Editorial / Moskau will keinen Frieden
Frieden in der Ukraine wird es leider so bald noch nicht geben. Die Friedenskonferenz vom Wochenende in den Schweizer Bergen dürfte daran nichts ändern. Zwar zeigt das Engagement der beteiligten Staaten, dass sie durchaus willens sind, die Kriegsparteien auf einem Weg zum Frieden zu begleiten. Doch bei manchen Staaten fehlt das Interesse und vor allem der Wille zum Frieden. Allen voran beim Aggressorstaat. Zu befürchten ist eher das Gegenteil. Russland hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt und konzentriert sich darauf, den Nachbarn mürbe zu bomben. Das jüngste vermeintliche Friedensangebot des Kremlherrschers zeigt denn auch, dass er an keinen ernsthaften Gesprächen über ein Ende des Krieges interessiert ist. Wie ein gewöhnlicher Erpresser sagt er den Ukrainern: „Gebt mir, was ich will oder ich lasse noch mehr Menschen bei euch umbringen.“ Und vermutlich würde er auch danach noch keine Ruhe geben. Dass natürlich früher oder später eine Friedenslösung mit Moskau gefunden werden muss, steht außer Frage. Doch warum soll dazu die Ukraine Teile ihres Staatsterritoriums an Russland abtreten? Die territorialen Grenzen der Ukraine, die selbst während der Sowjetzeit unstrittig waren, wurden nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von der russischen Föderation als solche völkerrechtlich anerkannt. Sollten aber mittels Krieg wieder Staatsgrenzen verschoben werden können, müsste das eigentlich alle Länder auf der Erde aufschrecken lassen.
Schon allein die Bedingungen, die Wladimir Putin für eine Waffenruhe und den Beginn von Friedensgesprächen stellt – neben der Aufgabe der vier umkämpften ukrainischen Regionen auch ein Verzicht auf einen NATO-Beitritt – sind ein eindeutiger Beleg dafür, dass dem Moskauer Machthaber nicht an Frieden gelegen ist. Es hatte daher auch keinen Sinn, Russland zur Friedenskonferenz in der Schweiz einzuladen. Denn ein konstruktiver Beitrag aus Moskau ist derzeit nicht zu erwarten. Es wäre für alle Beteiligten Zeitverschwendung gewesen, sich den russischen Standpunkt anzuhören.
Dass jedoch China sich von der Konferenz fernhielt, ist nur vordergründig mit dessen Verweis darauf zu erklären, dass keine Einladung an Moskau erging. Vielmehr hat Peking, allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz, ein großes Interesse daran, dass der gegenwärtige Kriegszustand weiter anhält: China erhält russische Energie zu Discount-Preisen, exportiert wegen der Wirtschaftssanktionen gegen Moskau vermehrt nach Russland, das damit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch in ein zunehmendes Abhängigkeitsverhältnis zu Peking geraten ist – auch weil China die russische Rüstungsindustrie materiell unterstützt. Wodurch das Land durchaus als Kriegstreiber angesehen werden kann. Was nebenbei auch für Nordkorea und den Iran gilt, die den Aggressor mit ihren Waffenlieferungen unterstützen. Übrigens erachtet offenbar niemand die beiden als beteiligte Kriegsparteien, während den westlichen Unterstützerstaaten der Ukraine jedoch vorgeworfen wird, sie wären Kriegsparteien, wenn mit ihren Waffen Ziele in Russland angegriffen würden.
Doch nicht nur China, sondern auch Staaten wie Indien, Brasilien, Mexiko und andere, die die Abschlusserklärung in der Schweiz nicht mitgetragen haben oder erst gar nicht anwesend waren, dürften mit ihrer Haltung Putin in seinem gegen jegliches internationales Recht verstoßenden Handeln bestärken. Zwar wurde mit der Friedenskonferenz und der dort verabschiedeten Erklärung ein Zeichen gesetzt, mit dem sowohl China als auch Brasilien mit ihren deklarierten Bemühungen um Frieden nicht mithalten können. Doch isoliert dürfte sich der Kreml noch lange nicht fühlen. Und wie er zum Einlenken gebracht werden kann, ist auch nach diesem Wochenende nicht absehbar.
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