Coronavirus / Mit Gemeindemitarbeitern auf Einkaufstour in Reckingen
Seit Mittwoch letzter Woche gibt es in der rund 2.500 Einwohner zählenden Gemeinde Reckingen einen Dienst der besonderen Art. Mitarbeiter des „Service technique“ erledigen Einkäufe für Menschen, die zur Risikogruppe gehören und deshalb während der Pandemie Hilfe benötigen.
Familie Schoder, die in einer Ortschaft der Gemeinde lebt, gehört zu jenen Haushalten, an die sich dieses Angebot richtet. Reckingen ist ländlich geprägt und besteht neben dem Hauptort aus fünf Dörfern. Josée Schoder (64) pflegt ihren an Krebs erkrankten Ehemann Andre zu Hause. Sein Immunsystem ist schwach, er zählt zum Kreis derer, die in die Risikogruppe gehören. Als der rote Gemeindewagen vorgefahren ist und die Einkäufe in sicherem Abstand vor der Haustür abgestellt sind, öffnet sie sie einen Spalt breit und bleibt dahinter stehen.
Nicht nur ihr Ehemann ist gefährdet, sondern auch ihr 34-jähriger Sohn, Epileptiker sowie geistig und körperlich behindert. „Ich habe ihn aus dem Foyer abgeholt, wo er normalerweise ist“, sagt die Mutter. „Wenn er eine Lungenentzündung bekommen würde, wäre das katastrophal.“ Es ist gut, dass es diesen Service gibt. So bleibt die Versorgung der drei gewährleistet.
Das denkt auch Gast Sinnen (72) aus demselben Ortsteil. Der Bauer hat letztes Jahr aufgehört, zu arbeiten. „70 Stück Schlachtvieh hatte ich, jetzt ist keines mehr da“, sagt er, der zeit seines Lebens auf 10 Hektar zusätzlich Ackerbau betrieben hat. Auch er sei froh, dass es den Service gibt, sagt er aus sicherer Entfernung neben der Kabine seines großen Traktors. „Sie haben gesagt, die älteren Mitbürger sollen aufpassen.“ Er hat das erste Mal bei der Gemeinde angerufen und seine Einkaufsliste durchgegeben. Bis Montag waren seine Gefriertruhen noch gut gefüllt für den Singlehaushalt. Kinder, die ihn versorgen könnten, hat Sinnen keine.
Gespenstisches Bild im Land
„Ein Gutes hat das Ganze: Die Menschen rücken zusammen, lernen Dinge wieder schätzen und hören auf, nur noch ihre eigene egoistische Suppe zu kochen“, sagt Christopher Rehlinger (29), Elektriker beim „Service technique“ der Gemeinde. An Tagen wie diesen würde er normalerweise Glühbirnen austauschen, Reparaturen und Wartungsarbeiten in seinem Bereich in den kommunalen Gebäuden durchführen. Zusammen mit Adrian Schummer (38), der sich um die gemeindeeigenen Grünanlagen kümmert, sind sie nun zu zweit für den Notdienst eines 13-köpfigen „Service“ tätig. Zwei weitere Kollegen halten ebenfalls Stellung. Der Rest ist im Homeoffice und im „Standby“ genau wie die Mitarbeiter des Rathauses. Jetzt läuft ihr Arbeitsalltag völlig anders.
Gegen halb 12 werden sie täglich informiert, ob und wie viele Kunden es gibt. Danach erhalten sie im Rathaus die Einkaufszettel und fahren los. Die Gemeinde legt die Ausgaben im Geschäft vor und rechnet anschließend mit den Einwohnern ab. „So müssen wir kein Geld von den Betroffenen annehmen“, sagt Rehlinger über die neue „simplification administrative“. „Das hilft allen Beteiligten.“
Es ist ein gespenstisches Bild. Kaum Verkehr auf den Straßen, hauptsächlich LKW reisen mit Gütern auf den Autobahnen hin und her. Geschäfte sind geschlossen. Dörfer wie Reckingen, in denen schon „zu Normalzeiten“ wenig Menschen tagsüber an einem Arbeitstag unterwegs sind, wirken wie ausgestorben.
Vor dem Cactus in Bascharage sind die Sicherheitsvorschriften in Kraft.
Menschen stehen mit Einkaufswagen vor sich in einer langen Schlange vor dem Eingang, nur einer nach dem anderen darf hinein. Manche tragen Mundschutz, andere nicht. Vor den Kassen markiert eine orange-rote Linie den Abstand zum Kunden davor. Zur Kasse darf der Wartende nur, wenn der Kunde davor bezahlt und weggegangen ist. Das sind Bilder, wie man sie aus Asien kennt, was bis vor Kurzem noch weit, sehr weit weg schien.
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