/ „Mir hu keng Cactus-Kaart“: Cool Feet spricht über kaltes Bier, die luxemburgische Identität und Haare
Die goldene Hochzeit. Wer hält es heute noch bis zu diesem runden Jubiläum aus, ohne sich halb tot zu schlagen, wahnsinnig zu werden oder doch zumindest jede Menge graue Haare zu bekommen? Letztere sind zwar halbwegs fair auf die Bandmitglieder von Cool Feet verteilt, sie scheinen sich jedoch nach all der Zeit noch lieb zu haben. Zumindest haben sie es miteinander im Studio ausgehalten, um nach mehr als einem Jahrzehnt eine neue Platte aufzunehmen, die am 3. Mai erscheint.
„Damals konnte man nicht einmal in Ruhe einen trinken gehen“, beschreibt der Gitarrist Guy Heintz die Hochphase der Band Mitte der 90er Jahren, in der Cool Feet ihre größten Erfolge feierten. Nun sitzen drei der sechs Bandmitglieder bei einem kühlen Humpen in einer schicken Kneipe, die sie für sich allein haben, und erinnern sich. „Letztens hat mich dann doch noch jemand am Flughafen um ein Autogramm gebeten. Das hat natürlich trotzdem gutgetan“, gibt Heintz zu.
Mit 120.000 verkauften Alben gehören Cool Feet, deren Gründung auf das Jahr 1968 zurückgeht, zu den erfolgreichsten Bands Luxemburgs. Auch ein knappes halbes Jahrhundert nach der Grundsteinlegung will die gewonnene Popularität nicht abklingen. Auf eine längere Pause folgte das Comeback-Konzert 2018 im hauptstädtischen Melusina, das derart schnell ausverkauft war, dass ein zweites Konzert am Folgetag anberaumt werden musste. Bei den Proben hätte man sich ein bisschen wie eine Coverband gefühlt, die sich selbst nachspielt.
Bevor das aber überhaupt hingehauen habe, hätte man sich erst einmal einig werden müssen, wer denn nun die meisten der nicht allzu komplexen Akkorde vergessen hat. Nach scherzhaftem Geplänkel sei man dann dazu übergegangen, die eigenen Songs wieder zu verinnerlichen. Die Herren im besten Alter scheinen sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Ihr Publikum hingegen schon. „Während oftmals von einem sehr faulen luxemburgischen Publikum die Rede ist, trifft das bei unserem definitiv nicht zu“, betont Rom Bernard, der seit 1980 als Sänger und Gitarrist fungiert.
Weltenbürger
Aber was machte dieses Sechser-Gespann eigentlich so erfolgreich? Etwa das Genre? Handelt es sich überhaupt um Rock „pur et dur“ oder vielleicht doch eher um Pop? Unterhaltungs-, Karnevalsmusik oder gar andere Abgründe? Der Schlagzeuger Märten Versall besteht auf den Begriff Rock, der sich ja schließlich aus dem gewählten Rhythmus ergebe. Heintz glaubt zu erahnen, warum auch andere Musikbezeichnungen im Gespräch sind: „Sobald man über angenehme Dinge auf Luxemburgisch singt, wird man von vielen direkt als ‚Yuppi Tralala‘-Band abgestempelt. Im englischsprachigen Rock wird das Inhaltliche viel weniger beachtet.“
Der Songwriter Rom Bernard schließt sich dem an: „In deren Texten geht man auch mal ‚een huelen‘. Hierzulande heißt es aber gleich, wir hingen die ganze Zeit an der Theke.“ Die Erschaffer des tausendfach verkauften Albums „Bistro“ (1992) nehmen es sportlich, stoßen an und stellen klar, dass sie nicht damit aufhören werden.
Obwohl Cool Feet 1980 beschlossen, vom Englischen zum Luxemburgischen zu wechseln und sich zahlreiche traditionelle Luxemburger Lieder und Themen auf den Alben befinden, sehen sie sich nicht als musikalische Patrioten. „Wir sind nun mal von hier“, so Bernard. Guy Heintz beschreibt sich selbst als Weltenbürger, der sich eben auch in Luxemburg wohlfühle.
Augenscheinlich stimmt das Thema die drei nachdenklich. „Vielleicht ist man ja ein schlechter Luxemburger, wenn man nicht die passende Lederhose hat für ein Oktoberfest im Großherzogtum“, überlegt Bernard und fügt hinzu, „oder wenn man noch nie an einer ‚Päischtcroisière‘ teilgenommen hat.“ Und dann das total unerwartete Outing aller drei Bandmitglieder: „Außerdem haben wir keine ,Cactus-Kaart‘.“
Géi näischt sichen, wou …
Etwas ernster gestimmt fahren sie fort und verweisen darauf, dass in der Folge des Lieds „Roude Léiw, huel se“ (1990), das bis heute im „Stade Josy Barthel“ bei Spielen der Nationalmannschaft aufgelegt wird, manche Menschen bei Live-Auftritten aufgetaucht seien, die dachten, dass es an der Zeit sei, den rechten Arm zu heben. „Sie wollten das Lied für sich vereinnahmen. Das ließen wir allerdings nicht zu und konterten mit dem Song ‚Näischt verstan‘.“ Darin heißt es unter anderem „Ni méi brong Summerfaarwen“. Die Band bedauert, dass genau dieser Song nie von einem Radiosender gespielt wurde.
