/ Musikalisches Rettungsteam: The Disliked haben neues Album „Reggae Rescue“ im Erste-Hilfe-Koffer
Die luxemburgische Band The Disliked präsentiert heute (31.5.) in der Kulturfabrik in Esch ihr neues Album. Das Tageblatt hat mit zwei Bandmitgliedern gesprochen, die trotz ihres jungen Alters bereits die Hälfte ihres gesamten Lebens gemeinsam Musik machen und noch längst nicht planen, damit aufzuhören.
„Wann s de bei d’Jonge geess, dann hues de mat Sécherheet e gudde Moment.“ Dass sich das Publikum bis heute – auch 17 Jahre nach der Gründung der Band – noch genau diesen Satz ins Gedächtnis rufen könne, bevor es überlegt, eine Konzertkarte zu kaufen, sieht der Gitarrist Cédric (alias XIV) als einen der Gründe dafür an, dass The Disliked noch immer bestehen. Man habe sich mithilfe der energiegeladenen Live-Shows, bei denen man stets mehr als 100 Prozent gebe, über all die Jahre hinweg Vertrauen verschafft, das man nach wie vor nicht enttäuschen wolle.
Mit einem etwas verklärten, nostalgischen Blick erinnern sich die langjährigen Freunde Cédric und Raph, der für den Gesang zuständig ist, an einen ihrer größten Auftritte, nämlich jenem auf der Demo gegen den Irakkrieg im Jahr 2003. Die sechsköpfige Band, bestehend aus Zik (Vocals), XIV und Lord an der Gitarre, dem Bassisten Dooq sowie Ragga J als Drummer und Chilles (Trompete), betont, vor drei Gästen ebenso viel leisten zu wollen wie vor 1.000. In ihrer mehr als ein Jahrzehnt überdauernden Karriere hat die bunte Truppe vielerlei Zuhörer-Varianten erlebt und bekam somit vom sehr intimistischen Kontext bis hin zum mehrere Tausend Menschen umfassenden Festival-Publikum alles zu spüren.
Wer bereits eins ihrer Konzerte besucht hat, weiß, dass er oder sie stabiles Schuhwerk und jede Menge Ausdauer mitbringen sollte. The Disliked heizen ein, reißen mit und genehmigen keinen Stillstand auf der Tanzfläche. Dass das Publikum dies mit sich machen lässt, hat auch damit zu tun, dass vorne auf der Bühne keine profilneurotischen Ego-Maschinen stehen, die sich lediglich selbst mit ihrer Kunst berieseln.
Nur l’art pour l’art kam für die Jungs nie in Frage. Von den bisher vier veröffentlichten Alben darf wohl das letzte, nämlich, „Hotel Numéro 25“, als perfekte Metapher für die Haltung der Band gelten. Beim damaligen Erscheinen der Platte erklärten die Musiker immer wieder, benanntes Hotel sei ein Ort, an dem jeder Willkommen sei, man sich wohlfühlen dürfe und keiner bestimmten Check-out-Zeit ausgesetzt sei.
Musik als Mannschaftssport
Neben der eigentlichen Arbeit als Band standen in den vergangenen 17 Jahren auch soziale Projekte auf dem Programm. Darunter die Teilnahme an einer CD-Produktion gegen Hate Speech und die Zusammenarbeit mit dem INECC („Institut européen de chant choral Luxembourg“) im vergangenen Jahr. Hierbei sangen mehrere Chöre, zusammengesetzt aus Menschen unterschiedlichster sozialer Backgrounds, und wurden dabei von den Musikern begleitet. Auf dem neuen Album „Reggae Rescue“ befindet sich nun auch der Song „Money“, der gemeinsam mit Kindern geschrieben wurde, nachdem die Bandmitglieder mit ihnen darüber diskutiert hatten, was man zum Glücklichsein braucht. Die Knirpse befanden, dass Geld diesbezüglich definitiv nicht an erster Stelle stünde.
