/ Mit Hochdruck beim Wetter: 70.000 folgen dem jungen Macher von Météo Boulaide
Wenn Philippe Ernzer (20) über das Wetter redet, tut er das mit Expertise und Leidenschaft. Und mit jeder Menge Erfahrung. Der Bauschleidener beschäftigt sich damit, seit er zehn Jahre alt ist.
Seine Freizeit verbringt Philippe Ernzer vor dem Schreibtisch. Auf den vier nebeneinander stehenden Bildschirmen laufen in Echtzeit Wetterdaten zusammen. Die „Schaltzentrale“ nimmt so viel Platz in seinem Jugendzimmer zu Hause bei seinen Eltern im 650-Seelendorf Bauschleiden ein, dass nur noch ein schmaler Schrank und ein Bett hineinpassen. Die Daten kommen von seinen eigenen zwei Messstationen, sie stehen auf dem Dach und im Garten seiner Oma. Internationale Wetterkarten ergänzen das Bild, oder auch nicht. Ernzer hat im Laufe der Jahre die Fähigkeit entwickelt, meteorologische Karten und Daten zu beurteilen und die Statistik zu relativieren. Das macht er so gut, dass er nicht nur bekannt ist wegen seiner Vorhersagen. Er verdient Geld damit, obwohl er noch die Schulbank im Lycée du Nord drückt.
Lang gleichbleibende Wetterlagen machen ihn kribbelig. Ernzer braucht den „Adrenalinkick“, wenn die Lage umschlägt. Wenn seine Prognosen sehnlichst erwartet werden oder er dem Phänomen selbst auf den Grund gehen will. „Die Kraft, die die Natur entwickeln kann, ist beeindruckend“, sagt er, „dagegen kommt der Mensch nicht an.“
Vor drei Wochen war es so. Ein Tornado tobt über dem Ort Roetgen in der Eifel und beschädigt rund 30 Häuser teilweise schwer. „Tornadoartig“ bezeichnet damals der Deutsche Pressedienst (dpa) den Sturm. Auf der international geltenden Fujita-Skala für Tornados wird er der Stufe drei mit Windgeschwindigkeiten von 254-332 Stundenkilometern zugeordnet. „Stürme wie diese werden in Europa gerne verharmlost“, sagt Ernzer, „alle denken, das gibt es nur in Amerika.“ Die Tornadoliste Deutschland weist für Luxemburg zwischen 2013 und 2019 sechs Tornados aus – statistisch gesehen einen pro Jahr. „Es waren hundertprozentig mehr“, sagt Ernzer, „sie passieren oft an Stellen, wo sie niemand sieht.“ Dort wohnt niemand.
Etwas Ähnliches ereignet sich auch am 6. Juli 2014: Gegen 19.00 Uhr fegt ein schweres Unwetter mit Spitzengeschwindigkeiten von 130 Kilometern pro Stunde über Luxemburg hinweg. Die „Foire agricole“ muss damals abgebrochen werden, die Polizei meldet fünf Verletzte. Ernzer warnt per Facebook schon morgens um 10.00 Uhr. Der staatliche Wetterdienst Meteolux greift das Thema erst auf, als der Sturm schon da ist. Dieser Tag bringt Ernzers Durchbruch. 2.000 folgen ihm vor dem Ereignis auf Facebook. Inzwischen hat er auf dem gleichen Kanal und seiner Fanpage knapp 70.000 Follower, ist Wetter-Freelancer bei einem Radio und hat Kunden, die auf seiner Seite werben.
Es ist eine Beziehung auf Gegenseitigkeit. Das Wetter bestimmt seinen Tagesrhythmus. Morgens um 6.00 Uhr postet er das erste Mal vor der Schule, abends zwischen 18.00 und 20.00 Uhr folgt der letzte Post. „Meine Fans warten darauf und ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich es nicht mache.“ Sein Anspruch: nahe bei den Leuten sein. Sie können mit ihm interagieren. „Es gibt viele, die sagen, ich mache das besser als andere“, sagt er.
Mit dem, was er macht, hat Ernzer eine Lücke erkannt. Mehrmals täglich aktualisierte Wetterberichte gibt es erst, seit er sie macht. Der staatliche Wetterdienst Meteolux gibt lediglich zwei Mal am Tag eine Vorhersage ab. Von April bis August hat Ernzer Hochsaison, was Gewitter angeht. „Das ist die interessanteste Zeit im Jahr für mich“, sagt er. Er beschäftigt sich aber nicht nur mit dem Wetter in Luxemburg. Mit seinen Beobachtungen landet er schnell beim Klimawandel. „Die Temperaturen gehen weltweit in die Höhe“, sagt er, „und ich messe erst seit zehn Jahren.“ Denen, die das ignorieren oder gar nach wie vor leugnen, hält er entgegen: „Das ist nicht mehr umkehrbar und wird in den nächsten Jahren viele Probleme bringen.“
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