wird am Mittwoch um 18.30 Uhr in der „Chambre de commerce“ vorgestellt. Auf 182 Seiten bietet es Einblicke in die 20-jährige Geschichte der Universität und in die Arbeit des „Conseil de gouvernance“, das sie von Beginn an lenkt. Michel Goedert, der von 2004 bis 2023 Mitglied dieses Gremiums war, kennt die Universität in- und auswendig.
Tageblatt: Wie kam es zu diesem Buch?
Michel Goedert: Yves Elsen (Präsident des „Conseil de gouvernance“, Anm. d. Red.) und Massimo Malvetti (Sekretär des Gremiums, Anm. d. Red.) hatten die Idee vor vier Jahren. Es reizte mich, die wichtigsten Momente und Fakten der letzten 20 Jahre zusammenzutragen. Wie das Titelbild („Eternity Test“ von René Magritte, 1935, Anm. d. Red.) symbolisiert, soll das Buch etwas Solides oder Bleibendes schaffen. Es war jedoch eine sehr zeitaufwendige Aufgabe.
Welche Rolle soll die Universität in Luxemburg spielen?
Wie Germain Dondelinger, einer der Gründungsväter, sehe ich die Universität als eine Möglichkeit, Luxemburg international konkurrenzfähig zu machen. Sie hat dazu beigetragen, dass unser Land offener und weniger provinziell geworden ist. Jede autonome Nation hat eine Universität und wir sind in verschiedenen Bereichen bereits wettbewerbsfähig. Eine echte Öffnung nach außen, ohne an Eigenständigkeit verloren zu haben. Und wir halten effektiv in mehreren Sparten international mit.
Was macht eine gute Universität aus?
Sie muss weltweit offen sein und in mehreren Bereichen zu den Besten gehören. Es wäre vorteilhaft, angelsächsische Ansätze zu übernehmen oder Führungskräfte aus diesen Ländern anzuziehen. Heute ist das wegen der Sprachkriterien nicht möglich. Die zehn besten Universitäten der Welt sind allesamt angelsächsisch. Acht befinden sich in den USA und zwei in Europa: Oxford und Cambridge. Von diesen Modellen sollten wir lernen.
Sind englische Universitäten nicht zu teuer?
Das stimmt so nicht, da es Börsen gibt für die sozial schwächeren Studenten, Börsen, die von den Universitäten selbst verwaltet werden. Rund 9000 £ pro Jahr bleiben als Maximalkosten, die jeder letzten Endes selbst finanzieren muss. Dies kann für einzelne immer noch schwierig sein, doch die dadurch entstehenden eventuellen Darlehen bleiben im Bereich des Möglichen.
Hoffnung gibt es bei Alzheimer, wo in zehn Jahren Therapien möglich sein könnten, die auch die Ursachen bekämpfen
Wie sollte die Universität in 20 Jahren aussehen?
Sie sollte stärker global ausgerichtet sein und sich von den Universitäten im Umkreis klar unterscheiden. Die Universität sollte zudem ihre Patente und Innovationen finanziell nutzen können. Hoffentlich entstehen auch hier die Googles und Microsofts von morgen, so wie in den USA. Oder wie heute alle unsere GPS-Geräte Einsteins Relativitätstheorie nutzen – ein unerwarteter Nebeneffekt, an den er damals nicht gedacht hat. Vielleicht werden dann die ganz wichtigen Entscheidungen im „Conseil de gouvernance“ nicht mehr indirekt unter dem Einfluss der Regierung getroffen werden. Eine echte Unabhängigkeit von der Politik wäre notwendig. Im internationalen Ranking sind wir von Platz 178 auf 250 gefallen – das Ziel muss sein, wieder weiter nach vorne zu kommen. Und den wichtigen Inkubator sollte man erst nach 20 Jahren bewerten, da die meisten Spin-off-Strukturen kaum eine Handvoll Jahre überleben.
Die Zahl der psychisch Kranken hat nicht wirklich zugenommen, die Gesellschaft bringt sie nur zahlreicher ans Licht
Wie steht es um die Neurowissenschaften?
Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und Demenz waren bis 1984 weitgehend unbekannt. Heute verstehen wir ihre Mechanismen besser, aber heilende Therapien fehlen noch. Hoffnung gibt es bei Alzheimer, wo in zehn Jahren Therapien möglich sein könnten, die auch die Ursachen bekämpfen. Wahrscheinliche Kombinationstherapien wie etwa bei AIDS werden helfen, das Leiden in den Griff zu bekommen. Der Chemienobelpreis 2024 hat anhand von Künstlicher Intelligenz 3D-Strukturen von mehreren Proteinen aufgedeckt, das sogenannte Protein Folding. Durch diese von Google finanzierte Forschung wird man alle Proteine modellieren können. Ein sehr wichtiger Schritt für die Wissenschaft. In puncto Schizophrenie, eine sehr häufige Krankheit, sieht es weiterhin nicht gut aus. 1 Prozent der Weltbevölkerung leidet darunter, alle Kulturen sind davon gleich betroffen, doch wir tappen im Dunkeln. Klar ist jedoch, dass unser Lebensstil nicht auf die Gehirnleiden einwirkt. Die Zahl der psychisch Kranken hat nicht wirklich zugenommen, die Gesellschaft bringt sie nur zahlreicher ans Licht. Zum Beispiel gibt es ADHS-Fälle, bei denen man eine zu systematische Behandlung feststellen kann. Die allergrößte Frage, inwiefern durch Zellen unser Bewusstsein entsteht, bleibt weiterhin ungelöst, vielleicht noch für weitere hundert Jahre. Das Gehirn einer Fliege ist bis jetzt das einzige grundlegend erforschte: Es zählt um die 14.000 Zellen. Beim menschlichen Gehirn geht es jedoch um 86 Milliarden Zellen. Eine gewaltige Aufgabe.
Zur Person
Michel Goedert wurde 1954 in Luxemburg geboren und lebt seit mehr als 50 Jahren im Ausland. Nach seinem Medizinstudium in Basel und einem Studium der Pharmakologie in Cambridge wurde er Forschungsleiter am Medical Research Council Laboratory in Cambridge. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Brain Prize (2018), die Royal Medal (2019), den Rainwater Prize (2020), den Piepenbrock-DZNE Prize (2021), den Annemarie Opprecht Foundation Parkinson Award (2023) und den Karl Golser Parkinson Award (2024).
- „Wenn es sein muss, bis zum Generalstreik“: OGBL und LCGB protestieren zu Kollektivverträgen - 3. Dezember 2024.
- „Die Chemie stimmt“: Nationale-2-Leader Racing vor dem Pokalduell gegen die Amicale Steinsel - 3. Dezember 2024.
- Was im Fall eines Regierungssturzes passiert - 3. Dezember 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos