Forum / „Mit allem Respekt …“: Stellungnahme der Klägerin zum gekippten Verbot der Escher Einliegerwohnungen
Das Verwaltungsgericht kippte vor wenigen Tagen das Escher Verbot von Einliegerwohnungen. Rund 4.000 Einfamilienhäuser waren damit belegt. Mit ihrer Entscheidung handelten sich CSV, DP und „déi gréng“ unter CSV-Bürgermeister Georges Mischo Anfang 2021 viel Gegenwind ein. Von der Opposition. Aber auch aus der Gesellschaft. Zudem gab es juristische Verfahren. Simone Turmes’ Klage hat dieses Verbot nun gekippt. Im Folgenden ein Standpunkt von Klägerin Turmes.
Am 26. Juli 2024 kippte das Verwaltungsgericht das Verbot der Stadt Esch aus dem Jahr 2021, laut dem es nicht erlaubt war, in den 4.000 grün markierten Einfamilienhäusern des Bebauungsplans eine Einliegerwohnung („logement supplémentaire intégré“) einzurichten. Wie zu erwarten war, blieben die Reaktionen der Escher Politiker nicht aus. Die Kommentare häufen sich und werfen alte Gräben erneut auf.
Bei der Diskussion aus dem Jahr 2019, wer wo wie wohnen darf, hatten sich zwei Lager gebildet. Der jetzige Bürgermeister Christian Weis, vormals Schöffe unter Bürgermeister Georges Mischo, hatte zusammen mit den Vertretern der CSV, DP und „déi gréng“ gegen die Stimmen der Opposition (LSAP, „déi Lénk“ und ein Unabhängiger) den Eigentümern das Recht abgesprochen, in ihren Einfamilienhäusern eine kleinere, untergeordnete Einliegerwohnung abzutrennen.
Einliegerwohnungen sind praktische Einrichtungen für Familienmitglieder, Studenten, Betreuer, junge Paare, Angestellte und andere Wohnungssuchende. Sie erfüllen das Bedürfnis einer Privatsphäre unter dem gleichen Dach der Hauptwohnung. Einliegerwohnungen können nicht getrennt verkauft, wohl aber vermietet werden. Sie haben keine eigene Katasternummer und werden vom Gesetz nicht als separate Wohneinheit betrachtet.
Staatliche Subventionen
Bei Einrichtung einer Einliegerwohnung stellt der Staat seit 2023 Prämien von 10.000 bis 20.000 Euro zur Verfügung. Die Subventionierung hat das Ziel, Wohnungen in schon bestehender Bausubstanz klimaneutral zu schaffen und die Wohnungskrise zu entschärfen.
Wie kam es dazu, dass die Universitätsstadt Esch, in Zeiten von Wohnungsnot, Einliegerwohnungen kurzerhand verboten hat? Wie erklärt es sich, dass eine sozial starke, preiswerte und schnelle Maßnahme zur Stärkung des Eigentums und Förderung des Angebots erschwinglichen Wohnraums von dem Gemeinderat mehrheitlich vernichtet wurde?
Rückständige Ideologie
Wie Gemeinderat Marc Baum von „déi Lénk“ zu Recht in Erinnerung ruft, ging es bei der Auswahl und der Definition der Einfamilienhäuser zuallererst um Ideologie. Die 4.000 handverlesenen Einfamilienhäuser waren als Lebensraum für 4.000 „communautés domestiques“ geplant. In jedem dieser 4.000 Häuser war eine einzige „communauté domestique“ angesiedelt. In den Genuss des Wohnrechts kamen:
„Une personne seule ou un ensemble de personnes unies par un lien de parenté ou d’alliance, comprenant la famille nucléaire et la famille élargie avec ascendants, descendants, cousins, cousines, oncles, tantes, ainsi que des partenaires avec lien affectif, et qui vivent dans le cadre d’un foyer commun, dont il faut admettre qu’elles disposent d’un budget commun.“
Alle anderen Lebensgemeinschaften standen draußen vor der Tür. Ihnen blieb das Wohnrecht verwehrt. Die Escher Bevölkerung lief Sturm gegen die rückständige politische Einmischung in das Privatleben und forderte eine Anpassung an die neuen Begebenheiten des modernen Zusammenlebens (colocation, cot, chambre d’étudiant, chambre d’hôte). In allerletzter Minute ließ der Schöffenrat das Unding der „communauté domestique“ fallen, hielt aber störrisch an dem Verbot der Einliegerwohnungen fest.
