Editorial / Mit Spott bringt Kamala Harris den „Seltsamen Donald“ aus dem Gleichgewicht
Der US-Wahlkampf geht so langsam in seine heiße Phase. Es lohnt sich jetzt, das Rennen ums Weiße Haus genauer zu beobachten. Denn die Demokraten haben nicht nur die Spitze ihres „Tickets“, also ihren Spitzenkandidaten, geändert, sondern setzen seit dem Beginn der „Kamalamania“ auch auf einen neuen Umgangston gegenüber den Republikanern. Und das scheint zu wirken.
Der derzeitige Präsident und vorherige Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, bot Donald Trump und seinen Anhängern viel Angriffsfläche – was diese auch gehörig ausnutzten. Sich zur Wehr zu setzen, fiel Biden sichtlich schwer. Zu oft verfielen er und sein Team in die Defensive, fielen auf alle Spitzen und Kritiken herein, ohne selbst Gegenangriffe setzen zu können. Biden, obwohl kompetent und mit einer guten Bilanz seiner Regierungsperiode, schaffte es nicht mal, seine eigene Partei zu begeistern. Er wirkte wie von den Republikanern vor sich hergetrieben – und die Demokraten drohten unterzugehen. Biden musste weg und glücklicherweise sah er das auch selbst ein. Das und den Instinkt, seine Enttäuschung darüber nicht verbittert nach außen zu tragen, muss man ihm zugutehalten.
Unter Kamala Harris hat sich der Trend scheinbar gewendet. In vielen Umfragen liegt Harris in einem äußerst knappen Rennen einen Tick vor Trump. Dass damit allerdings die Wahlen nicht gewonnen sind, wissen die Demokraten selbst. Zu sehr sind sie gebrannte Kinder von Trumps erster Wahl 2016. Doch dass mehr Schwung und mehr Begeisterung in der Kampagne herrscht, das macht sich deutlich bemerkbar.
Besonders interessant ist der neue Umgang der Demokraten mit Trumps Welt. Nicht länger reagiert man auf alle Verschwörungstheorien, Beleidigungen und falschen Fakten und lässt sich so vorschreiben, worüber in den Medien und bei den Wahlkampfauftritten geredet wird. Viel mehr konzentrieren sich Harris und Walz auf sich selbst und ihre zentralen Botschaften. In ihren Reden sprechen sie die Probleme der amerikanischen Wähler offen an, erklären kurz, aber einprägend, wie sie diese lösen wollen, und zeigen so einen Weg nach vorne. Weiter offenbaren die nachvollziehbaren Pläne eine kompetente Roadmap, an die sich die Demokraten halten wollen, die alles andere als „linker Kommunismus“ ist. Gleichzeitig vereinnahmen die Demokraten den Patriotismus wieder für sich. Das Motto lautet „Wir lieben unser Land, es hat viel Potenzial und wir wollen es so verbessern, dass es auch jeder lieben kann.“ Damit gelingt ihnen ein enormer Kontrast zu Trumps Weltuntergangsstimmung und Inkompetenz, dem ausgrenzenden Nationalismus der Republikaner und den wirren, extremistischen Außenseiterideen der Trump-Anhänger.
Es gilt die Devise: Ignoriert die persönlichen Angriffe und offenbart, was jene, die Trump ins Weiße Haus heben wollen, tatsächlich vorhaben. Damit rücken die Demokraten das hochumstrittene „Project 2025“, was ein Amerika à la „Handsmaid’s Tale“ schaffen möchte, in den Fokus, während Trump und Vance als „seltsam“, „obsessiv“ und „verrückt“ einfach spöttisch abgehandelt werden.
Trumps Gegenreaktion zeigt, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat damit bisher nicht umgehen kann. Während seiner Wahlkampfauftritte ignoriert er die Ratschläge, dass er sich mehr auf Inhalte und weniger auf die persönlichen Angriffe konzentrieren soll – und bestätigt damit nur noch mehr die Karikatur, die die Demokraten derzeit von ihm zeichnen.
Bleibt abzuwarten, ob Harris ihre neue Kommunikationsstrategie bis November erfolgreich durchziehen kann. Gelingt es ihr, könnte ihr Umgang mit Trump vielleicht eine Blaupause dafür werden, wie man mit ähnlichen Figuren in Europa verfahren könnte.
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