Auf den potenziellen integrativen Faktor von Musik angesprochen, erinnert sich Raph an seine Masterarbeit, die genau dieses Thema behandelte. Einerseits mache man ohne Zweifel zwar Musik für sich, weil es einem selbst guttue, andererseits habe sie aber ebenfalls eine wichtige Wirkung und das Potenzial, Menschen offener werden und näher zusammenrücken zu lassen, finden beide. Das gelte nicht nur für das Publikum, das man durch seine Kunst einbinde. Auch für einen selbst spiele dies eine wichtige Rolle, erklärt Raph alias Zik: „Als Musiker, in meinem Fall als Sänger, ziehst du ja förmlich blank, wenn du deine Stimme vor so vielen Menschen offenbarst. Man muss sich wohlfühlen, um sich öffnen und auf das Ganze einlassen zu können.“ Cédric schließt sich dem an: „So verhält es sich auch innerhalb der Band. Musik ist ein Mannschaftssport und den können wir nur als Freunde, die wir bis heute sind, bestreiten.“ Demnach sei einer der wichtigsten Momente in den mittlerweile fast 20 Jahren jener gewesen, ab dem es gelungen sei, Konflikte auf konstruktive Art zu lösen.
Keine Punkmusik bei Sonnenschein
Musikalischen Trends rannten The Disliked nie hinterher. Man habe stets frei bleiben wollen, heißt es von den beiden Gesprächspartnern, die unter anderem schon unterhaltsame Ausflüge in den Bereich des Punk und Ska wagten. Raph unterstreicht dies mit der Aussage: „Und wenn wir beim nächsten Album Metal machen wollen, dann machen wir das halt“, worauf Metz erwidert: „Oh je, dann werd ich aber wohl noch ein bisschen mehr üben müssen.“
Raph hält’s simpel und sagt, dass die Band nunmal Musik mit den Instrumenten mache, die da seien. Es brauche nicht unbedingt den neusten und modernsten Schnickschnack. Außerdem würden die Songs allesamt akustisch geschrieben werden, heißt es weiter. „Wir hocken nicht vorm Computer, sondern im Wohnzimmer. Und wenn jemand ’ne gute Idee hat, setzen wir sie um und nehmen sie auf.“
Das neue Album „Reggae Rescue“ wurde vollständig analog aufgenommen. Hierbei hatten sowohl der Eigentümer der Tüntinger „Holtz-Studios“, Charel Stoltz, als auch der DislikedTontechniker Tom Gatti ihre kompetenten Finger mit im Spiel. Letzterer habe einmal nach einem Konzert angemerkt, es wäre doch endlich mal Zeit für ein Reggae-Album, schildert Raph den Moment, der nun mehr als drei Jahre zurückliegt. Das hätten die Bandmitglieder dann für eine spannende Idee gehalten und die neue Herausforderung angenommen.
So begann ein aufwendiger, mehrjähriger Entstehungsprozess. Die Band fuhr unter anderem nach Südfrankreich, um dort an neuen Liedern zu arbeiten. „Der Sound entstand ganz natürlich“, erklärt Raph, „und bei 30 Grad im Schatten macht man dann definitiv keinen Punk“, fügt Metz schmunzelnd hinzu.
Obwohl eben dieses Genre ihre Anfänge gezeichnet habe, fühle es sich jetzt, so viele Jahre später, anders an, als zu jener Zeit, als man rebellieren und sich manifestieren wollte. „Natürlich spielt es noch eine Rolle, aber wir haben uns weiterentwickelt. Was sich allerdings bis heute nicht geändert hat, ist das Gefühl als Band. Dieses ist das gleiche wie damals mit 16 Jahren.“
Bereits in der Pressemitteilung zum letzten Album hatte es geheißen, dass aus Teenagern unter anderem Eltern geworden sind. Tatsächlich gibt es schon einen Spross, der wohl die Musik des Papas benutzen kann, um seine ersten (Tanz-)Schritte zu machen. Auch wurden aus Schülern Studenten, aus Letzteren wiederum Berufstätige. Laut Cédric hat sich die Band aber den ihr eigenen jugendlichen Leichtsinn erhalten und nicht vergessen, wo sie herkommt.
Frei nach dem Bandnamen habe man es anfangs gar nicht drauf angelegt, unbedingt gemocht zu werden, erzählt Raph. „Das hat allein schon dadurch recht gut funktioniert, dass wir in einer Garage geprobt und somit die gesamte Nachbarschaft gestört haben.“ Mit der Zeit sei man aber gemütlicher geworden, was dennoch nicht heiße, dass man nun weniger zu sagen habe. Man formuliere es lediglich anders, so Cédric.