Erklärung von Bürgermeister Weis
Bürgermeister Weis sagte dem Tageblatt, in seinen Augen habe das Verbot der Einliegerwohnungen einen weiteren Preisanstieg bei den besagten 4.000 Wohnungen verhindern sollen. Dieser Vorwand ist neu. Mit allem Respekt für die soziale Ader des Herrn Weis, der Bebauungsplan ist das falsche Instrument zur Steuerung der Immobilienpreise und führt in diesem Fall zur Entmündigung von 4.000 Eigentümern und zur Zerstörung potenzieller Wohnungen in vorhandener Bausubstanz.
Der damalige Schöffenrat wurde schon sehr früh auf die Ungesetzmäßigkeit des geplanten Verbots aufmerksam gemachtKlägerin
In den Unterlagen der Gemeinde Esch steht genau vermerkt, wie und weshalb es zu dem Missgriff in der Sitzung des Gemeinderats vom 5. Februar 2021 gekommen ist. Diese Dokumente widerlegen den Vorwand des Herrn Weis.
Der damalige Schöffenrat wurde schon sehr früh auf die Ungesetzmäßigkeit des geplanten Verbots aufmerksam gemacht. Zahlreiche betroffene Eigentümer, Studenten, Politiker und Wohnungssuchende warnten schriftlich und mündlich. Es kam sogar zu Demonstrationen vor der Gemeinde.
Kritisches Gutachten der „Cellule d’évaluation“
Die „Cellule d’évaluation“ des Innenministeriums schrieb am 7. Oktober 2019 an den Escher Schöffenrat:
„… Qui plus est, la cellule s’interroge quant aux raisons qui ont pu motiver les autorités communales d’interdire tout logement intégré pour les PAP QE des zones d’habitation et des zones mixtes au niveau de l’article 31.1. En effet, aucun argument urbanistique valable ne peut être invoqué pour interdire l’aménagement d’un logement intégré dans le cadre de la construction d’une maison unifamiliale ou de la réaffectation de celle-ci. Il est même fort douteux que cette mesure soit conforme à l’objectif (a) de l’article 2 de la Loi, qui préconise une utilisation rationnelle du sol et de l’espace et risque donc de ne pas être conforme au RGD PAP QE et à son annexe II définissant le logement intégré. …“
Teilbericht an den Gemeinderat
Über die Bemerkung der „Cellule d’évaluation“, das Verbot laufe Gefahr, nicht mit dem gesetzlich verankerten Begriff des „Logement intégré“ übereinzustimmen, hat der Schöffenrat in seinem schriftlichen Bericht an den Gemeinderat kein Wort verloren. Diesem wurde lediglich mitgeteilt, die „cellule d’évaluation s’interroge quant aux raisons d’interdire tout logement intégré pour les PAP QE des zones d’habitation et des zones mixtes“.
Visionen des Herrn Architekt-Direktor
Zu dem Thema der Einliegerwohnungen hat der Herr Architekt-Direktor der Stadt Esch dem Gemeinderat vor der Abstimmung in der öffentlichen Sitzung vom 5. Februar 2021 folgende Erklärung zu den 4.000 grünen Einfamilienhäusern abgegeben:
„Et ass eben hei just drop verwisen, dass déi maisons unifamiliales, déi an der Partie graphique gring sinn, do ass de logement intégré NET méiglech. Och hei weisen ech drop hin, je nodeem wat Der decidéiert, vu dass Der och d’Diskussioun iwwert d’densité logement hat, mee am Sënn vum Wuesstum vun der Populatioun, wann Dir lo an all maison unifamiliale gingt e logement intégré zouloossen, sinn dat iwwert 4.000 Wunnengen zousätzlech, an dat, wéi iwwert d’densité logement an d’schémas directeurs gerechent gëtt, ging dann de facto an de Berechnungen heeschen, ronn 10.000 Leit méi doduerch, dass de logement intégré méiglech ass an der maison unifamiliale. Ech wollt dorobber hiweisen, et ass natierlech Är Decisioun, mee dat sinn amfong geholl d’Konsequenzen, déi do hannendrun ze droe sinn.“
Falsche Berechnung und ihre Folgen
Die „schémas directeurs“ der neuen Viertel gehen von einer Einwohnerzahl von 2,5 Einwohnern pro Wohneinheit aus. Der Herr Architekt-Direktor multipliziert 4.000 Einliegerwohnungen mit der angenommenen Durchschnittsbelegung von 2,5 Einwohnern und kommt somit auf das Resultat von 10.000 Neueinwohnern in Esch.
