Interview / Nachfrage ist groß, die Produktion nicht: Luxemburg soll mehr Obst anbauen
Luxemburg produziert beim Gemüse nur fünf bis sechs Prozent des Eigenverbrauchs – beim Obst sind es sogar nur zwei bis drei Prozent. Das geht anders, meint der „Lëtzebuerger Landesuebstbauveräin“ und hat sich beim Obst als Ziel gesetzt, bis 2035 auf einen Selbstversorgungsgrad von 25 Prozent zu kommen. Das Tageblatt hat mit dem Präsidenten des Verbandes, Jean-Claude Muller, über die Herausforderungen des Obstanbaus in Luxemburg gesprochen.
Tageblatt: Herr Muller, zurzeit hat Luxemburg beim Obst einen Selbstversorgungsgrad von 2 bis 3 Prozent. Der „Lëtzebuerger Landesuebstbauveräin“ hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 auf 25 Prozent zu kommen. Das ist schon sehr ehrgeizig.
Jean-Claude Muller: Wenn man sich keine ehrgeizigen Ziele setzt, dann erreicht man sie auch nicht. Das war von meiner Seite auch einfach ein Weckruf an die Politik, um zu sagen: „Komm, wir machen etwas“. Was grotesk in Luxemburg ist: Die Nachfrage nach nationaler Ware ist da. Das ist nicht das Problem. Normalerweise ist es umgekehrt: Die Produzenten sind da, aber nicht immer jemand, der die Ware abnehmen will. In dieser Hinsicht hat die Politik ihre Hausaufgaben also erledigt, weil sie das Bedürfnis nach lokalen Produkten teilweise gefördert hat. Im Herbst läuft ein Pilotprojekt an, bei dem sich die Produzenten mit Restopolis zusammensetzen können, um ihre Produkte an große Küchen zu liefern. Die Nachfrage ist da, aber wir müssen die Produktion steigern.
Und wie macht man das?
Haff Muller Lemmer
Jean-Claude Muller und seine Frau Annick Lemmer führen den Betrieb „an Éim Néckels“ in der sechsten Generation. Die Schwerpunkte liegen nicht mehr wie ursprünglich auf der Milchwirtschaft, sondern auf dem Anbau von Obst, Gemüse und Kartoffeln sowie Getreide und natürlich der Brennerei. Der Hof baut Zwetschgen, Kirschen, Mirabellen, Erdbeeren, Äpfel, Birnen, Quitten und verschiedenes Gemüse an. Das Familienunternehmen zählt zehn Mitarbeiter, bewirtschaftet rund 20 Hektar Gemüse und zehn Hektar Obst.
Das Erste: Wir benötigen Wasser. Eine Obstproduktion – vor allem bei Beeren – benötigt unbedingt Wasser. Dieses Problem müssen wir zuerst lösen. Wir wollen natürlich keine spanischen Verhältnisse. Sie haben es zu bunt getrieben – man merkt heute schon, dass Spanien kein Wasser mehr hat. Wir sind dabei, mit dem Umweltministerium ein Projekt zu entwickeln, bei dem es darum geht, das Regenwasser der Conterner Industriezone im Winter aufzufangen, zu lagern und im Sommer zu benutzen. Der Plan ist, ein Becken von etwa 80.000 Kubikmetern im Boden zu installieren. Wir haben einen Platz dafür gefunden, der ein natürliches Gefälle hat, wodurch die Natur nicht zu stark gestört werden würde.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium?
Die neue Umweltministerin, die nun seit anderthalb Jahren im Amt ist, ist viel offener und rationaler. Man kann mit ihr diskutieren – es ist bei weitem nicht mehr so ideologisch, wie es vorher war.
Was muss sonst noch getan werden, um die Produktion zu steigern?
Die Verfügbarkeit von Land spielt noch eine Rolle. Man kann nicht überall im Land Obst anbauen. Im Ösling ist es wegen der Höhenlage über 400 Meter relativ schwierig. Im Osten des Landes – also im Halbkreis Echternach, Luxemburg-Stadt bis Schengen – wird es wegen des Klimawandels immer trockener. Dadurch ist es dort nicht immer kompetitiv, Getreide oder Mais anzubauen. Wenn man dort die nötige Bewässerung hätte, dann könnte der Obstanbau eine Alternative sein.
Haben wir denn überhaupt die Anbaufläche, um die 25 Prozent Selbstversorgung zu erreichen?
Das ist kein Problem. Beziehungsweise: Da scheiden sich die Geister. Es ist wie der Weinanbau eine intensive Kultur. Aber es gibt sehr viele ausländische Studien, die zeigen, dass bei einer Anlage wie meiner Zwetschgenplantage sehr viel Flora und Fauna existiert. Die Bäume stehen sehr lange dort – in dem Sinne ist es auch ein Mehrwert.
Welches Obst wird in Luxemburg angepflanzt?
