Ramstein / „Mit Kriegsgeschwindigkeit“: Internationale Konferenz will Ukraine verteidigungsfähig machen
Auf Einladung des US-Verteidigungsministeriums sind im deutschen Ramstein Vertreter von 40 Nationen zusammengekommen, um zu vereinbaren, wie man der Ukraine helfen kann, die russische Invasion abzuwehren. Nicht nur der Vertreter Luxemburgs erklärte dabei, sich von den wüsten Drohungen aus Russland nicht einschüchtern zu lassen.
Den Ort, an den der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin für Dienstag geladen hat, damit internationale politische und militärische Vertreter über die Situation in der Ukraine diskutieren und wie es jetzt weitergehen sollte, kann man ohnehin schon als recht symbolträchtig bezeichnen: Die Air Force Base Ramstein ist der größte Stützpunkt der USA in Europa und eben eines jener Forts, die die USA in Deutschland errichtet haben, nachdem sie mit ihren Alliierten dessen mörderischen Faschismus bezwungen hatten – und einen Krieg beendet, den das zur Diktatur mutierte Deutschland begonnen hatte.
Die Presse versammelt sich allerdings zunächst an einem Ort außerhalb der Basis, der noch mit einer weiteren Symbolik aufgeladen ist: Aus Sicherheitsgründen gelangt die Presse nur mit Shuttle-Bussen des US-Militärs auf das Gelände – und Treffpunkt dafür ist ein Parkplatz neben einem Denkmal, das errichtet wurde in Erinnerung an das Unglück von 1988. Drei italienische Jagdflieger waren am 28. August bei einer Flugshow in der Luft kollidiert und brennend ins Publikum gestürzt. Dutzende Menschen wurden getötet und rund 1.000 weitere schwer verletzt.
Seither kann der Name Ramstein also dafür stehen, dass militärische Standhaftigkeit ein unmenschliches Regime aufhalten und Frieden und Freiheit bringen kann – und dafür, dass die Kriegsmaschine manchmal ganz schnell und grauenhaft unkontrollierbar werden kann.
„Atom-Erpressung beeindruckt mich nicht mehr“
Das Treffen der 29 Verteidigungsminister und 21 Oberbefehlshaber im Offiziersclub der Air Base wurde von neuen Drohungen des russischen Außenministers Lawrow überschattet, der im russischen Fernsehen erklärt hatte, er sehe die reale und nicht zu unterschätzende Gefahr für den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs: Die NATO sei in einen „Stellvertreterkrieg“ mit Russland eingetreten – und Waffenlieferungen an die Ukraine sehe man ohnehin als „legitimes Ziel“.
Der Luxemburger Verteidigungsminister François Bausch zeigt sich angesichts der erneuten rauen Töne aus Russland unerschrocken: „Das martialische Auftreten der russischen Führung und diese permanente Erpressung mit der Atombombe beeindruckt mich überhaupt nicht mehr“, erklärt er gegenüber dem Tageblatt während einer Mittagspause der Konferenz in Ramstein. Die dortige Veranstaltung beeindrucke ihn aber sehr wohl: Auch vier Vertreter aus der Ukraine sind angereist, darunter der Verteidigungsminister Oleksij Resnikow und der Geheimdienstchef Vadym Skibitsky.
„Wir haben ein sehr detailliertes Briefing bekommen über die Lage in der Ukraine“, sagt Bausch: Es sei dabei deutlich gemacht worden, dass „in den nächsten zwei, drei Wochen sehr entscheidende Momente in diesem Krieg zu erwarten“ seien, wenn man den russischen Vormarsch im Süden der Ukraine zurückdrängen wolle. Dabei, so ist der grüne Minister überzeugt, gehe es keineswegs nur um das Schicksal der Ukraine selbst: Es gelte auch „zu verhindern, dass über diesen Krieg eine neue Weltordnung entsteht“. Es gehe längst allgemein um den grundsätzlichen Bestand von verlässlichen Rechtsnormen und um die Freiheit überhaupt – und diese Ansicht eine auch die Konferenzteilnehmer: „Herr Putin“ habe letztlich „genau das Gegenteil von dem erreicht, was er bezweckt hat“, ist Bausch sicher. Das zeige sich auch vor Ort, wo „mehr als 40 Länder die gleichen Werte vertreten und sich so einig sind wie nie zuvor“. Jetzt seien „alle bereit, Schritte zu tun, wie sie vor sechs Monaten wohl nicht denkbar gewesen wären“.
