Gewerkschaften / Nach 115 Jahren Landesverband: FNCTTFEL fusioniert mit dem OGBL
Am 10. Januar 1909 wurde der Generalverband der Eisenbahner des Luxemburger Landes gegründet, eine Gewerkschaft, die später den längsten Namen aller nationalen Belegschaftsvertretungen erhalten sollte: die „Fédération nationale des cheminots, travailleurs du transport, fonctionnaires et employés luxembourgeois“, kurz FNCTTFEL. Georges Merenz ist der elfte Präsident dieser oft verkürzt als Eisenbahnergewerkschaft bezeichneten Organisation; einen zwölften wird es nicht geben: Zum 31. Januar 2024 fusioniert der Landesverband mit dem OGBL.
Wir sprachen mit dem Gewerkschafter, der als gelernter Maschinenschlosser einer der letzten seiner Art ist: ein Gewerkschaftspräsident, der seine Karriere als Arbeiter begann und die Karriereleiter der Gewerkschaft hochstieg. Dass der außerordentliche Kongress der FNCTTFEL, der am Samstag vor den Nationalwahlen, am 7. Oktober also, einstimmig beschloss, die Integration in den OGBL zum 31. Januar 2024 zu vollziehen, nicht öffentlich war, erklärt Merenz mit einer gewissen Angst, ein Bild der Zerstrittenheit zu bieten.
In der Tat waren – trotz des einstimmigen Ergebnisses – im Vorfeld nicht alle Mitglieder für die Fusion. Da spielte wohl bei einigen, besonders den langjährigen Mitgliedern, eine gewisse Nostalgie eine Rolle beziehungsweise die Angst, in einer größeren Gewerkschaft nicht mehr so sichtbar zu sein. Andere kritisierten im Vorfeld des Kongresses den Zeitpunkt der Fusion. Ursprünglich, also beim Kongress von 2019, der mit 76 Prozent der Delegiertenstimmen für die Aufnahme entsprechender Gespräche stimmte, war vorgesehen, die Integration erst zum Jahresende 2024 zu vollziehen.
Eine Gewerkschaft mit 90.000 Mitgliedern stellt eben eine andere Kraft dar als eine mit 5.000
Die anstehenden Sozialwahlen Anfang kommenden Jahres sollten schließlich den Ausschlag für den jetzt beschlossenen Termin geben. Dass in einer Zeit der Filialisierung der Eisenbahnbetriebe die bereits bestehende, enge Zusammenarbeit mit dem OGBL – ohne dessen nationale Repräsentativität etwa Kollektivverträge bei CFL Cargo, CFL Multimodal oder der Tramgesellschaft nicht hätten unterzeichnet werden können – weiter vertieft werden müsse, überzeugte schließlich alle Delegierten; Gegenstimmen oder Enthaltungen gab es beim Kongress keine.
Nicht der erste Versuch einer Fusion
Einige wenige Austritte, so räumt Merenz ein, mussten allerdings verbucht werden; und auch er selbst bedauere wohl, dass er nun künftig kein Gewerkschaftspräsident mehr sei. Es sei aber nie um seine Person gegangen, sondern um das Wohl der Mitglieder. Und diese seien zweifellos in der neuen Struktur, sei es in dem Syndikat „Schinn“ (offiziell „OGBL-Syndikat Eisenbahnen – FNCTTFEL/Landesverband“), das nun innerhalb des OGBL alle Mitarbeiter von schienengebundenen Transportmitteln, also auch die Trammitarbeiter vertritt, oder in dem neu gegründeten „Syndikat Öffentliche Dienste OGBL-Landesverband“ beziehungsweise im SEW (Syndikat Erziehung und Wissenschaft), das nun auch die in der FNCTTFEL organisierten Lehrbeauftragten organisiert, besser und stärker vertreten als bislang. „Eine Gewerkschaft mit 90.000 Mitgliedern stellt eben eine andere Kraft dar als eine mit 5.000“, so Georges Merenz.
Die jetzt vollzogene Fusion war nicht der erste Versuch von Gewerkschaftern, die Kräfte zu bündeln und den geeinten Arbeitgebern eine Einheitsgewerkschaft entgegenzustellen.
Angesichts des Wahlausgangs und der neuen Regierung ist dies sicherlich der richtige Moment für die Fusion gewesen
Auf die Frage, wieso es nach diesen ersten Versuchen im Rahmen der Gründung des OGBL Ende der 1970er Jahre noch knapp ein halbes Jahrhundert brauchte, um den Zusammenschluss nun zu realisieren, meint Merenz: „Die Eisenbahn ist heute eine andere als damals, als die CFL fast nur Mitarbeiter im Statut der Eisenbahn beschäftigte. Heute bilden diese Mitarbeiter nicht mehr die Mehrheit der rund 5.000 Beschäftigten der CFL, CFL Cargo und CFL Multimodal. Die christliche Bahngewerkschaft Syprolux etwa ist in all den Filialen nun draußen und repräsentiert diese Mitarbeiter nicht mehr. Die Mitglieder des Landesverbandes haben zudem verstanden, dass große Arbeitskämpfe ohne den OGBL im Rücken nicht mehr auszustehen wären. Eine Mobilisierung bzw. Aktionen auf der Straße wären aktuell für den Landesverband nur mehr sehr schwierig zu organisieren. Innerhalb des OGBL verfügen wir über weitaus mehr Kraft. Angesichts des Wahlausgangs und der neuen Regierung ist dies sicherlich der richtige Moment für die Fusion gewesen.“
Josy Konz’ späte Genugtuung
Während des außerordentlichen Kongresses des Landesverbandes unterstrich Ehrenpräsident Josy Konz, der 1978 gemeinsam mit u.a. dem verstorbenen René Bleser an den Verhandlungen zur Gründung des OGBL teilnahm und an internen Widerständen scheiterte, es handele sich um den schönsten Tag seiner langen Karriere im Landesverband. Bereits während der 1960er Jahre habe er sich gemeinsam mit Toby Meis und René Bleser sowie den damaligen Vertretern der LAV-Jugend John und Mario Castegnaro im Rahmen der CGT-Jugend für eine Einheitsgewerkschaft aller arbeitenden Menschen im Land eingesetzt. Er erinnerte daran, dass, trotz des damaligen Scheiterns des Zusammenschlusses, OGBL-Präsident John Castegnaro den Präsidenten des Landesverbandes während gemeinsamer CGT-Feiern zum 1. Mai immer die Gelegenheit gegeben habe, als erste Redner vor den Militanten zu sprechen.
Georges Merenz erinnert seinerseits in unserem Gespräch daran, dass die FNCTTFEL nicht verschwinde. „Sie lebt als eigenständiges Syndikat im OGBl weiter.“ Er selbst, inzwischen einer von drei OGBL-Vizepräsidenten, werde noch eine Zeit lang eine Reihe von internationalen Mandaten in den europäischen und internationalen Transportföderation ETF und ITF ausüben, er habe aber inzwischen seine Pensionierung als Eisenbahner angefragt und werde somit auch die aktive Gewerkschaftsarbeit nicht mehr allzu lange machen.
Eine Aufgabe bleibt allerdings: Am 31. Januar 2024 wird im „Casino syndical“ in Bonneweg eine große Feier zur Integration in den OGBL auszurichten sein. Alle Mitglieder der „Fédération nationale des cheminots, travailleurs du transport, fonctionnaires et employés luxembourgeois“, die dann 115 Jahre alt sein wird, werden zu diesem Anlass eingeladen, „auch wenn das Casino dann aus allen Nähten platzt“, so Merenz abschließend.
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