Findel / Nach tödlichem Unfall: Opfer war obdachlos und nutzte die Winteraktion
Zwei Wochen ist es her, dass ein Fußgänger in Findel von einem Auto erfasst wurde und dabei ums Leben kam. Nun ist klar: Der Mann hatte keine feste Unterkunft und übernachtete in der „Wanteraktioun“ (WAK) – die sich nicht weit von dem Unfallort entfernt befindet.
Ein später Morgen an einem Wochentag an der rue de Trèves in Findel. Autos rauschen auf der viel befahrenen Straße an der Bushaltestelle „Gréiwelscheierhaff“ vorbei. Eine Fußgängerin wartet am Zebrastreifen und scheint für einige eher Grund dafür zu sein, das Gaspedal zu betätigen, statt auf die Bremse zu treten. Vor genau zwei Wochen wurde bei diesem Fußgängerüberweg ein Mann von einem Fahrzeug erfasst. Er erlag seinen schweren Verletzungen. Der 51-Jährige war ein Nutzer der „Wanteraktioun“ (WAK), wie die gemeinnützige Vereinigung „Dräieck“ sowie das Ministerium für Familie, Solidarität, Zusammenleben und Unterbringung von Flüchtlingen auf Nachfrage bestätigen.
Die Räumlichkeiten der WAK unter der Nummer 12A Beim Haff befinden sich rund 750 Meter von dem Ort des Unfalls entfernt, der sich gegen 19 Uhr ereignete – also zu dem Zeitpunkt, zu dem abends die Türen des sogenannten „Foyer de nuit“ für Übernachtungen öffnen. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass die Person sich zum Gelände der Winteraktion begeben wollte, aber wir können bestätigen, dass sie alle nötigen Kriterien erfüllte, um dort untergebracht zu werden“, teilt die Direktionsbeauftragte von „Dräieck“, Faiane Nascimento, auf Nachfrage mit.
Es passierte einerseits wahrscheinlich, weil es dort gefährlich ist. Aber auch, weil er nicht gut sah.Bekannter des Verstorbenen
Auch Victor Gengler weiß, dass der Mann in der Winteraktion übernachtete. Gengler lernte ihn über einen Freund kennen, bei dem das spätere Unfallopfer für eine Zeit lang unterkam. „Der Mann malte gerne, wir spielten zusammen Schach und redeten viel. Er war aus Andalusien und kam nach Luxemburg, um hier Arbeit zu finden.“ Wegen der Sprachbarriere klappte das aber nicht, erzählt der 23-Jährige. Über den Unfall will Victor Gengler nicht spekulieren, sagt aber: „Es passierte einerseits wahrscheinlich, weil es dort gefährlich ist. Aber auch, weil er nicht gut sah.“
Mann mit Augenproblemen
Victor Gengler berichtet, dass seine Mutter Augenärztin ist und in den vergangenen Wochen feststellte, dass das Sehvermögen des Mannes stark beeinträchtigt war. Mit einer Art Lupe konnte sie ihm aber helfen. Gengler erzählt auch, dass der 51 Jahre alte Mann viel Alkohol trank. „Mir tut es leid, dass wir uns erst in seinen letzten Wochen kennengelernt haben, denn wir waren dabei, ihm zu helfen. Aus dem Nichts heraus passierte dann dieser Unfall“, so Gengler.
