„Landwirtschaftsdësch“ / Ministerduo trifft sich mit Agrarvertretern
Das Gipfeltreffen von Landwirtschaftsministerin Martine Hansen und Umweltminister Serge Wilmes mit den Vertretern des Agrarsektors bildete den Anfang einer institutionalisierten Form des Austauschs, war allerdings aufgrund der fehlenden Biobauern- und Umweltvereinigungen nicht vollständig.
Folgt man der Einschätzung von Vertretern der Bauern, waren die bisherigen Landwirtschaftstische unter den Vorgängerregierungen der Gambia-Ära diese Bezeichnung nicht wert, obwohl den letztjährigen Agrargipfel der damalige Premierminister Xavier Bettel (DP) einberufen hatte. Unter der jetzigen Regierung hat Agrarministerin Martine Hansen (CSV) zu „Dësch“ gebeten – und die Bauern (zumindest die eingeladenen) scheinen zufrieden zu sein.
Vorneweg Guy Feyder, Präsident der Landwirtschaftskammer, lobte die Veranstaltung im Senninger Schloss, bei der es genügend Redebedarf gab, schließlich hatte die abschließende Pressekonferenz eine Stunde Verspätung. „In den letzten Jahren hat es an Pragmatismus gefehlt“, meinte Feyder. Dieses Mal könne man aber von einem „Paradigmenwechsel“ im Umgang mit der Landwirtschaft sprechen. Denn die Landwirte haben sich, so ist von Bauernallianz bis Bauernzentrale zu hören, nicht genügend angehört und womöglich nicht genügend ernstgenommen gefühlt.
Unmut über das Agrargesetz
Doch um das Jetzt zu verstehen, bedarf es eines Blickes zurück. Auch im Januar des vergangenen Jahres hatte man sich in Schloss Senningen getroffen und sich zumindest zufrieden gezeigt. Nur war die Stimmung im Vorfeld derart angespannt, dass die Jungbauern grüne Kreuze und rote Stiefel verteilt hatten, um ihren Unmut über das Agrargesetz des damaligen Agrarministers Claude Haagen (LSAP) auszudrücken. Ein Stein des Anstoßes war etwa die Deckelung des Viehbestandes. Diese machte es den Betrieben unmöglich, weiter zu wachsen, so die Bauernvertreter. In dem Sektor hat sich bekanntlich längst der Wachstumszwang nach dem Motto „wachs oder stirb“ breitgemacht.
Haagen hatte damals bereits im Vorfeld des Gipfels Änderungen am Agrargesetz angekündigt. Dazu gehörten unter anderem die Deckelung des Viehbestandes auf fünf Arbeitseinheiten und die Bindung der Betriebserweiterung an den Stand der Technik und Emissionswerte. Was nichts anderes bedeutete, dass Betrieben, die „auf dem neuesten Stand der Technik sind und Erfolge bei der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nachweisen können“, eine Erweiterung des Viehbestandes unter gewissen Bedingungen erlaubt bleiben würde. Allerdings mussten das Monitoring und das Festlegen der Grenzwerte noch ausgearbeitet werden. Wie diesmal diskutierten die Vertreter von Regierung und Bauern schon im Januar 2023 länger als geplant – etwa über die Fotovoltaik-Anlagen auf Freiflächen.
Vier Schwerpunkte
Auch dieses Mal wurde beim Agrargipfel, der als „Landwirtschaftsdësch“ von Agrarministerin Martine Hansen institutionalisiert wird und künftig zweimal pro Jahr stattfinden soll, über einige Schwerpunktthemen diskutiert, genauer gesagt vier: das Bauen in den Grünzonen, der Wasserschutz und wieder einmal die Reduktion der Ammoniakemissionen sowie das leidliche Agrargesetz. Und wie 2023 war gestern das Umweltministerium mit am Tisch – in Person des Ressortleiters Serge Wilmes, der die Zusammenarbeit mit den Bauern „ganz wichtig“ fand. Schließlich seien diese nicht nur Partner in der Landwirtschaft, sondern „essenzielle Akteure im Klima- und Umweltschutz“.
