Editorial / Mit Feuer jonglieren: Wir befinden uns in fünf Krisen
Die Welt scheint vor unseren Augen zusammenzubrechen. Ungefähr 470 Millionen Menschen sind laut ECDC weltweit bis jetzt an Covid-19 erkrankt. 3,6 Millionen Menschen sind laut UNO bis jetzt aus der Ukraine geflohen. Der Dieselpreis ist in Luxemburg seit Anfang des Jahres um 50 Cent gestiegen – die Wohnungspreise im Jahr 2021 um 13,9 Prozent. Das 1,5-Grad-Klimaziel könnte laut IPCC-Bericht schon in den frühen 2030er-Jahren verfehlt werden. Wir befinden uns mitten in einer Corona-, Ukraine-, Energie-, Wohnungs- und Klimakrise.
Und mittendrin balanciert die Regierung auf einem Seil … in 20 Meter Höhe … auf einem Einrad … ohne Sicherheitsnetz … und jongliert mit brennenden Messern. So muss es sich jedenfalls für die Mehrheitspolitiker anfühlen, die verzweifelt versuchen, den ununterbrochenen Fluss an Problemen zu stoppen. Letztendlich können unsere – im internationalen Kontext unbedeutenden – Politiker nichts für die meisten Krisen. Das Coronavirus ist immerhin nicht in einem Luxemburger Labor entstanden und Bettel hat auch nicht zum Angriff auf die Ukraine aufgerufen. Die daraus entstandene Energiekrise lässt sich auch nur schwer dem Großherzogtum in die winzigen Schuhe schieben.
Wie sieht es also mit den beiden anderen Krisen aus? Luxemburg gehört definitiv nicht zu den Musterschülern im Kampf gegen den Klimawandel. Ein Blick auf den nationalen „Overshoot Day“ dürfte dies bestätigen. Ein Blick auf die angekündigten Maßnahmen der Tripartite auch: Der Sprit soll provisorisch um 7,5 Cent billiger werden und das für alle – also auch für den Fahrer vom süffigen SUV, dem die höheren Spritpreise kaum Kummer bereiten dürften. Konsequente Umweltpolitik sieht anders aus. Trotzdem: Luxemburg erzeugt laut Europaparlament nur 0,34 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU und die Klimakrise ist nun mal ein globales Problem.
Bei der Wohnungskrise ist allerdings klar: Die Regierung hat versagt. Das Problem kündigt sich seit Jahrzehnten an und die Entscheidungsträger schauen zu, wie der Wohnungsmarkt in Slow-Motion an die Wand fährt. Die Luxemburger Wohnungspolitik glänzt nämlich mit halbherzigen Maßnahmen, die den Reichsten nicht auf den Schlips treten sollen: hier ein paar Sozialwohnungen, da eine kleine Hilfsmaßnahme. Teurer als in Luxemburg sind Wohnungen, laut Berechnungen einer rezenten Studie von Compare the Market, relativ zum Einkommen, nur in Südkorea und in Israel.
Im Umgang mit den unverschuldeten Krisen schneidet die Regierung hingegen besser ab. Denn die Loblieder, die Politiker und Sozialpartner auf das Konzept der Tripartite anstimmen, scheinen, trotz Kritik, zu passen. Die Luxemburger Regierung konnte – falls alle Teilnehmer am Donnerstag zustimmen sollten – relativ schnell und effektiv Lösungen finden, um die Folgen von mehreren Krisen abzufedern. Ob dieser potenzielle Erfolg ausreicht, um die andere politische Baustelle vergessen zu machen, sei dahingestellt. „Der Sozialdialog lebt“, heißt es nämlich nun aus den Regierungsreihen, allgemeines Schulterklopfen macht die Runden. Schön – hilft der versäumten Wohnungspolitik allerdings kein Stück.
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Hat aber noch vergessen die zehn oder 20 Millionen die an Hunger leiden oder sind das Mehr
In Slow-Motion? Mir kommt es wie in Windeseile vor