Auf die Sprache zurückkommend, kommuniziert Guy Heintz augenzwinkernd seinen Unmut über das Verenglischen vieler luxemburgischer Wörter: „Da wird aus der ,Fréijorsfoire‘ plötzlich die ,Springbreak‘. Dann könnte man die zuvor erwähnte Kreuzschifffahrt vielleicht auch in ,Kotzing in the Middle Sea‘ umtaufen.“
Bernard hat ebenso seine Probleme mit der Weltsprache – also zumindest im musikalischen Sinne: „Ich will niemandem zu nahe treten, aber ich kann es absolut nicht ausstehen, wenn luxemburgische Bands in schlechtem Englisch singen. Bei uns wäre das jedoch definitiv der Fall.“ Die Entscheidung, Texte in der Muttersprache zu schreiben, sei also eine rein pragmatische gewesen (und war wohl auch ein Stück weit als Schutz für die Zuhörerschaft gedacht).
Bella Stau
„Um Gottes Willen nein!“, folgt als prompte Antwort auf die Frage hin, ob man sich je als politische Band gesehen habe. „Menschen, die politische Texte verfassen, finden sich zusammen, weil sie politisch und ideologisch zusammenpassen. Bei uns würde das nicht funktionieren. Dafür sind wir zu gegensätzlich“, erklärt Heintz. Natürlich käme es mal vor, dass man sich gemeinsam über etwas aufrege. Beispielsweise den Stau in Luxemburg. So sei der Song „Bella Stau“ (2018) entstanden.
Dass Texte heutzutage eventuell etwas strenger auseinandergepflückt werden, wird von den Cool-Feet-Mitgliedern nicht direkt beanstandet, dies solle dann allerdings bitte auch für Texte aus dem Ausland gelten, fordert Bernard. Er macht auf Folgendes aufmerksam: „Wir haben ja auch den Song ‚Meedercher‘ (1995), in dem man mit dem Mädchen aus Clausen gut mausen kann. Ist das denn nun heutzutage frauenfeindlich?“
Nachdem die Frage an die Herren der Schöpfung zurückgegeben wird, erwidert der Sänger, dass es durchaus Kritiker und Kritikerinnen geben könnte, die ihnen aus heutiger Perspektive vorwerfen, dass sie sich als Platzhirsche darstellen. Dem sei aber nicht so. Man solle es als das nehmen, was es sei, „nämlich Spaß“. Beim „Meedche vu Viichten“ ließe man stets folgen, dass es gut „diichte“ könne. „Der ganze Saal singt trotzdem immer was anderes. Und wir können eins bestätigen: Die Frauen singen am lautesten.“
Comeback-Konzert und ein improvisierter Chor
„Tanzen, Schwitzen, Genießen.“ Dafür wolle man einstehen und den Konzertbesuchern einen Moment gewähren, in dem sie abschalten können. Genau darin bestünde die Verantwortung, die sie gegenüber dem Publikum hätten. Mit einem Programm, das bis zu 30 Nummern umfasse, versuche man, etwas Besonderes zu erschaffen.
Dass Cool Feet trotz ihres Erfolgs nicht von jedem und jeder abgöttisch verehrt werden, wissen sie. Rom Bernard wurde einmal, als er im Flugzeug zu einem Kind hinter sich meinte, es solle bitte aufhören, ihm ständig in den Rücken zu treten, von dessen Vater angeschnauzt, er beschwere sich schließlich auch nicht, wenn er Bernard im Radio hören müsse. „Ich hätte am liebsten geantwortet, er könne im Gegensatz zu mir aber wegschalten. Das war mir in Bezug auf sein Kind leider nicht möglich.“ Zumindest würden negative Kommentare aber bedeuten, dass die Leute die Musik von Cool Feet kennen, das sei doch schon mal was.
Definitiv gekannt haben die Musik jene Fans, die im vergangenen Jahr beim Comeback-Konzert waren. „Das war ein absolut magischer Moment“, schwärmt Guy Heintz. Bei einem Song habe das Publikum so laut mitgesungen, dass man weder Instrumente noch Gesang gehört habe. Damals hörten sie auf, zu spielen, und lauschten dem improvisierten Chor. „Da standen einem vor Gänsehaut die Haare zu Berge“, so Versall. „Die auf den Armen wohlverstanden“, fügt der glatzköpfige Schlagzeuger mit einem breiten Grinsen abschließend hinzu.
