Coronavirus / Mindestens elf Luxemburger zeigen Interesse an Sammelklage nach Ansteckungen in Ischgl
Das Skiparadies Ischgl gilt als eine der Coronavirus-Drehscheiben Europas. Die Frage, ob die österreichischen und die Tiroler Behörden fahrlässig gehandelt und die Gesundheit von Besuchern und Saisonarbeitern aufs Spiel gesetzt haben, um weiter Geld zu verdienen, wird bald die Gerichte beschäftigen. An einer Sammelklage wegen Ansteckungen in Ischgl zeigen auch mindestens elf Luxemburger Interesse.
Am 5. März kam die Warnung aus Island in Österreich an. Ab da gilt Ischgl als Risikogebiet auf der Insel, 14 Urlauber waren nach ihrer Rückkehr positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das Skiparadies in Tirol stand in Island damit in einer Reihe mit Wuhan, dem Iran und der damals von der Pandemie schon schwer getroffenen Lombardei.
Es sollte noch neun Tage dauern, bis die österreichische Regierung am 14. März Maßnahmen zur Isolation vor Ort setzte. Neun Tage, in denen Urlauber und Saisonarbeiter in dem Ferienort einer Gefahr ausgesetzt waren, vor der sie nichts oder nur wenig wussten, obwohl die Behörden offiziell gewarnt worden waren. Auch der Fall eines zwei Tage später positiv getesteten Barkeepers in dem auch wegen seines Après-Ski-Geschehens so beliebten Ischgl ließ in Österreich keine Alarmglocken läuten. Die Lifte fuhren weiter – und so liefen auch die Einnahmen weiter.
Viele stellten sich anschließend die Frage, ob in Ischgl die Profitgier über die Gesundheit gestellt wurde. Ob das Wissen über die Ansteckungswelle vertuscht wurde, um weiter Geld zu verdienen – solange es nur irgendwie geht. Der Österreicher Peter Kolba, ehemaliger Abgeordneter der Liste Pilz und mittlerweile wieder Rechtsanwalt beim Verbraucherschutzverein (VSV), geht genau diesen Verdächtigungen nach – und steckt jetzt mitten im wohl größten Fall seines Lebens. Kolba will die Ansprüche von Touristen geltend machen, die in Tirol mit Covid-19 infiziert wurden. Bei seiner Sammelaktion, die in einer Sammelklage münden soll, haben sich inzwischen mehr als 5.000 Menschen aus der ganzen Welt, aber hauptsächlich aus Europa gemeldet. Darunter auch bislang elf Menschen aus Luxemburg.
Coronavirus nach dem Après-Ski
Für Kolba gilt der 5. März als Stichdatum, obwohl er ein Behördenversagen in den Tagen und Wochen davor ebenfalls nicht ausschließen kann. Bereits am 25. Februar waren alle Kameras auf Tirol gerichtet. Damals war ein junges Paar aus Italien in Tirol positiv getestet worden. Die Frau arbeitete als Rezeptionistin in einem Innsbrucker Hotel. Als der Fall bekannt wurde, rückte die Polizei aus, das Hotel wurde abgesperrt, alle wurden getestet. Für Kolba und seine Sammelklage ist dies ein wichtiges Datum.
Hiermit sei der „Anfangsverdacht für eine strafrechtliche Ermittlung mehr als gegeben – aber in Tirol eben nicht“, sagt Kolba. Die Polizei sei da „martialisch aufmarschiert“, der Medienwirbel war riesig. Demnach müsse den Behörden bewusst gewesen sein, wie ansteckend das Virus ist. Kolba ist es „völlig unverständlich, wieso in den Touristengebieten anderthalb Wochen später anders vorgegangen wurde“. Mehr als das: Behördenvertreter in Tirol spielten das Risiko der Ansteckungsgefahr herunter. „Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich“, teilte beispielsweise Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion in Tirol mit. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) erklärte Mitte März wiederholt im ORF auf die Fragen, ob die Skisaison zu spät beendet worden sei und man Touristen unkontrolliert aus Ischgl habe abreiben lassen: „Die Behörden haben alles richtig gemacht.“
Einfach wird die Sache für Kolba und seine Mitstreiter nicht. Erster Haftungsadressat sei jetzt die Regierung und damit die Republik Österreich. Der klare Vorteil hierbei für Kolba: „Die Republik klagt man in Wien.“ Die Distanz zu Tirol sei sehr wichtig, sagt der Rechtsanwalt. Die Staatsanwaltschaft in Innsbruck ermittele nicht mit aller Effizienz. „Die Verwobenheit aus Politik, Wirtschaft und Behörden in Tirol ist einer Aufklärung abträglich”, sagt Kolba. Die Verbraucherschützer bemühten sich deswegen, „alles nach Wien zu kriegen“. Kolba selber geht von Schadensansprüchen von mehr als fünf Millionen Euro aus. Bislang gebe es drei Covid-19-Todesfälle mit Bezug auf Ischgl. Der einst tadellose Ruf des Skiortes hat bereits schwer gelitten. Jetzt geht es auch noch um viel Geld.