Dass Grünzonen zu Wilmes’ Steckenpferden gehören, ist längst bekannt. Und dass die Bauernhöfe sich auf Grünland befinden, noch länger. Nur haben sich die Landwirte nicht nur einmal darüber beschwert, dass die Bedingungen für das Bauen in der Grünzone etwas zu willkürlich und viel zu streng seien. Um Abhilfe zu schaffen, solle in Kürze eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Agrarministeriums und mit Vertretern der Landwirtschaftskammer an Bord ins Leben gerufen werden, kündigte Wilmes an. Bis Sommer soll eine entsprechende großherzogliche Verordnung ausgearbeitet werden. Das gilt für landwirtschaftliche Gebäude ebenso wie für Wohnhäuser. Die Prozeduren sollen auf das Einfachste beschränkt sein. Wilmes sprach von „klaren Bauvorschriften“ und davon, einen „guichet unique“ zu schaffen. Den Landwirten müsste „mehr Perspektive und Planungssicherheit“ gegeben werden. Auch in Sachen Wasserschutzgebiete soll es eine Vereinfachung der Prozeduren geben. Das vorliegende Großherzogliche Reglement von 2023 werde überprüft, erklärte Wilmes.
Dass die Frage, wie es am besten möglich sei, die Ammoniakwerte zu senken, nicht einfach zu lösen ist, weiß Agrarministerin Hansen. Was beim Bauen in der Grünzone die AG ist, soll in diesem Punkt eine „Taskforce“ helfen. Ziel sei es hierbei schließlich, die genannten Werte um 22 Prozent zu reduzieren. Das sei „ambitiös und nicht einfach zu realisieren“, sagte die studierte Agraringenieurin. Die Taskforce unter Beratung durch einen ausländischen Experten soll in zwei Wochen erstmals zusammenkommen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie mittels neuer Technologien und unter dem Anreiz von Prämien die Senkung gelingen kann.
Ein Schwerpunkt war außerdem das Agrargesetz, an dem wieder einige Änderungen vorgenommen werden sollen. Dies gilt auch für den nationalen Strategieplan. Jedenfalls sollen die Akteure des Sektors miteinbezogen werden. Nicht zuletzt soll es künftig weniger Kontrollen in den landwirtschaftlichen Betrieben geben. Auch soll der freiwillige Verzicht auf Glyphosat im Agrargesetz besser gefördert werden. Genannte Änderungen sollen schon in sechs Wochen stehen.
„Verpasste Chance“
Während die meisten Vertreter der Bauern über den „Landwirtschaftsdësch“ zufrieden sein dürften, allerdings nur jene, die in der Landwirtschaftskammer vertreten sind (unter anderem Bauernzentrale, Baueren-Allianz und Fräie Lëtzebuerger Baureverband), waren die Biobauern erst gar nicht eingeladen. Sie sollen wohl extra empfangen werden. Daniela Noesen, Direktorin der Bio Vereenegung, war im Januar 2023 noch mit von der Partie. Auch die Umweltverbände waren nicht vertreten. „Die Bauern werden auch nicht immer von den Umweltorganisationen eingeladen“, sagte die Agrarministerin lapidar. Die Zusammensetzung des Tisches sei von den Sujets abhängig. Als seien die genannten Themen nicht auch Umweltthemen gewesen – schließlich war auch der Umweltminister dabei. Aber dies könne sich bei den künftigen Tischen noch ändern, meinte Hansen.
Übrigens hat Wilmes’ Vorgängerin Joëlle Welfring, agrarpolitische Sprecherin der Grünen, in einer Stellungnahme zum „Landwirtschaftsdësch“ erklärt, dass es eine „verpasste Chance“ sei, dass weder Biolandwirte noch Vertreter der Umweltschutzorganisationen und Forschung eingeladen worden waren: „Um die luxemburgische Lebensmittelproduktion zugleich fair, umweltverträglich und zukunftsorientiert zu gestalten, bedarf es nicht einer Lösungsfindung im geschlossenen Kreis, sondern einer breiten Diskussion ohne Scheuklappen.“
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