Serbien / Nach Lithium-Abkommen regt sich harte Kritik an der EU
Die von Serbiens Regierung kontrollierte Boulevardpresse jubiliert. Unabhängige Medien, Analysten und Umweltschützer sind über das Lithium-Abkommen mit der EU entsetzt: Sie werfen Berlin und Brüssel vor, das Land in eine Rohstoffkolonie der EU verwandeln zu wollen.
Die Blitzbesucher aus Berlin und Brüssel sind aus Serbiens Hauptstadt längst wieder abgereist. Aber dennoch hat die vom deutschen Kanzler Olaf Scholz flankierte Unterzeichnung des Lithium-Abkommens mit der EU im Balkanstaat heftigen Medienwirbel ausgelöst.
Die von der Regierung kontrollierte Boulevardpresse jubiliert. Unabhängige Medien sind ebenso wie Umweltschützer, Wissenschaftler und Oppositionelle entsetzt: Sie werfen Berlin und Brüssel vor, das Land trotz großer Widerstände der Bevölkerung zur Rohstoffkolonie des Westens verwandeln zu wollen.
„Mit Lithium springt Serbien in die Zukunft!“ titelte am Wochenende begeistert der regierungsnahe Srpski Telegraf nach der Absegnung des Memorandums zur Förderung der von der EU-Autoindustrie für die Produktion von elektronischen Fahrzeugen begehrten Lithium-Ressourcen des Landes. „Das Jadar-Bergwerk wird Serbien Milliarden bringen“, frohlockte der „Informer“.
Stattdessen sollen wir an einen Staat glauben, dessen Institutionen nicht funktionieren, in dem Wahlen verfälscht werden, Inspektoren nicht bestehen und die Richter ihrer Aufgabe nicht nachkommenCo-Vorsitzende der „Grünlinken Front“
Andere sehen das anders. „Sie verwandeln Serbien in eine Bergbaukolonie“, titelte ergrimmt die Zeitung Nova: Während Scholz für die Industrie seines Landes die Rohstoffe absichere, sei Serbiens Präsident Aleksandar Vucic „bereit, für seinen Machterhalt einen Teil des Landes zu verseuchen“.
Der Besuch von Scholz sei „kein Zeichen der Wertschätzung, sondern der Todeskuss für Serbien“, zitiert die Zeitung Danas auf ihrer Titelseite den Oppositionspolitiker Vladeta Jankovic. Dieser erinnert daran, dass sich in Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung gegen den Lithium-Abbau ausgesprochen habe: „Die reichen Länder können es sich erlauben, die eigenen Ressourcen zu schonen und ihrer Bevölkerung Elektroautos zu spendieren, während sie den Ärmeren den schmutzigen Teil der Arbeit überlassen.“
Möglicherweise EU-Standards nicht eingehalten
Es ist weniger die Frage, wer in dem tiefkorrupten Land von den verheißenen Milliarden profitieren dürfte, als die Sorge um die Grundwasserreserven, die Umweltschützer seit Jahren Sturm gegen das kontroverse Projekt laufen lässt. Schon jetzt gebe es auf 40 Prozent des serbischen Territoriums Probleme mit der Wasserversorgung, so der Umweltaktivist Aleksandar Andjelkovic: „Der Abbau von Lithium würde diese zusätzlich gefährden.“
Scholz habe in Belgrad „keinerlei konkrete Garantien“ zu der von ihm gelobten Einhaltung ökologischer EU-Standards „in einem fremden Land“ gegeben, klagt Radomir Lazovic, der Co-Vorsitzende der „Grünlinken Front“: „Stattdessen sollen wir an einen Staat glauben, dessen Institutionen nicht funktionieren, in dem Wahlen verfälscht werden, Inspektoren nicht bestehen und die Richter ihrer Aufgabe nicht nachkommen.“
Die EU und Deutschland hätten die Demokratie, den Rechtsstaat und die EU-Perspektiven für den Westbalkan „für Lithium eingetauscht“, wirft auch der Grazer Politologie-Professor Florian Bieber Berlin und Brüssel vor. In Serbien gebe es keine unabhängigen Institutionen und „keine Garantie“, dass bei dem Bergbauprojekt heimische oder gar EU-Standards eingehalten würden. Den ersten Vorstoß für das Bergwerk hätten 2021 „massive Proteste gestoppt“: „Nach den Wahlfälschungen und der Verschlechterung der rechtsstaatlichen Verhältnisse unterstützen die EU und Deutschland nun offen das Projekt.“
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