Ischgl-Fälle in Luxemburg
Dass es in Luxemburg sogenannte Ischgl-Fälle gibt, gilt als offenes Geheimnis. So haben auch die Wissenschaftler hinter Luxemburgs „Con-Vince“-Studie, die Ansteckungsketten nachverfolgen und Aussagen über eine Grundimmunität in Luxemburg treffen will, den Urlaubsort auf dem Schirm. Vergangene Woche sagte Studien-Koordinator Rejko Rüger im Hinblick auf die eigenen Fragen zum Reiseverhalten gegenüber dem Tageblatt, „wenn da Ischgl draufsteht, hat man schon eine Idee”. Vom Gesundheitsministerium heißt es auf Nachfrage hin, die Zahl sei bekannt, da alle Infizierten befragt wurden, „zurzeit“ wolle man diese aber nicht kommunizieren.
Bereits Mitte März aber wurden Zahlen aus anderen Ländern publik. Am 13. März gab es demnach in Dänemark 139 positiv getestete Fälle, die direkt mit Reisen aus Österreich in Verbindung stehen, die Mehrheit davon betraf Ischgl. In Deutschland war damals die Rede von 300 Fällen. Am 8. März, alarmiert durch die Zahlen aus Island, meldete Norwegen das Ergebnis seiner damals 1.198 Infizierten. 491 von ihnen hätten das Virus aus Österreich, überwiegend aus Tirol. Auch Österreich selber leidet unter dem Hotspot Ischgl. Die Gesundheitsagentur AGES stellte unlängst in einer Untersuchung fest, dass 57 Prozent der Fälle in der Alpenrepublik direkt oder indirekt mit dem Skiparadies in Verbindung stehen. Eine Analyse durch die Agentur „umlaut“, aus der die Zeitung Die Welt zitierte, zeigt anhand von Mobilfunkdaten, wohin potenziell Infizierte aus Ischgl das Virus getragen haben. Die höchste Reisedichte zeigt sich demnach in Österreich, der Schweiz, in Süddeutschland und in Skandinavien auf. Wie auch in der Straßburg-Region im Elsass.
Aus Luxemburg gab es in der Wintersaison 2020 rund 10.000 Ankünfte in Tirol und insgesamt mehr als 56.000 Übernachtungen. Rund die Hälfte aller Aufenthalte entfallen Tirol-übergreifend auf die Monate Februar und März. Ischgl und umliegende Gemeinden machen hier den Daten der Tirol Tourism Research zufolge bei weitem den Löwenanteil aus. Demnach hat sich die Zahl der Besucher aus Luxemburg von der vorigen zur jetzigen Saison um zehn Prozent erhöht. Alles in allem dürften mehrere tausend Luxemburger im Februar und März ihren Winterurlaub in einem Ort verbracht haben, der erst später als Drehscheibe für das Coronavirus aufgeflogen ist. Wie viel das mit Behördenversagen oder schlichtem Unwissen über die Lage zu tun hatte, versucht nun unter anderem Peter Kolba aufzublättern. Je mehr Daten der Rechtsanwalt hat, desto klarer wird die Sicht. Betroffene können sich weiterhin an den Verbraucherschutzverein (www.verbraucherschutzverein.at) wenden.
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Guten Abend,
Wohin diese Email versendet wird, weis ich nicht…
Egal, war Ende Januar, sowie Mitte Februar in Ischgl, so wie immer, dies seit mindestens 20 Jahre… und habe nichts mit nach Hause gebracht….
Warum nun alles nach Ischgl verschoben wird, versteh ich nicht… Es gibt noch sehr viele andere Skigebiete, die auch soviel besucht werden wie Ischgl, also warum diesem Dorf die Schuld geben….???????
Falsch war nicht die Entscheidung eines Dorfes, oder Landes, sondern dass Europa zu spät reagiert hat….
Also ich freu mich nächstes Jahr wieder nach Ischgl zu fahren um dort meinem Hobby, Sport nach zugehen…. bis dahin bleibt gesund
MfG aus Luxemburg
Jaaaa,da ist doch auch noch was im elsässischen Mülhausen gewesen,nicht wahr,und fast keiner redet mehr davon;da waren ca.2000 Corona-Verteiler unterwegs!Und keiner will’s gewesen sein!!