E Bléck duerch d’Lëns / Mit Nazis fliegen – Flieger-Ass Jean Moia (1908-1976)
Die Leidenschaft für die Sportfliegerei begann in den 1920er-Jahren in Luxemburg. Etliche Vereine wurden gegründet und ihre Flieger erlangten ein hohes Ansehen. Viele dieser Flieger-Asse übernahmen ab 1940 führende Rollen innerhalb des Nationalsozialistischen Fliegerkorps in Luxemburg, unter ihnen auch der Escher Jean Moia.
Im Zuge der NS-Machtergreifung wurden ab 1933 sämtliche deutsche Luftsportvereine und Tätigkeiten innerhalb des Deutschen Luftsport Verbands (DLV) zentralisiert und nationalsozialistisch ausgerichtet. Ab 1937 wurde der DLV in das Nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK) integriert. Obwohl das NSFK offiziell nicht als Gliederung der NSDAP galt und eine Mitgliedschaft in anderen NS-Organisationen untersagte, galt das Fliegerkorps dennoch als NS-Kampforganisation und wurde dementsprechend als fester Bestandteil der NSDAP betrachtet und behandelt.
Jean Moia und die Luxemburger Flugszene
Jean Moia kam am 3. Mai 1908 als ältester Sohn des italienischen Bauunternehmers Marco Moia zur Welt. Nach seinem Studium in Ingenieurswesen in Aachen kehrte er nach Luxemburg zurück und arbeitete im väterlichen Betrieb. Währenddessen begann auch seine Leidenschaft für die Fliegerei. Moia wurde zum integralen Bestandteil der Luxemburger Flugszene. Er war u.a. als Fluglehrer auf dem Escher Aérodrom tätig, Mitglied im Aéro-Club du Bassin Minier und nahm an zahlreichen Flugshows teil. 1939 beispielsweise flog Moia während der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit des Landes von Esch/Alzette nach Wiltz.
In der italienischen Gemeinschaft in Luxemburg genoss die Unternehmerfamilie Moia hohes Ansehen. Familienoberhaupt Marco war seit 1933 Mitglied der faschistischen Partei und wurde aufgrund seiner Kontakte zum Vorsitzenden der Dopolavoro in Luxemburg ernannt, einer faschistischen Massenvereinigung zur Förderung der Freizeit. 1937 übernahmen seine beiden Söhne Jean und Joseph das Familienunternehmen und traten bereits im September 1940 der Volksdeutschen Bewegung (VdB) bei.
Anführer des NSFK-Sturms Esch/Alzette
Seit Kriegsbeginn im September 1939 herrschte ein allgemeines Flugverbot über Luxemburg. Obwohl das Flugverbot von den Deutschen vorerst aufrechterhalten worden war, bereiteten die Nationalsozialisten im Hintergrund bereits den Wiederaufbau des Vereinsflugwesens in Luxemburg vor. Am 28. November 1940 traf sich die Luxemburger Flugszene, zur Freude von Jean Moia, im städtischen Kasino wegen der Zusammenführung der zahlreichen Vereine innerhalb des Deutschen Luftsport Verbands Luxemburg (DLV). Dieser Schritt hätte, so Moia, „möglichst jedem flugbegeisterten Jungen die Möglichkeit gegeben, das Fliegen zu erlernen.“ Im April 1941 wurde der DLV durch das NS-Fliegerkorps ersetzt und begann, sich „offen“ als NS-Gliederung darzustellen. Jean Moia wurde zum Sturmführer in Esch/Alzette ernannt und seine NSFK nahm uniformiert an Märschen, Propagandakundgebungen, Flugübungen und anderen NS-Aktivitäten teil.
Das NS-Fliegerkorps arbeitete eng mit der Hitlerjugend zusammen, um junge Luxemburger zu Piloten auszubilden. Es handelte sich dabei um eine paramilitärische Ausbildung zur Vorbereitung des Wehrdienstes innerhalb der Luftwaffe. Jean Moia bildete in seiner Funktion als Fluglehrer zahlreiche junge Escher aus. Auch im Schulunterricht wurden junge Luxemburger durch Modellbaukurse an die Fliegerei herangeführt. Nach der Einführung der Wehrpflicht im August 1942 begann er jedoch, erste Zweifel an der Ausrichtung des NS-Fliegerkorps zu haben. Ab 1943 nutzte Jean Moia die Ausbildung aus, um junge Luxemburger vor der Wehrpflicht zu bewahren. Durch den Nachweis, dass ein Luxemburger in Ausbildung war, konnte dieser nämlich bis zum Abschluss nicht eingezogen werden. Durch zusätzliches Hinauszögern der Prüfungen und das Ausstellen von gefälschten Nachweisen versuchte Moia, unter persönlichem Risiko, seine Schüler zu schützen.
Leidenschaft Fliegerei: grenzenlose Freiheit?
Die zahlreichen Aktivitäten des NS-Fliegerkorps wurden bis August 1944 weitergeführt und Jean Moia verblieb bis Kriegsende – zum Unmut seiner fanatischeren Kollegen – Anführer des Sturmes in Esch/Alzette. Nach der Befreiung wurde Moia im Gefangenenlager Belval interniert und als Persona non grata in Esch/Alzette angesehen. Der Kollaboration angeklagt, wurde er 1948 von allen Anklagepunkten freigesprochen. In der Nachkriegszeit herrschte in der Flugszene ein reges Interesse durch den Nachwuchs an Flugbegeisterten. Gemeinsam mit den „alten“ Veteranen wurden die Flugszene und die lokalen Vereine neu aufgebaut.
1974 wurde der deutsche Sänger Reinhard Mey, während der Erlangung seiner Fluglizenz, zu folgenden Zeilen seines wohl bekanntesten Liedes inspiriert: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“
Womöglich war es dieses Gefühl der Freiheit und Sorglosigkeit, das zahlreiche „alte“ Luxemburger Flieger-Asse dazu bewog, führende Rollen innerhalb des NS-Fliegerkorps zu übernehmen und offen mit den Nationalsozialisten zu kollaborieren, um die Freude des Fliegens an die Jugend weiterzugeben.
Die Serie
In der Rubrik „E Bléck duerch d’Lëns“ liefern die Historiker*innen André Marques, Julie Depotter und Jérôme Courtoy einen facettenreichen Blick auf verschiedene zeitgeschichtliche Themen.
- „Die Zeit des Festivals ist immer eine spezielle Zeit“: Eindrücke vom Auftakt-Wochenende - 26. Januar 2025.
- „Es ist meine Pflicht, aufzuklären“: Schüler treffen Shoah-Überlebenden Simon Gronowski - 26. Januar 2025.
- Nach Ablauf von Frist: 15 Tote und dutzende Verletzte durch israelischen Beschuss - 26. Januar 2025.
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