Auch bei „Stëmm vun der Strooss“ war das Unfallopfer bekannt. „Er wurde ‚der Künstler‘ genannt, weil er gerne malte. Seit Oktober 2021 kam er regelmäßig zum Essen zu uns und war sehr nett“, erzählt Alexandra Oxacelay, Direktionsbeauftragte der „Stëmm“. Auch sie bestätigt, dass er in der WAK schlief, und stellt fest: „Zum Teil muss man dort über nicht beleuchtete Trampelpfade gehen oder es fehlen die Bürgersteige. Bei Dunkelheit ist das gefährlich.“
Der Besuch vor Ort zeigt, dass es in der Nähe der Bushaltestelle „Gréiwelscheierhaff“ in der rue de Trèves – wo der Unfall passierte – zwar Straßenleuchten gibt, allerdings keine Ampeln oder Schikanen, die Verkehrsteilnehmende zum Abbremsen bringen könnten. Allgemein meint Alexandra Oxacelay: „Orte, an denen sich Leute mit Abhängigkeitsproblemen aufhalten, müssen abgesichert sein – ähnlich wie bei Schulen. Weil sie manchmal einfach nicht dazu in der Lage sind, auf sich aufzupassen.“
Dauerhafte Lösung in Arbeit
Bei der Gemeinde Sandweiler – über deren Gebiet die rue de Trèves mit dem besagten Zebrastreifen verläuft – war der Unfall sowie die Verkehrssicherheit an diesem Ort bislang kein Thema. Das zeigt die Nachfrage bei Bürgermeisterin Jacqueline Breuer (LSAP). „Die Gemeinde hat zu dem Geschehen keine Informationen erhalten und ich kam bisher auch nicht dazu, selbst nachzufragen. Da es sich um eine Nationalstraße handelt, ist das auch nicht unser Kompetenzbereich“, so die Bürgermeisterin.
Innerhalb von Orten sind die Gemeinden für Zebrastreifen verantwortlich, außerorts die Straßenbauverwaltung – wie Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) im Dezember in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erklärte. In Bezug auf die rue de Trèves heißt es am Montag vom Ministerium, dass „schnell Maßnahmen ergriffen wurden, um das Erkennen des Zebrastreifens durch eine provisorische Lösung zu verbessern“. Konkret soll es sich dabei um Verbesserungen bei der Beschilderung handeln. Weiter wird versichert, dass an einer dauerhaften Lösung gearbeitet wird.
Dabei geht es nicht nur um den Zebrastreifen, an dem nun ein Mann starb. Denn dieser Weg – über den man die WAK sozusagen von hinten über die verlassene „Cité de l’Aéroport“ erreicht – ist laut einem ehemaligen Mitarbeiter der Winteraktion „noch relativ sicher“. Er arbeitete vor einigen Jahren in Findel und erzählt: „An der Hauptstraße, der rue de Neudorf, gibt es keine Fußgängerwege und ich habe mich schon damals gefragt, wie die Leute über diesen Weg hinkommen sollen. Meiner Meinung nach müsste man auch schauen, dass diese Straße besser beleuchtet wird.“
Fehlende Bürgersteige
Viel getan hat sich seitdem offenbar nicht. Denn an der viel befahrenen rue de Neudorf vor dem Haupteingang der WAK gibt es immer noch keine Bürgersteige und Straßenbeleuchtung. Lediglich zwei Warnschilder mit Baustellenleuchte warnen in beiden Richtungen davor, dass dort Fußgängerinnen und Fußgänger unterwegs sein können. Eine kurzfristige Nachfrage bei der Gemeinde Niederanven – über deren Gebiet die rue de Neudorf neben dem der Gemeinde Sandweiler außerdem führt – konnte am Montag nicht beantwortet werden.
„Die Straßenbauverwaltung wird zeitnah Betreiber treffen, um über die Situation zu diskutieren und eventuell nötige Anpassungen vorzunehmen“, heißt es vom Mobilitätsministerium zur Verkehrssicherheit auf den Wegen rund um die Winteraktion. „Dräieck“ teilt indes mit, dass gemeinsam mit den verschiedenen Partnern alles dafür gemacht werde, um solche Unfälle zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehören laut der Direktionsbeauftragten, Faiane Nascimento, unter anderem ein täglicher Shuttleservice, ein regelmäßiger Austausch mit der Polizei sowie dem Mobilitätsministerium und die Installation von Straßenschildern.
Das Familienministerium – das die WAK mit „Dräieck“ zusammen organisiert – will sich übrigens nicht zur Verkehrssicherheit rund um die Räumlichkeiten äußern und verweist auf das Mobilitätsministerium. Die Staatsanwaltschaft hat indes die Kriminalpolizei mit den Ermittlungen zu dem Geschehen beauftragt. Da diese noch laufen, gibt die Polizei dazu keinen Kommentar ab.
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