Er verschweigt, dass die Einliegerwohnungen in der Berechnung der Bevölkerungsdichte nicht berücksichtigt werden. Ein Einfamilienhaus mit einer Einliegerwohnung zählt lediglich als eine einzige Wohneinheit. Die Einliegerwohnung zählt nicht zusätzlich. Der Einliegerwohnung darf somit kein Zuwachs der Bevölkerungsdichte angerechnet werden.
Wie der LSAP-Gemeinderat Steve Faltz treffend bemerkt, nutzt in der Praxis nur ein Bruchteil der Hausbesitzer die Möglichkeit einer Einliegerwohnung. Das Horrorszenario des Herrn Architekt-Direktor hat weder eine gesetzliche noch eine erfahrungsmäßige Grundlage. In keiner einzigen Gemeinde des Landes besteht ein solches Verbot und trotzdem kam es bis dato nirgends zu einem apokalyptischen Bevölkerungszuwachs.
Panik
Die Mehrheit des Gemeinderats ist vor dieser Panikmache eingeknickt. Sie ist der schwindelerregenden Falschberechnung des Herrn Architekt-Direktor auf den Leim gegangen. Sie hat an das Gespenst eines „dédoublement de la densité de logement pour les quariers concernés“ mit dem „risque de conduire à des problèmes, puisqu’ils ne sont pas adaptés au niveau des infrastructures“ geglaubt und aus eben diesem Grund dem Verbot der Einliegerwohnungen zugestimmt.
Die Beschneidung der 4.000 Einfamilienhäuser hat mit der Erklärung des Herrn Weis im Tageblatt über die Wohnungsteuerung nachweislich überhaupt nichts zu tun. Die gesamte Aufzeichnung der Gemeinderatssitzung vom 5. Februar 2021 mit der Vorstellung des Herrn Architekt-Direktor, dem Zuspruch der politischen Mehrheit und den Gegenargumenten der Opposition ist heute noch auf esch.tv – conseil communal vorrätig. In Ton und Bild sieht es jedenfalls nicht so aus, als habe sich Herr Bürgermeister Weis mit dem Verbot der Einliegerwohnungen besonders schwergetan.
Doppelzüngigkeit des Innenministeriums
Dann wäre da noch die Sache mit dem Innenministerium, über dessen Doppelzüngigkeit man nicht hinwegsehen kann. Schauen Sie bitte genau hin, wie die Escher Gemeinde die nationale Gesetzgebung abändert und missachtet, schrieb ein renommierter Fachanwalt an das Ministerium und warnte vor dem schwerwiegenden und eindeutigen Rechtsbruch durch das geplante Verbot.
Die schnelle Antwort aus Luxemburg hatte für das anwaltliche Anliegen volles Verständnis. Zum einen versicherte die Innenministerin schriftlich, sie würde der Beschwerde Rechnung tragen. Zum andern wies die „Cellule d’évaluation“ ihres Ministeriums, der zeitgleich das provisorische Escher Machwerk zur Begutachtung vorlag, auf die Illegalität des Verbots hin.
Dann aber trat genau das Gegenteil dessen ein, was die Ministerin in Aussicht gestellt hatte. Sie bestätigte ohne Wenn und Aber am 29. Oktober 2021 das Verbot der Einliegerwohnungen.
Warum hat die Ministerin sich über das Gutachten ihrer hauseigenen „Cellule d’évaluation“ hinweggesetzt? Weshalb wollte sie sich nicht mehr an die schriftliche Zusicherung erinnern? Auf diese Fragen gibt es keine Antwort und wird es wohl keine geben!
Fazit
Nach einem politischen Streit über die Zeitdauer von mehr als fünf Jahren, Gerichtsverhandlungen und Urteil einbegriffen, nach psychischer und finanzieller Belastung, Zuspruch und überparteilicher Unterstützung gegen den Verwaltungsapparat, ist die Aufhebung des Verbots für mich eine Erleichterung, das Recht gewahrt zu wissen.
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