The Disliked haben nie mit überzogenem Arty-Farty-Krimskrams und gespielter Unverständlichkeit kokettiert. Die Sprache, die sie sprechen, ist eine leichte. Als Prediger oder Bekehrer wollen sie sich auch nicht sehen. „Natürlich gibt es die ein oder andere subtile soziale Botschaft in unseren Liedern. Wenn wir singen ’I don’t need no Money‘ ist beispielsweise klar, dass wir nicht ganz ohne überleben können, aber eben auch, dass wir überzogenen Konsum in Frage stellen. Man kann Kritik auch ausdrücken, ohne direkt ’Féck Lëtzebuerg‘ zu schreien“, so Raph.
Eine Musikwelt im Wandel
Nachdem er dies ausgesprochen hat, müssen er und Cédric erneut lachen, denn Tun Tonnar alias Turnup Tun, welcher rezent durch eben diesen Titel eines Tracks viel um sich reden machte in den Medien, hat gemeinsam mit Fabien Spaus ihr Video zu „Money“ produziert. Die beiden sind nur zwei von zahlreichen Menschen, durch deren Hilfe das The-Disliked-Gesamtkunstwerk erst möglich wird. „The Disliked sind nicht nur die Menschen auf der Bühne, sondern auch das Kollektiv, das helfend hinter den Kulissen agiert“, fasst Raph zusammen.
In den vergangenen 17 Jahren ist sehr viel passiert in der luxemburgischen Kulturszene. Manche Locations und viele Bands gab es noch nicht, als die Herrschaften von The Disliked loslegten. Mittlerweile habe sich das Angebot unglaublich vervielfältigt, stellt Raph fest, „und das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Akteure das selbst eingefordert und sich behauptet haben“.
Vor mehr als einem Jahrzehnt habe man noch mehr verschiedene Szenen gehabt, fällt Cédric auf. Er verweist hierbei unter anderem auf die Entourage von Ashcan Records, Schalltot oder auch die große Familie rund um das „Food For Your Senses“-Festival, das am vergangenen Wochenende ein letztes Mal stattfand. „Die Menschen innerhalb dieser Szenen sind mit ebendiesen gewachsen, haben sich mit ihnen verändert“, nun spiele sich vieles eher in fragmentierterer Form ab. Es komme zunehmend zu einer Individualisierung, immer mehr Künstler seien solo unterwegs und die Band als Format stünde für viele nicht mehr unbedingt im Vordergrund.
Der Gitarrist begrüßt einerseits die Schaffung von Strukturen wie dem Rocklab, fragt sich andererseits aber, ob dadurch der DIY-Faktor nicht etwas verloren geht. „Wir haben unsere Konzerte selbst organisiert, ein Label gegründet, Flyer designt und verteilt.“ In der Diskussion um die Professionalisierung von Künstlern in Luxemburg muss man sich laut Raph vor allem die Frage stellen, ab wann denn von ebendieser die Rede sein kann? Zwar würden die Mitglieder von The Disliked nicht ihren Lebensunterhalt mit der Musik verdienen, das sei bei einer großen Band noch schwieriger als bei Soloprojekten, aber dies heiße ja nicht, dass sie nicht doch sehr viel Kraft und Geld in Qualitätssicherung investierten. „Wir würden schließlich nie etwas rausbringen, hinter dem wir nicht auch stehen können.“ Genau deswegen betreibe man einen nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand, der nicht dem eines beiläufigen Hobbys gleichkäme, ergänzt Cédric.
Bis dass der Tod uns scheidet
Auf die Frage hin, welches Verfallsdatum die Band denn habe, reagieren Cédric wie Raph relativ erstaunt und geben zu, dass sie sich darüber bisher noch nie Gedanken gemacht haben. Im Altersheim könne man ja dann zusammen auf Blues umsteigen, schlägt der Gitarrist vor, aber Raph hat andere Pläne: „Wahrscheinlich orientieren wir uns einfach ab 60 auf der ganzen Linie an den Rolling Stones, dann wird das schon klappen.“
Während die beiden verhandeln, wer denn nun was auf dem Begräbnis des jeweils anderen musikalisch darbieten würde, ist Raph sich sicher: „Ich kann mir gut vorstellen, dass wenn jemandem von uns etwas zustoßen würde, die anderen trotzdem weitermachen würden. Allein schon zu Ehren desjenigen, der gegangen ist. Denn keine Musik macht schließlich auch keinen Sinn.“
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naja, Reggae brauch net gerett ze ginn, dem Reggae geet et ganz gudd