/ „Morocco Pop“ aus Mailand: Sänger Mahmood kombiniert moderne Sounds mit arabischen Melodien
Mahmood, mit bürgerlichem Namen Alessandro Mahmoud, trat am 26.10. im fast ausverkauften Rockhal-Club auf. In Italien ist der gebürtige Mailänder ein gefeierter Star, sein Song „Soldi“ ein Riesenhit.
Von Delia Pifarotti
2019 ist ein großes Jahr für ihn: Im Februar gewann er das Sanremo-Festival in Italien, kurz darauf wurde er Zweiter beim Eurovision Song Contest in Tel Aviv. Sein Ruhm wuchs so schnell, dass er es selber gar nicht fassen kann: „Früher postete ich Cover-Versionen, die bis zu 100.000 Mal angeklickt wurden. Das war für mich schon erschreckend. Jetzt sind es hundert Millionen – nicht zu glauben!“
Zurzeit ist der Sänger auf „Europa Good Vibes“-Tour und hat am 26.10. halt in der Rockhal gemacht. Vor dem Konzert hat sich mit dem Tageblatt über seine Kindheit, seinen Musikstil und den politischen Wirbel, den seine Wahl zum diesjährigen italienischen Eurovision-Vertreter ausgelöst hat, unterhalten.
Tageblatt: Ihre Musik wird oft als Urban Pop bezeichnet. Sind Sie damit einverstanden?
Mahmood: Nein, ich bevorzuge „Morocco Pop“, denn ich mache nicht nur „Urban“ oder „Trap“, ich vermische gerne Genres und füge einen arabischen Touch hinzu, vor allem in der Melodie. Das Arabische kommt von den Kindheitserinnerungen, die ich an meinen Vater habe. Er ist Ägypter. Meine Mutter kommt aus Sardinien. Ich bin in einem Vorort von Mailand geboren und aufgewachsen, in Gratosoglio.
Kommt das „Soulige“ in Ihrer Stimme mittlerweile weniger zur Geltung als noch vor einigen Jahren?
Nicht unbedingt. Ich finde, dass es in „Soldi“ oder „Gioventù bruciata“ noch stark präsent ist. Aber ich mag modernisieren, indem ich verschiedene Einflüsse verarbeite. Ich habe in meiner Jugend sehr viel R’n’B gehört. Auch viel amerikanischen Rap. Hinzu kommen die italienischen Liedermacher, die meine Mutter mag.
Sie sind fast über Nacht berühmt geworden, doch wie viel Arbeit steckt wirklich hinter diesem angeblich plötzlichen Erfolg?
Sehr viel. Als Kind schon habe ich Notenlehre, Gesang und Klavierspielen erlernt. Mit 18 habe ich Interpretationskurse belegt und angefangen, eigene Songs zu schreiben. Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, schöne Texte zu schreiben, also Zeilen, in denen man in wenigen Wörtern vieles ausdrücken kann. Das musste ich erst erlernen. Ich arbeitete etwa zwei Jahre daran. Als ich mich 2016 mit „Dimentica“ beim Jugendwettbewerb Sanremo Giovani gut platziert hatte und Universal auf mich aufmerksam wurde, da ging es so richtig los. Die professionellen Sessions mit Produzenten und anderen Mitarbeitern waren hart, aber das Niveau, das ich jetzt erreicht habe, kann ich dieser ganzen Arbeit verdanken.
In Ihrem Song „Soldi“ spürt man sehr viel Wut – die Wut eines kleinen Jungen, dessen Vater die Familie verlassen hat. Ist der Song autobiografisch?
Ja, zum Teil. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich fünf Jahre alt war. Mein Vater, der Moslem ist, hat andere Familien gegründet und ich habe weitere Geschwister in der Welt. Ich lebe mit meiner Mutter und bin ihr einziger Sohn. Ich bin christlich aufgewachsen. Ich verdanke meiner Mutter sehr viel, sie hat mich immer unterstützt. Im Lied geht es also um Scheidung, ganz allgemein gesehen, und darum, wie Geld die zwischenmenschlichen Beziehungen kaputtmachen kann. Ich habe aber Kontakt zu meinem Vater, wenn auch nicht viel. Er hat mir auch gratuliert, als ich Sanremo gewonnen habe.
Apropos Sanremo, was hat Ihre Wahl in politisch-journalistischen Kreisen ausgelöst?
Mein Sieg wurde als politische Manipulation dahingestellt, weil ich arabischstämmig bin und angeblich als Beispiel von Migranten-Integration dienen sollte. Es gab nämlich ein Missverhältnis zwischen der Publikumswertung, deren Favorit der Sänger Ultimo war, und der von Presse und Jury. Hinzu kam, dass Innenminister Matteo Salvini getwittert hat, dass er Ultimo bevorzuge. Es kam zur Debatte. In TV-Sendungen sagte er, er möge meinen Song nicht. Das ist sein gutes Recht, finde ich. Aber die ganze Polemik erstaunte mich und machte mich traurig. Letztendlich bin ich jetzt aber zum Publikumsliebling geworden, nicht nur in Italien. Durch den Eurovision Song Contest stieß ich auch international auf Zustimmung. Das erfreut mich natürlich.
Leider stellt man Ihnen immer dieselbe Frage, wie Sie sich als „Ausländer“ fühlen und in Italien „integriert“ haben. Nervt Sie das nicht? Wie gehen Sie damit um?
Indem ich einfach immer sage, dass ich in Mailand geboren bin, ergo 100% Italiener! Meine Mutter ist aus Sardinien, mein Vater Ägypter. Mehr ist es nicht. Als Kind habe ich nie Rassismus erlebt, nur über meinen Name Mahmoud machte man sich manchmal lustig, weil er wie Mammut klingt. Aber ich stelle fest, dass mir diese Frage immer weniger gestellt wird, denn mittlerweile kennt man mich ja.
Sie haben sich eine gigantische Kobra über den ganzen Rücken tätowieren lassen. Was bedeutet sie Ihnen?
Im Videoclip von „Soldi“ hat der Vater des kleinen Jungen die Schlange auf der Hand tätowiert. Deshalb lasse ich mir das Motiv im Video riesengroß auf den Rücken tätowieren, sozusagen als Bund zum Vater. Es stellt auch die Zweifel dar, die das Leben bringt und größer und größer werden können. Aber es ist ein Fake-Tattoo. Ich trage es nicht mehr. Es war das Werk einer Freundin von mir, der Make-up-Künstlerin und Bodypainterin Beatrice Borgonuovo. Die schöne Erinnerung daran ist aber echt.
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