In Luxemburg werden auf gut 50 Hektar Äpfel produziert. Als Nächstes kommen die Birnen auf knapp zehn Hektar, dann die Zwetschgen und Mirabellen auf jeweils fünf Hektar und die Kirschen auf drei Hektar. Die Erdbeeren variieren pro Jahr. Himbeeren haben wir fast nicht und Johannisbeeren nur wenig. Das betrifft alles nur das Tafelobst – es gibt natürlich auch noch Obst, das für Spirituosen oder Saft angebaut wird.
Wenn man also 25 Prozent des gesamten Luxemburger Obstkonsums abdecken will, dann muss man auch andere Obstsorten abdecken …
Ganz klar. Bananen und Zitrusfrüchte werden in Luxemburg am meisten gegessen. Danach kommt der Apfel.
Aber wir können keine Bananen oder Zitrusfrüchte bei uns anbauen.
Das ist klar. Deswegen müssen wir bei den Produktionslinien, die hier angepflanzt werden können, auf 100 Prozent kommen. Das wäre das Ziel. Aber dafür sind die politischen Gegebenheiten und der Wille der Produzenten wichtig.
Wie steht es denn um den Willen der Produzenten?
Es gibt sicherlich Produzenten, die bereit sind, weiter zu investieren und zu wachsen. Doch bei sehr vielen steht ein Generationswechsel bevor. Ich sehe in dieser Hinsicht auch eine Chance. Weil wenn der Nachwuchs das übernehmen will, dann wird er das wahrscheinlich „richtig“ lernen. So wie im Weinbau, wo die jungen Winzer mittlerweile sehr gut ausgebildet sind. Das haben wir aktuell nicht im Obstbau.
Sind denn auch andere Bauern bereit, auf den Obstanbau umzusteigen?
Viele Bauern sind konservativer. Ein klassischer Milchbauer, der das schon seit Generationen macht, wird nicht so schnell umsteigen. Dann muss man sich fragen, welche Voraussetzungen muss ich schaffen, damit diese Bauern auf die Obstproduktion umsteigen? Ich kenne einen Bauern, der in Äpfel investieren will. Der Wille ist also teilweise da, aber die Angst ist groß. Wenn man von Baumobst spricht, da investiert man am Anfang in seine erste Ernte. Der Return on Investment ist lang. Und mit den heutigen Zinsen ist das umso mehr ein Problem.
Wie hat die Inflation den Obstanbau beeinflusst?
Die höheren Zinsen sind natürlich nicht einfach für den Sektor. Der größte Kostenfaktor bei einem Betrieb sind die Personalkosten. Die Löhne sind in den vergangenen zwei Jahren um knapp 15 Prozent gestiegen. Das hat einen riesigen Impakt auf die Betriebe. Die Lohnkosten machen beim Obst- und Gemüseanbau zwischen 30 und 40 Prozent der Unkosten aus. Das ist viel.
Was müsste denn die Politik tun, um den Obstanbau zu fördern?
Der Staat könnte einen Teil der Zinsen zum Beispiel übernehmen. Und wir benötigen Beratung, vor allem neue Betriebe. Doch die Politik hat, auf Drängen des Obstbauverbandes, zum Teil schon ihre Hausaufgaben erledigt: Pro Hektar Obst oder Gemüse gibt es mit dem neuen Agrargesetz eine Prämie. Und wenn man in den Gemüse- und Obstanbau investieren will, bekommt man mehr Prozent bezuschusst. Mit dem neuen Agrargesetz hat die Politik schon etwas gemacht. Was allerdings weniger gut ist, ist die Regelung des „aktiven Landwirts“. Dadurch wird es schwieriger, Seiteneinsteiger in den Sektor zu bekommen.
Grundsätzlich geht es politisch also in die richtige Richtung?
Ja, aber es reicht noch nicht für den großen Wurf. Die staatlichen Instanzen müssen die Menschen motivieren, in diesen Sektor zu investieren. In unseren Verwaltungen liegt das Hauptaugenmerk allerdings noch immer auf Milch und Fleisch. Das ändert sich vielleicht mit der Zeit – auch weil die Essensgewohnheiten sich mit der Zeit verändern. Man merkt, dass verschiedene Menschen mehr Obst und Gemüse essen – natürlich ohne Fleisch komplett zu verschmähen. Die Frage ist ja: Wie sieht unsere Ernährung 2035 aus? Geht sie nicht vielleicht in Richtung weniger tierische und mehr pflanzliche Fette? Ich denke, die Tendenz geht in diese Richtung. Aber dann müsste man auch die Weichen stellen, um die Landwirtschaft in diese Richtung zu bewegen. Das Problem ist allerdings auch, dass das Landwirtschaftsministerium nicht viel Spielraum hat – es gilt, Vorgaben aus Brüssel und auch vom Umweltministerium Rechnung zu tragen.
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Achtung, die grünen Ideologen werden behaupten , dass Obstanbau nicht ecologisch ist !
Lieber Lebensmittel aus dem Ausland importieren um mit diesen Länder Handel zu betreiben mit dem Wissen dass Produkte importiert werden die durch verbotene Chemikalien und/oder Kinderarbeit hergestellt sind. Die eigene Produktion im Lande kann ja zu Grunde gehen