EU-Gipfel / Nach Veto von Orban: Sondergipfel soll Finanzhilfe an Kiew klären
Eine der wichtigsten Entscheidungen des am Freitag zu Ende gegangenen EU-Gipfeltreffens wurde auf das kommende Jahr vertagt: die Revision des mehrjährigen EU-Haushaltsplanes und, damit verbunden, die Finanzhilfe für die Ukraine. 26 EU-Staaten wollten vorankommen, einer blockierte.
Nachdem sich die 27 EU-Staaten überraschend am Donnerstagabend für die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldawien entschieden hatten, versuchten sie ebenfalls die Differenzen über eine Revision des mehrjährigen EU-Haushaltsplanes zu überwinden. Allerdings erfolglos. Gegen halb drei Uhr in der Nacht musste EU-Ratspräsident Charles Michel feststellen, dass der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf seiner Weigerung beharrte, der kriegsgeschundenen Ukraine in den kommenden vier Jahren mit einer Finanzhilfe in Höhe von 50 Milliarden Euro beizustehen. Alle anderen 26 EU-Staats- und Regierungschef hatten bereits zugestimmt.
Zwar hatte der Ungar vor dem Gipfeltreffen auch angekündigt, ebenfalls seine Zustimmung für die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Ukraine zu verweigern. Doch dies konnte mit einem Verfahrenstrick umgangen werden, dem auch Orban zustimmte, indem dieser den Sitzungssaal während der Beschlussfassung verließ. Ein Veto hat er damit nicht eingelegt, er ließ zu, dass die Entscheidung getroffen wurde.
De Croo: Orban soll „den Mund halten“
„Die Entscheidung bindet alle 27 Staaten“, betonte gestern der belgische Premierminister Alexander de Croo, der in rund zwei Wochen den EU-Ratsvorsitz von Spanien übernimmt. So sieht es auch der luxemburgische Premierminister. Für ihn sei das eine einstimmige Entscheidung, auch wenn eine Person nicht im Saal gewesen sei, so Luc Frieden. Nachher dann doch hinzuzukommen, um zu erklären, dass man anderer Meinung sei, so wie es Viktor Orban gleich im Anschluss an die Bekanntgabe über die Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche getan hat, fand der belgische Regierungschef dann wiederum nicht so gut. Und empfahl dem Ungarn, dann doch lieber „den Mund zu halten“.
Orban schien in dieser Frage schlussendlich doch nicht definitiv im Wege stehen zu wollen. Anders verhielt er sich in der Frage zur Finanzhilfe für die Ukraine. Hier blieb er stur und legte sein Veto ein. Allerdings führt in diesem Punkt ein Weg an Ungarn vorbei. Das hatte Orban bereits am Donnerstag angedeutet, als er vor dem Gipfeltreffen meinte, die Finanzhilfe für die Ukraine könne auch außerhalb des EU-Budgets erfolgen. Diese Möglichkeit wurde offensichtlich auch erwogen. Doch wollten die anderen 26 EU-Staaten darauf vorerst nicht eingehen. Nicht nur ist die Bereitstellung von 50 Milliarden Euro abseits des EU-Haushalts weitaus aufwändiger. Die EU hat zudem dann keine effektive Kontrolle über die Verwendung der Gelder, wie uns aus diplomatischen Kreisen in Brüssel erklärt wurde.
Nun soll bei einem Sondergipfel, der laut Charles Michel „Ende Januar, Anfang Februar“ stattfinden soll, eine Einigung herbeigeführt werden. Es habe so geschienen, „als sei das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte Luc Frieden, der meinte, Orban könnte die Feiertage dazu nutzen, sich anders zu besinnen.
Der Ukraine dürfte in den kommenden Tagen auch noch nicht das Geld ausgehen. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, werde ihre Behörde Kiew in den kommenden Tagen 1,5 Milliarden Euro auszahlen. Das ist die letzte Tranche eines 18 Milliarden Euro schweren Hilfspaketes, das die 27 der Ukraine in diesem Jahr bereitgestellt haben. Dieses Geld werde reichen, damit die Ukraine die erste Zeit im neuen Jahr übersteht, so von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin wie auch Charles Michel betonten jedoch, dass die EU ihr an Kiew gemachtes Versprechen, das Land weiterhin finanziell zu unterstützen, wahrmachen werde. Die Kommission werde den 27 dazu vorerst einen neuen Vorschlag vorlegen. Ursula von der Leyen machte allerdings auch deutlich, dass an einer Alternative gearbeitet werde, wenn es auch beim Sondergipfel nicht zu einem einstimmigen Beschluss in dieser Frage kommen werde. Auch der EU-Ratspräsident versicherte, dass die EU über verschiedene Instrumente verfüge, „um unsere Versprechen einzuhalten“.
Keine Erklärung zu Krieg in Nahost
Luc Frieden erklärte, dass die Revision des mehrjährigen EU-Haushaltsplanes teils durch Umschichtungen im Budget selbst, teils über die Bereitstellung neuer Gelder durch die EU-Mitgliedstaaten erfolgen würde. Für Luxemburg würde das bedeuten, dass in den kommenden vier Jahren jährlich etwa 20 Millionen Euro zusätzlich nach Brüssel überwiesen werden müssten.
Weniger im Fokus standen andere Themen, mit denen sich die 27 beschäftigten. Allen voran der Krieg im Gazastreifen. „Kompliziertes Thema, dramatische Situation“, meinte Luc Frieden knapp und hielt fest, dass es keine neue Position der EU-Staaten dazu gegeben habe. Daher hätte es auch keinen Sinn gehabt, dazu etwas in der Schlusserklärung des Gipfels festzuhalten. Allerdings dürfte dies auch daran gelegen haben, dass einige EU-Staaten nur eine Feuerpause im Gazakrieg befürworten wollten, während andere Gipfelteilnehmer eine Waffenruhe forderten, wie Charles Michel erklärte. Beide Positionen hätten nicht in einem gemeinsamen Text vereint werden können.
Kreml lobt Orban
Russland hat die Blockade neuer EU-Hilfen für die Ukraine durch Ungarns Regierungschef Viktor Orban begrüßt und die Entscheidung für EU-Beitrittsverhandlungen mit Kiew kritisiert. „Ungarn ist ein souveränes Land. Es hat seine eigenen Interessen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag. „Und im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern verteidigt Ungarn seine Interessen entschlossen, was uns beeindruckt.“ Orban ist der einzige EU-Regierungschef, der ungeachtet der russischen Offensive in der Ukraine enge Beziehungen zum Kreml unterhält.
Der Kreml-Sprecher warnte am Freitag, dass eine Aufnahme der Ukraine und Moldaus die EU „destabilisieren“ könnte, da diese Länder hierfür „nicht die Kriterien erfüllen“. Peskow sprach von einer „rein politischen Entscheidung“, mit der die EU diesen Ländern ihre Unterstützung zeigen wolle. (AFP)
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