Deutschland / Nach Ampel-Aus: Wie sich die Parteien jetzt für die Neuwahlen aufstellen
Nach dem Ampel-Aus stehen Sitzungswochen ohne klare Mehrheitsverhältnisse bevor. Kanzler Scholz will eine Regierungserklärung abgeben, die Union fordert eine baldige Vertrauensfrage. Wie bereiten sich die Parteien auf die vorgezogenen Neuwahlen vor?
Die SPD von Kanzler Scholz plant für den Bundestagswahlkampf eine Zuspitzung auf die Personen Olaf Scholz und Friedrich Merz (CDU). „Die Frage für die Wähler wird sein: Scholz oder Merz?“, sagte Parteichef Lars Klingbeil der Zeit Online. „Eine solche Polarisierung in der Mitte hilft auch gegen die Populisten.“ Spekulationen, nach denen Verteidigungsminister Boris Pistorius die Kanzlerkandidatur der SPD übernehmen könne, trat Klingbeil entgegen: „Ich glaube nicht an einen Messias-Effekt: Die Kandidatur von Martin Schulz hat 2017 gezeigt, dass eine Person alleine nicht den Erfolg bringt.“
Scholz zeigte sich zuletzt gesprächsbereit über den Zeitpunkt einer Vertrauensfrage und der folgenden Neuwahl, nachdem er anfangs den 15. Januar für die Vertrauensfrage genannt hatte. Er besteht aber zugleich auf eine Einigung darüber, welche Gesetze noch beschlossen werden sollen. Bei den Sozialdemokraten setzt man hinter den Kulissen darauf, dass man bei einem längeren Wahlkampf durchaus von Fehlern des Unions-Kanzlerkandidaten Merz profitieren könnte.
Die Union strebt Wahlen bereits am 19. Januar an – und damit einen sehr kurzen Wahlkampf. Das verringert das Risiko von Fehlern: Wie gefährlich verbale Fettnäpfchen sind oder auch das Lachen am falschen Ort hat die Union im Wahlkampf 2021 von Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) etwa während der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal zu spüren bekommen.
Grüne offen für früheren Wahltermin
Aktuell rüstet sich die Union für die Debatte zur Regierungserklärung von Olaf Scholz. Am Mittwoch wollen CDU-Chef Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder auf eine sofortige Vertrauensfrage des Kanzlers bestehen, um den Weg zu Neuwahlen freizumachen. Merz ist erst bereit, über die Zustimmung der Union zu Gesetzesvorhaben zu sprechen, wenn Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat.
Die Grünen lassen indes Zweifel am bisherigen Fahrplan von Scholz erkennen. „Wo ich sehr skeptisch bin, ist, ob diese guten oder schlechten Gründe – darüber mag man denken, wie man will – vermengt werden sollten mit der Umsetzung politischer Lieblingsprojekte“, sagte Habeck. „Das scheint mir der herausragenden Bedeutung dieser Vertrauensfrage nicht angemessen zu sein, und so schaue ich da drauf.“ Zugleich zeigen sie sich offen für einen früheren Neuwahltermin. „Wir Grünen könnten auch gut mit einem früheren Termin leben. Wir haben unsere Arbeit gemacht, sind auf alles vorbereitet“, sagte der scheidende Parteivorsitzende Omid Nouripour der Bild am Sonntag. Mit Blick auf die Regierungserklärung fordert die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic (Grüne) von Scholz klare Ansagen. „Ich erwarte, dass der Kanzler die Schritte klar benennt, die bis zu Neuwahlen nötig sind“, sagte sie unserer Redaktion.
Ihren Angaben nach wollen die Grünen bis zur Neuwahl noch wichtige und unaufschiebbare Gesetzesvorhaben im Bundestag verabschieden. „Dazu führen wir mit der SPD und allen anderen demokratischen Fraktionen Gespräche.“ Sie betonte zugleich: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist für uns ausgeschlossen.“ Die Grünen-Fraktion werde nur dann Initiativen zum Abschluss bringen, wenn es für sie gesicherte demokratische Mehrheiten gebe – also ohne die AfD. „Dahingehend appelliere ich auch in Richtung Union und FDP, bei Vorhaben im Bundestag keine gemeinsame Sache mit der AfD zu machen“, fügte sie hinzu.
FDP schließt neue Ampel aus
Die FDP geht auf Distanz zu den früheren Koalitionspartnern SPD und Grünen. Parteichef Christian Lindner sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Montag: „Eine Ampel-Koalition ist ausgeschlossen.“ Nachdem in dieser „sich zuspitzenden wirtschaftlichen Krise grundlegende Reformen nicht möglich waren“, wolle er das ganz deutlich sagen, fügte er hinzu.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dringt indes auf schnelle Neuwahlen. „Ich erwarte von Noch-Bundeskanzler Scholz, dass er so schnell wie möglich die Vertrauensfrage stellt“, sagte er unserer Redaktion. „Das muss er direkt nach der Regierungserklärung tun und so klären, ob es eine Mehrheit für seinen Kurs gibt“, fügte er hinzu. „Wir brauchen schnelle Neuwahlen. Eine lange Hängepartie kann sich unser Land nicht leisten.“
Nach den Vorgaben des Grundgesetzes hat es der Kanzler allein in der Hand, den Stein ins Rollen zu bringen: Die von ihm angekündigte Vertrauensfrage ist nach der Verfassung praktisch die einzige Möglichkeit, Neuwahlen einzuleiten. Wenn der Kanzler den ersten Schritt geht und wie erwartet die absolute Mehrheit verfehlt, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Neuwahlen ausrufen. Am Montag wollen die Wahlleitungen von Bund und Ländern über die Vorbereitung zur vorgezogenen Wahl des Bundestages beraten. Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte in einem Brief an Scholz vor „unabwägbaren Risiken“ durch kürzere Fristen gewarnt – und wird von Unionspolitikern dafür massiv kritisiert.
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