Kultur / Nach Corona erfindet sich die Escher Kulturfabrik neu
Sie waren die Ersten, denen Einschränkungen auferlegt wurden und werden wohl die Letzten sein, bei denen diese gänzlich aufgehoben werden. Die Kulturschaffenden leiden besonders unter der anhaltenden Krise. Die Kulturfabrik sieht die Situation jedoch auch eine als einmalige Chance. Das Team hat all seine Kreativität zusammengenommen, um die Saison neu zu erfinden.
„Die Fabrik von morgen“ lautete das Motto der Pressekonferenz am Donnerstag. In nur ein paar Monaten musste das Team der Kufa alle Pläne für die anstehende Saison über den Haufen werfen und neu denken. Hinzu kam der Wechsel an der Spitze: Serge Basso de March trat den Direktorposten des Kulturzentrums Kulturfabrik am 1. Mai an René Penning ab. Außerdem gab es mehrere Wechsel im Verwaltungsrat des Hauses. „Die letzte Zeit war nicht einfach. Aber sie hat es uns auch ermöglicht, zu träumen“, sagt René Penning in seiner Ansprache. Noch während des Lockdowns hat das Team per Videokonferenz Ideen für die Zukunft ausgetauscht.
Teamgeist wird in der Kulturfabrik großgeschrieben. Entscheidungen würden nicht von oben herab, sondern gemeinsam getroffen. Bei dieser Gelegenheit dankt René Penning seinem Team, das in den letzten Monaten einen strategischen Plan ausgearbeitet hat, in dem die Unterstützung von Künstlern und die Kreation des Lebensraums Kufa die Hauptrolle spielen.
Die hippste Bar im Land
Nur anderthalb Tage nachdem Premierminister Xavier Bettel angekündigt hatte, dass Terrassen von Cafés am 27. Mai wieder öffnen dürfen, stand das Projekt „Kufa Summer Bar“. „Der Innenhof der Kulturfabrik wurde nicht nur zur Erweiterung des Café ,Ratelach’, sondern zum Raum für Programmgestaltung“, sagt René Penning. Seitdem feiert die „Summer Bar“ einen derart großen Erfolg, dass Gäste aus dem ganzen Land sowie aus der Großregion den Weg in die gemütliche, aus Secondhand-Möbeln zusammengewürfelte Out-Door-Bar finden. Landesweit würde von der hippsten Bar im ganzen Land gesprochen, freut sich Penning.
In der „Kufa Summer Bar“ können die Gäste nicht nur Cocktails schlürfen, sondern auch Kultur erleben. Von einem Hip-Hop-Abend mit De Läbbel über mehrere DJ-Sets bis hin zu einer Tanzaufführung erfreute sich das bisherige Programm großer Beliebtheit. Die Unterstützung der lokalen Kunstszene lässt sich die Kufa etwas kosten. „Wir investieren diesen Sommer 50.000 Euro in Künstler“, sagt Penning.
Dazu gehört die „Squatfabrik“, die im Juni in der ehemaligen Werkstatt der „Autisme Luxembourg asbl“ ihre Türen geöffnet hat. Dabei handelt es sich um eine Künstlerresidenz, die lokalen Künstlern für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt wird. Sie arbeite zwei bis drei Wochen zusammen in Gruppen von zwei bis drei Personen. Was sie erschaffen wollen, entscheiden sie selbst. Abgeschlossen wird ihre Zeit mit einem „get-out“ – also einem Rausschmiss. „Wir haben bewusst nicht das Wort ‚Vernissage’ gewählt“, sagt Fatima Rougi, Verantwortliche für Kommunikation bei der Kufa. Der Grund: Die Künstler sollen sich nicht verpflichtet fühlen, am Ende ihrer Zeit eine Ausstellung zu präsentieren. „Von einem Konzert über eine Diskussionsrunde bis hin zu einem Theaterstück ist alles möglich“, sagt sie. Die „get-outs“ finden alle zwei bis drei Wochen samstags um 18.00 Uhr in der „Summer Bar“ statt.
Künstlerresidenz
Mett Hoffmann, Nora Wagner und Irina Moons arbeiten aktuell zusammen in der „Squatfabrik“ an ihren jeweiligen Projekten. Irina Moons setzt dort ein Siebdruck-Projekt um, das von der „Œuvre Grande-Duchesse Charlotte“ finanziert wird. Dafür bedruckt die junge Künstlerin Kissen- und Deckenbezüge ausschließlich mit natürlichen Farben. Mett Hoffmann, der sich ebenfalls am Siebdruck versucht hat, konzentriert sich auf die Kreation von besonderen Lampenschirmen. Nora Wagner ihrerseits hat ihr kleines Filmstudio im ehemaligen Schweinestall der „Squatfabrik“ aufgebaut. Sie arbeitet an einem Stop-Motion-Film. „Weil ich für verschiedene Szenen kein Budget hatte, drehe ich diese jetzt hier anhand von kleinen Modellhäusern und Figuren“, erklärt Wagner. Alle drei freuen sich darauf, ihre Projekte am kommenden Samstag ab 18.00 Uhr vorzustellen.
