Spanien / Migrationswende: Die meisten Flüchtlinge kommen per Flugzeug
Das spanische Fernsehen berichtet nahezu täglich über Flüchtlingsboote, die auf den Kanarischen Inseln oder an der Mittelmeerküste Spaniens antreiben.
Über den TV-Schirm flimmern Bilder, auf denen man erschöpfte Menschen aus Afrika sieht, die aus Seenot gerettet wurden. Doch die dramatischen Bilder der Bootsflüchtlinge trügen, weil sie einen falschen Eindruck erwecken: Die meisten irregulären Immigranten kommen nicht mehr mit wackligen Kähnen übers Meer nach Spanien, sondern landen per Flugzeug in der spanischen Hauptstadt Madrid.
Es sind auch überwiegend keine Afrikaner, die in Spanien um Asyl bitten, sondern Schutzsuchende aus Lateinamerika. Vor allem Einwanderer aus Süd- und Zentralamerika stellen das Heer jener Menschen, die ohne Aufenthaltspapiere in Spanien leben. Denn die meisten Lateinamerikaner wollen in Spanien – dem Staat, dessen Sprache sie sprechen – bleiben. Viele afrikanische Migranten aus den französischsprachigen Ex-Kolonien bleiben hingegen nicht, sondern ziehen weiter nach Frankreich oder Belgien. Schätzungen zufolge gibt es mindestens eine halbe Million Illegale im Land – weniger als 20 Prozent sind afrikanischer Herkunft.
Soweit die Fakten. Trotzdem bestimmt vor allem die Ankunft der afrikanischen Flüchtlinge die öffentliche Debatte. Spaniens Opposition aus Konservativen und der rechtslastigen Partei Vox fordert vom sozialdemokratischen Regierungschef Pedro Sánchez ein härteres Vorgehen gegen afrikanische Einwanderer. Die Marine solle die Seegrenze blockieren und die Elendskähne zurückschicken. Oppositionschef Alberto Núñez Feijóo behauptet zudem, dass mit der Migration aus Afrika die Kriminalität steige. Eine Aussage, die vom Innenministerium dementiert wird. „Es existiert kein Zusammenhang zwischen Kriminalität und Einwanderung.“
Kooperation mit Transit- und Herkunftsländern
Allerdings gibt auch Premier Sánchez zu, dass die steigende Zahl der Bootsankünfte Sorgen bereitet. Seit Jahresbeginn kamen mehr als 28.000 Migranten übers Meer nach Spanien, doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Mehrheit stammt aus den afrikanischen Armuts- und Krisenländern unterhalb der Sahara. Statt wie früher von Marokko legen die Boote nun vor allem von der westafrikanischen Atlantikküste ab und nehmen Kurs auf die Kanarischen Inseln.
Spaniens Mitte-links-Regierung ist allerdings nicht untätig. Sie setzt bei der Kontrolle der irregulären Einwanderung über die Seegrenze seit Jahren auf Kooperation mit den nord- und westafrikanischen Transit- und Herkunftsländern. Diese spanische Politik wird in Brüssel gelobt und gilt als Beispiel für eine langfristig sinnvolle Migrationssteuerung.
Bei diesen Partnerschaften stehen zwei Dinge im Vordergrund: zum einen Abschreckung durch Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Menschenschmuggler und bei der Absicherung der afrikanischen wie der europäischen Außengrenze. Spanien unterstützt zum Beispiel Mauretanien, Senegal und Gambia, von denen regelmäßig Migrantenboote ablegen, mit Patrouillenschiffen und Aufklärungsflugzeugen. Eine erhebliche Zahl von Booten, die man in afrikanischen Gewässern entdeckt, wird so abgefangen und zurückgeschleppt.
Zum anderen wurden mit finanzieller Rückendeckung der EU wirtschaftliche Hilfsprogramme vereinbart, um den überwiegend jungen Armutsflüchtlingen eine Zukunft im Heimatland zu bieten. Gerade erst sagte Spanien dem westafrikanischen Senegal 180 Millionen Euro zu, die in Ausbildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Mikrokrediten für die Gründung geschäftlicher Existenzen fließen sollen.
Niedrige Anerkennungsquote von Flüchtlingen
Mit dem nordafrikanischen Marokko, lange Zeit Haupttransitstaat für in Spanien landende Bootsmigranten, hat diese Sicherheits- und Entwicklungskooperation offenbar geholfen. Von der marokkanischen Küste legen heute deutlich weniger Kähne Richtung Spanien ab, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Nach Schätzung des Innenministeriums in Madrid wäre die Zahl der Bootsmigranten ohne diese Kooperationen um rund ein Drittel höher.
Doch auch die Abkommen mit afrikanischen Staaten haben ihre Lücken: etwa in Sachen Abschiebung von irregulären Einwanderern. Zwar wurden laut Eurostat von den spanischen Behörden im Jahr 2023 genau 64.260 Abschiebungen angeordnet, doch umgesetzt wurden nur 5.995 – weniger als zehn Prozent. Die meisten Rückführungen erfolgten nach Lateinamerika. Nach Afrika wurden weniger als 1.000 vollzogen, weil sich die meisten Herkunftsstaaten weigern, ihre Landsleute zurückzunehmen.
Noch eines ist bemerkenswert: Beim Asylrecht ist Spanien weniger großzügig als andere. 2023 wurden nach Eurostat-Angaben nur 12,4 Prozent der Antragsteller als Flüchtling anerkannt oder erhielten einen Schutzstatus. Damit hat Spanien die niedrigste Anerkennungsquote der EU. Die meisten der 162.000 Antragsteller im vergangenen Jahr stammten aus den lateinamerikanischen Staaten Venezuela, Kolumbien und Peru. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Anerkennungsquote bei 52,3 Prozent, in Österreich bei 61,5 und in Luxemburg bei 68,1 – der EU-Schnitt betrug 41,6 Prozent.
- Drogenboss des kolumbianischen Golf-Clans in Portugal verhaftet - 25. November 2024.
- „Gladiator II“ knüpft an einen Filmklassiker an, doch gelingt die Fortsetzung? - 25. November 2024.
- Im Nahen Osten droht Trump’sches Chaos - 25. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos