Deutschland / Ministerpräsidentenkonferenz berät stundenlang über Migration – trotzdem bleiben offene Fragen
Über viele Stunden berieten Kanzler Olaf Scholz und die Länderchefs, im Zentrum stand die Migration. Die strittige Frage nach Asylverfahren in Drittstaaten bleibt weiter offen. Nun soll weiter geprüft werden.
Bis zum späten Donnerstagabend berieten die Regierungschefs der Länder mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Dass es lange dauern würde, war absehbar. Denn im Zentrum der Bund-Länder-Gespräche standen schwierige Themen.
Besonders die unionsgeführten Länder drängen darauf, Asylverfahren in Länder außerhalb der Europäischen Union zu verlagern. Bei den SPD-geführten Ländern überwiegt stattdessen die Skepsis über solche Lösungen, die mit Großbritanniens Ruanda-Modell und Italiens Albanien-Modell zwar prominente, aber bislang wenig erfolgreiche Vorreiter haben. Das Innenministerium hatte in Expertenanhörungen die Voraussetzungen geprüft. Das Ergebnis: Drittstaaten-Modelle wären rechtlich grundsätzlich möglich, haben jedoch extrem hohe praktische Hürden. Der Migrationsexperte Hans Vorländer hat auch rechtliche Bedenken. Die Genfer Flüchtlingskonvention gelte und menschenrechtliche Standards sollten eingehalten werden. „Das wäre keineswegs garantiert, wenn man ein Asylverfahren und die Schutzgewähr in einen Drittstaat verlegt“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) unserer Redaktion. Auch seien solche Lösungen „extrem teuer“. In Großbritannien würden Summen genannt, dass es etwa 600 Millionen Euro kosten würde, etwa 1.000 Geflüchtete nach Ruanda zu bringen. „Das Geld sollte man besser in Deutschland investieren, um Asyl und Integration besser zu organisieren“, betonte er.
Vorschläge bis Dezember
Bund und Länder schließen Drittstaaten-Modelle dennoch nicht aus. Die Regierung will nun bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Dezember konkrete Modelle vorschlagen. Es sei „fest vereinbart“ worden, dass die Regierung dazu inhaltliche Vorschläge mache, sagte Kanzler Scholz nach den Beratungen.
Die Formulierung im Beschlusspapier ist dennoch vage: „Die Bundesregierung wertet nun die im Nachgang eingereichten Stellungnahmen der Sachverständigen aus und wird hieraus Schlussfolgerungen ziehen.“ Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich am Freitag für die „schnellstmögliche Umsetzung“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aus. „Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein der Migrationspolitik sein. Diese können aber ganz anders als das EU-Asylsystem keinen großen Effekt haben zur Begrenzung von Flüchtlingszahlen – das zeigen die bisherigen Erfahrungen Italiens und Großbritanniens“, sagte Faeser.
Auch die Kommunen in Deutschland gehen nicht davon aus, „dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen wird“, wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, unserer Redaktion sagte. „Wir warnen davor, den Menschen zu suggerieren, solch eine einzelne Maßnahme könne die Flüchtlingssituation nachhaltig verändern“, betonte Berghegger. „Dadurch werden falsche Erwartungen bei den Menschen geweckt“, kritisiert der Migrationsexperte.
Abschiebungen nach Afghanistan
Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim hatte Scholz angekündigt, die 2021 gestoppte Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Das Innenministerium sucht aktuell nach Lösungen, Personen über Nachbarländer abzuschieben, ohne etwa direkt mit den in Afghanistan herrschenden, islamistischen Taliban verhandeln zu müssen. Die Länder begrüßen diese Ankündigung des Kanzlers und bitten die Regierung „um die zügige Schaffung der hierfür notwendigen Voraussetzungen“.
Aus Sicht der Länder haben die im Oktober 2023 wieder eingeführten Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz dazu geführt, „irreguläre Migration zu reduzieren“ und „der Schleusungskriminalität entschieden entgegenzutreten“, heißt es im Beschluss. Der Kanzler und die Regierungschefs seien der Auffassung, dass die EU-Rückführungsrichtlinie bei einer Neufassung so abzufassen ist, dass Zurückweisungen an der Grenze „weiter zweifelsfrei in einer praktikablen Weise erfolgen“ können. Darauf will die Regierung hinwirken.
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