Deutschland schwenkt um
Das trifft definitiv auf das Land zu, in dem sich Bausch gerade befindet: Kurz bevor die Konferenz wieder beginnt, steht nämlich auch die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vor recht überraschten Reportern und bestätigt, dass Deutschland von seinem bisherigen, vielfach als zögerlich kritisierten Kurs abrücken werde, um doch schwere Waffen zu liefern. Sie hatte das zwar schon bei einer einleitenden Rede auf der Konferenz gesagt, die aber nicht wie erwartet auch per Stream in den Pressesaal übertragen wurde. Stattdessen war die Übertragung nach den einleitenden Worten ihres amerikanischen Kollegen plötzlich abgebrochen. So wurde etwas verzögert öffentlich, dass 50 ausgemusterte Gepard-Raketenabwehrpanzer geliefert und ukrainische Soldaten in Deutschland ausgebildet werden sollen. Eine so direkte Waffenlieferung war noch vor wenigen Tagen von Bundeskanzler Scholz ausgeschlossen worden.
Dann zieht sich Lambrecht, wie die anderen Konferenzteilnehmer, wieder hinter verschlossene Türen zurück, die sich erst wieder für die abschließenden Worte des Gastgebers öffnen.
Dem Air Force Magazin zufolge soll der amerikanische General Mark A. Milley zwar hinter verschlossenen Türen erklärt haben, dass „die nächsten drei Wochen die nächsten 15 bis 20 Jahre in der europäischen Sicherheit bestimmen werden“ – trotzdem denkt der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin deutlich langfristiger.
„Rhetorik nicht hilfreich“
Man habe in Ramstein „grundlegende Arbeit geleistet und wichtige Signale gegeben“ und sei übereinstimmend „entschlossen, der Ukraine zu helfen, um heute zu gewinnen und Stärke für morgen aufzubauen“, sagte er im Offiziersclub. Aber dazu müsse Tempo gemacht werden: „Wir müssen mit Kriegsgeschwindigkeit agieren“, forderte Austin – und erklärte, das Momentum der eilig zusammengerufenen Konferenz solle in Form einer „Kontaktgruppe“, die sich monatlich treffen werde, verstetigt werden: „Wir werden auf den heutigen Fortschritt aufbauen und wollen weiter alle Nationen einladen, die guten Willens sind, der Ukraine zu helfen, sich selbst zu verteidigen.“
Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wolle er zwar nicht ausschließen, das sei aber alles noch „weit die Straße runter“. Zuerst sei es an Putin, mit dem, was er angefangen habe, wieder aufzuhören und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Die letzte Journalistenfrage des Abends, ob er keine Angst habe, dass der Konflikt tatsächlich zu einem Atomkrieg eskaliert, beantwortete Austin sicherlich nicht für jeden Zuhörer konsistent: Die russische Rhetorik sei gefährlich und „nicht hilfreich“ – und man werde „alles in unserer Macht Stehende tun, genau wie die Ukraine, um sicherzustellen, dass die Lage nicht außer Kontrolle gerät“.
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Komisch, richtig frei fühl ich mich nicht. Mag zwar bei Putin noch schlimmer sein, allerdings frei fühl ich mich auch nicht. Im Stau fühl ich mich nicht frei, in der Etagenwohnung auch nicht, finanziell gesehen fühl ich mich sogar wie ein Sklave der Bank. Aber über Freiheit reden kommt immer gut an.