Lieben und Loslassen
Cool-Feet-Aufnahmen gab es zuvor in Form von Kassetten, Vinyl, und zwei Songs wurden sogar als essbare Schoko-Platte gepresst. Es folgten CDs, irgendwann iTunes-Chartplatzierungen und eine Facebook-Seite, die Plakate für Events obsolet machte. Rom Bernard erzählt von der Evolution der Aufnahme-Studios, durch die der Tontechniker, wenn Bernard mal schief sang, nicht mehr verpflichtet war, mit einer Rasierklinge die betreffende Stelle aus dem Tonband auszuschneiden und zu ersetzen. Cool Feet haben das halbe Jahrhundert relativ gut überstanden, weil sie mitgezogen sind und auch, da es Fans gibt, die sie wohl bis zum letzten Atemzug begleiten werden. Einer davon ist Luc Hardt, den man mit Fug und Recht als treuen Hardcore-Fan, Helfer und begnadeten Sammler bezeichnen darf. Es finden sich aber auch Fans, die heute nicht mehr unbedingt in der ersten Reihe stehen müssen oder Cool Feet ganz abgeschworen haben.
Luc Hardt
Er ist 59 Jahre alt. Beim ersten Cool-Feet-Konzert Anfang der 90er war es Liebe auf den ersten Ohrenblick. Seitdem gehört er förmlich zum Pflicht-Inventar der Band. Seine Frau, seine Schwägerin und sein Schwager sind ebenfalls (fast) immer von der Partie.
„Ihre Art, Stimmung zu verbreiten, hat mich immer fasziniert, genauso wie die Menschlichkeit der Band. Dass sie auf Luxemburgisch sangen, spielte auch eine wichtige Rolle. Mir gefällt bis heute ganz besonders ‚Hey du‘ (1993), aber natürlich auch ‚Jangeli‘ (1992) oder ‚Roude Léiw, huel se‘ (1992). Die Band hat sich über all die Jahre nicht wirklich verändert, sie sind noch immer erwachsene Männer, die manchmal zu Kindern werden. Denn sie haben stets Schabernack im Hinterkopf. Alle Konzerte waren ein Erlebnis, ich erinnere mich jedoch auch gerne an den gemeinsamen Status-Quo-Konzertbesuch in Brüssel zurück. Niemals vergessen werde ich den Auftritt ‚meiner Jungs‘ – wie ich sie ab und an nenne – als Vorband von Tina Turner. Sie sind einfach super!“
Ketty*
Sie hörte Cool Feet zum ersten Mal im Alter von vier Jahren. Nun ist sie 31.
„Sie waren in meinem Leben immer irgendwie da, das ‚Bistro‘-Album 1992) lief bei uns hoch und runter. Es ist heute noch Bestandteil meiner CD-Sammlung (meine Vater hat sie glücklicherweise noch immer nicht vermisst gemeldet). Sie waren typisch Luxemburgisch, da gab es keine Diskussion. ‚Ketty, huel de Fändel raus‘ hörte ich damals permanent oder auch ‚Drénk e Patt op mech’“, weil ich den rockigen Sound als Kind sehr cool fand. Vor allem gefiel mir, dass ich die Texte auch verstand. Es war vom Tonfall her so, wie unsere Väter oder Erwachsene im Allgemeinen klangen und aussahen.
Und trotzdem hatte das Ganze irgendwie etwas Neues, was ich bis dahin nicht gekannt hatte. Demnach war es wahrscheinlich die Mischung aus Bekanntem und Neuem. Vor allem war es für luxemburgische Verhältnisse schon verdammt rockig. Außerdem wird bei Cool Feet die Sprachbarriere vollends aufgehoben.“
Jangli*
Er ist mittlerweile ebenfalls 31 Jahre alt. Das erwähnte Konzert fand statt, als er acht war.
„Als Kind fand ich Cool Feet unheimlich cool. Vermutlich lag das auch am Namen, denn eine Band, die ‚cool‘ im Namen hat, muss ja cool sein, oder? Mein erstes Konzert war folgerichtig auch eins von Cool Feet. Ich war damals im Grundschulalter, das Konzert fand an einem Nachmittag in der Ettelbrücker Däichhal statt. Ich holte mir auch ein Autogramm ab – dass die Bandmitglieder diese Prozedur aber eher uninteressiert über sich ergehen ließen, dämpfte mein Fantum dann doch. Heute, nachdem ich Musikgeschmack und eine kritische Distanz zu Nation und Patriotismus entwickelt habe, wundere ich mich, was ich als Kind so cool fand.“
Die befragten Personen existieren wirklich. Auf ihren Wunsch hin wurden die Namen jedoch (passend zu bestimmten Liedern der Band) von der Redaktion geändert. Sie möchten aus professionellen Gründen oder aus Furcht, eventuell verprügelt zu werden, anonym bleiben.
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