Sandy Flinto und Pierrick Grobéty sind während drei Jahren soganannte „Artistes-associés en résidence“ der Kufa. Den Lockdown haben sie in Südfrankreich verbracht. „Dort waren die Maßnahmen um einiges strenger als hier“, sagt Sandy Flinto. Überwältigt von der Aktualität, zu der sie in den ersten beiden Wochen keinerlei Abstand gewinnen konnten, war das Künstlerpaar blockiert. „Bis wir ein Zoom-Telefonat mit dem Team der Kufa hatten“, so Flinto. Der Vorschlag der Kufa, sich Zeit für die Entwicklung eines Projektes zu nehmen, inspiriert sie. Während sich Grobéty aktuell noch auf die Recherche konzentriert, arbeitet Flinto an einem szenischen Stück, in dem sowohl Tanz als auch Text vorkommt. „Es ist ein Märchen, das sich auf die Wissenschaft beruft“, verrät sie. Die Arbeit der „Artistes-associés“ wird in den kommenden Monaten in der Kufa zu sehen sein.
Tanzende Menschen
Weil die Räume der Kulturfabrik bis auf Weiteres leer bleiben, hat die Kulturinstitution die Gelegenheit genutzt, um Künstlerin Lynn Cosyn mit der Verschönerung der Wände in den WC-Räumen zu beauftragen. „Ich wurde bereits vor einem halben Jahr gefragt, ob ich mit der Kufa zusammenarbeiten will“, erzählt Cosyn. Damals war sie hochschwanger. Heute nimmt die junge Mutter ihr Baby einfach mit auf den Arbeitsplatz. Dank der Unterstützung des Kufa-Teams und deren Flexibilität sei das möglich. Gerade ist Lynn Cosyn dabei, das Damenklo künstlerisch aufzupeppen. „Die Illustration auf den Mauern besteht aus tanzenden Menschen. Sie sollen den Esprit der Kufa widerspiegeln“, sagt die Künstlerin.
Pim Knaff, Kulturschöffe der Stadt Esch, zeigte sich fasziniert von der Kreativität, mit der die Kufa auf die Krise reagiert. „Gleichzeitig bin ich aber auch nicht überrascht“, sagt er. Die Kulturfabrik habe es schon immer geschafft, innovativ zu sein. Bei der Gelegenheit bedankte Knaff sich bei dem scheidenden Direktor Serge Basso de March, der 18 Jahre lang an der Spitze der Kufa war. Dabei trug sie 2002, als Basso de March die Institution übernahm, noch den Namen „Schluechthaus“. Die Möglichkeiten, insbesondere finanzieller Natur, waren weit unter denen von heute. Die Kreativität und Hartnäckigkeit von Basso de March habe aus der Kulturfabrik das gemacht, was sie heute ist. „Er hat das Potenzial der Stadt als Ort der Schöpfung erkannt“, sagt Knaff, der auch den nahtlosen Übergang von einem Direktor zum nächsten lobte. Denn der neue Direktor René Penning sei ja im Grunde gar nicht so neu, brachte der Kulturschöffe die Anwesenden zum Lachen.
Weitere Projekte der Kufa
– Kappkino: Während des Lockdowns entschied die Kufa, ein „Kappkino Special Covid“ finanziell zu unterstützen. Das Projekt der Vereinigung Openscreen bietet eine Serie an Audiostücken für Erwachsene an, von denen das erste 2017 erschienen ist. Weil die Proben und die Premiere des neuen Stücks wegen der Krise abgesagt wurden, entstand das Special „Eng Geschicht ouni Baart“, das bisher nur im Radio 100,7 ausgestrahlt wurde.
– L’ar(t)naque – marché des créateurs: Am 11. Juli präsentiert die „Kufa Summer Bar“ die Kreationen einer Bande verrückt gewordener Künstler, die sich freuen, ihre Werkstätten zu verlassen und endlich wieder Menschen zu begegnen. An 15 Ständen werden unter anderem Kleider, Illustrationen, Siebdruck und Upcycling angeboten. Food Trucks und DJ-Sets sorgen für einen angenehmen Rahmen.
– Illustrationsprojekte: Der Kommunikationsdienst der Kufa will originelle und alternative Kommunikationsmittel entwickeln. Erste Projekte sind die Zusammenarbeit mit dem Künstler Val L’Enclume aus Metz, bei dem mehrere Illustrationen in Auftrag gegeben wurden, die per Siebdruck auf Sammlerstücke gedruckt werden sollen. Dann arbeitet die Kufa mit der luxemburgischen Künstlerin Julie Wagener zusammen, von der zehn Illustrationen auf den monatlichen Programmheften der Saison 2020/2021 zu sehen sein werden.
– Jo Malano im K116: Die Brasserie K116 im Innenhof der Kulturfabrik wird sich verändern. Die Küche soll vergrößert werden, die Bar bekommt einen neuen Platz und die Terrasse wird neu gemacht. In Zukunft plant die Brasserie einen durchgehenden Service vom Aperitif über ein gemeinsames Mittagessen bis hin zu einem langen Abend an der Bar. Der Boden der neuen Terrasse wird mit einem Kunstwerk von Jo Malano verziert.
- Erste Einblicke ins Escher „Bâtiment IV“, wo Cueva an seinem bisher größten Projekt mit 106 Künstlern arbeitet - 24. Oktober 2020.
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