Tourismus / Nach Flut und Corona kehrt im „Cigalon“ so etwas wie Normalität ein
Es gibt Hotels, die haben eine bewegte Geschichte. Das Cigalon im Müllerthal ist so eines. Fast genau zwei Jahre und zwei Monate nach der Flutkatastrophe und einer genauso langen Renovierung eröffnet es am 6. März wieder. Zehn Tage später müssen die Besitzer schließen – wegen Covid-19. Neu renoviert hat das Vier-Sterne-Etablissement trotzdem mittlerweile zur Normalität zurückgefunden.
An diesem Tag ist von dem, was hinter den Besitzern des Cigalon liegt, nichts zu spüren. Es herrscht reger Betrieb. Auf der Terrasse sitzen Gäste, im Restaurant drinnen schlemmen andere an den Resten des Desserts. Zwischendrin poliert Rita Stoque-Kunnert (60) hinter dem Buffet Gläser. Sie und ihr Mann Philippe betreiben das Hotel seit 1982.
Die zehn Zimmer und zwei Suiten sind ausgebucht. Und immer wieder meldet das Telefon neue Anfragen. Auf die in Jahrzehnten erworbene Stammkundschaft können die Stoques nicht zurückgreifen. Früher gehörten Belgier und Deutsche zur Stammklientel des Hauses. Als Luxemburg zum „Risikogebiet“ eingestuft wird, hagelt es Absagen der ausländischen Gäste. Einheimische füllen nun die Lücke.
Viele Luxemburger sind zu Gast
„Zurzeit kann ich morgens beim Frühstück ‚Moien’ sagen und nicht nur ‚Bonjour’ oder ‚Guten Tag’“, sagt Rita Stoque-Kunnert. Die vom Tourismusministerium ausgegebenen Vaucher und „Vakanz doheem“ machen sich bemerkbar. Am „Schéissendempel“, der am Weg zum Cigalon liegt, erkunden Familien mit Kindern, Wanderer oder Fahrradfahrer das Naturschauspiel. Es hat den Anschein, als hätten die Flut vor zwei Jahren und der Lockdown dieses Jahr der Idylle nichts anhaben können. Es wirkt, als sei dieser Sommer ein normaler – so wie jedes Jahr.
Jetzt finden neue Gäste den Weg ins Müllerthal, viele Luxemburger erkunden die Schönheiten des Landes und die Hotelbetreiber können sich eine neue Kundschaft aufbauen. Die vielen Monate, in denen sie und ihr Mann Philippe wegen der Renovierung Arbeitslosengeld erhalten, weil der Betrieb geschlossen war, scheinen wie weggewischt. Bei dem Gedanken an diese Zeit lächelt Rita Stoque-Kunnert und stellt fest: „Ich bin nahtlos vom Bauleiter in den Servicebetrieb gerutscht.“
Ständig kontrolliert sie mit Blickkontakt, ob alle Gäste zufrieden sind. Mehr als vier Jahrzehnte Gastronomie haben Spuren hinterlassen. So sollte es eigentlich nicht mehr sein. Vor der Flut sehen die Pläne des Ehepaars ganz anders aus. Die Nacht vom 30. Mai auf den 1. Juni 2018 krempelt alles um. Nachts um Viertel nach eins kommt die Flutwelle und zerstört das Erdgeschoss des Gebäudes. Heute erinnert eine Messingstange vor der Bar in etwas mehr als einem Meter Höhe an den Stand des Wassers damals.
Flut macht Pläne der Betreiber zunichte
Am nächsten Tag sollte ein Interessent kommen. Das Ehepaar Stoque will sich zur Ruhe setzen. Daraus wird nichts. Die nach stundenlangem Starkregen angeschwollenen Kasselbach und Waldbilliger Bach schwemmen Pläne wie diese buchstäblich weg. Damals waren sie verzweifelt. Das Ehepaar Stoque steht am nächsten Morgen vor völlig zerstörten Gasträumen, Restaurant, Küche und Rezeption inbegriffen.
Die anschließende Solidarität ist groß. Armee und Freiwillige helfen nicht nur im Cigalon bei der Beseitigung der Flutschäden. Andere Betriebe sind ebenfalls mehr oder weniger stark betroffen. Die Regierung unterstützt die Opfer mit finanziellen Beihilfen beim Wiederaufbau. Heute ist das Cigalon ein völlig neu renovierter Vier-Sterne-Betrieb. „Es ist schön geworden, oder?“, sagt Rita Stoque und macht eine ausladende Handbewegung.
Das neue, moderne Ambiente entschädigt für vieles. Wahrscheinlich deshalb nimmt sie die zweieinhalb Monate des Lockdowns und der erneuten Schließung des Betriebes quasi als „Kleinigkeit“. Unangenehm, aber im Vergleich zu dem, was davor passiert ist, „negligeable“. Die zweite Wiedereröffnung des Betriebes Anfang Juni ist die weitaus größere Herausforderung.
Dank „Vakanz doheem“ gute Auslastung
„Das war überfallartig“, sagt Stoque, „seit der Ankündigung durch die Regierung hatten wir nur drei Tage Zeit, uns darauf vorzubereiten“. In dieser Zeit muss sie ihre Angestellten aus dem „chômage partiel“ zurückrufen, die Speisekarte neu konzipieren und Lebensmittel bestellen. Das Hotel öffnet erst eine Woche später. „Beides gleichzeitig hätten wir nicht geschafft“, sagt sie.
Es ist alles gut gegangen. Bis Ende September hat sie Reservierungen, die Buchungslage sei „gut“, heißt es. Damit geht es dem Touristenhotel wesentlich besser als den Hotels im Zentrum des Landes, die sich auf Geschäftskunden spezialisiert haben. 65 Prozent dieser Reisen entfallen derzeit und der Hotel- und Gaststättenverband Horesca bezifferte jüngst deren Belegungsrate mit gerade mal noch zwischen 20 und 25 Prozent. Auch an Aufhören ist überhaupt nicht zu denken. „Der Staat hat uns geholfen, jetzt werden wir das Hotel weiterbetreiben“, sagt Rita Stoque. So, wie sie das sagt, hört es sich nach all den Querelen optimistisch und zufrieden an.
Le Cigalon
Hotel-Restaurant, 1, rue de l’Ernz Noire, L-6245 Müllerthal, Tel.: 00352-799495, www.lecigalon.lu
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Ja man hört die Zikaden die ganze Nacht!