Zivilgesellschaft / Nachhaltigkeit und Menschenrechte in der Wirtschaftspolitik: Zeit, Verantwortung zu übernehmen
Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenrechte sollen in der Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle einnehmen. Das forderten am Freitag die Vertreter des „Cercle de coopération des ONGD“, der Arbeitsgruppe „Finance durable“ und der „Initiative pour un devoir de vigilance“ auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Als die CSV und die DP ihre Koalitionsverhandlungen aufnahmen, haben sie versucht, sich als gute Zuhörer zu präsentieren. Neben den Sozialpartnern wurden auch Umweltverbände ins Senninger Schloss eingeladen, ebenso die Caritas und das Rote Kreuz. Andere Vertreter der Zivilgesellschaft haben ebenfalls um eine Anhörung gebeten, erhielten allerdings keine Antwort. So wie zum Beispiel der „Cercle de coopération des ONGD“, die Arbeitsgruppe „Finance durable“ und die „Initiative pour un devoir de vigilance“.
Mitspracherecht der Zivilgesellschaft
Ihre Vertreter fordern beim Ausarbeiten des Koalitionsvertrages die Berücksichtigung der Themen Umweltschutz, Klima und Menschenrechte, damit unser Wirtschaftssystem wirklich nachhaltig werden kann. Die Forderungen der Vertreter der Zivilgesellschaft lassen sich auf zwei Punkte reduzieren:
– den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und die Rechenschaftspflicht des Finanzsektors in Bezug auf die Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Schutz des Klimas, der Biodiversität und der Umwelt
– sowie Mechanismen zur Gewährleistung einer Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung und zur Berücksichtigung und Abmilderung der negativen Auswirkungen der Wirtschafts- und Handelspolitik Luxemburgs auf globaler Ebene.
„Es ist an der Zeit, dass Luxemburg seine Verantwortung übernimmt“, sagt Jean-Louis Zeien von der „Initiative pour un devoir de vigilance“. Im Wahlkampf und zu Beginn der Koalitionsverhandlungen hätten vor allem nationale Themen im Vordergrund gestanden. Die luxemburgische Wirtschaft würde allerdings sehr von der Globalisierung profitieren, sodass das Land die globalen Probleme nicht ausblenden könne und auch hier eine große Verantwortung trage. „Deswegen reicht es nicht aus, dass die zukünftigen Koalitionspartner die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes mit Patronatsverbänden besprechen. Hier hat die Zivilgesellschaft ein Mitspracherecht“, so Zeien.
Green- und Socialwashing
Er spricht das rezente Minenunglück in Kasachstan an. Dort waren bei einem Brand mindestens 42 Arbeiter ums Leben gekommen. Die Mine gehört dem in Luxemburg ansässigen Stahlriesen ArcelorMittal. Hier könne man doch nicht so tun, als würde uns das nichts angehen. Für Zeien führt kein Weg an einer nationalen Gesetzgebung vorbei, wenn es um die Sorgfaltspflicht der Unternehmen geht. Der Staat, Unternehmen mit staatlicher Beteiligung und staatliche Stellen müssten bei ihren eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten die Einhaltung der UN- und OECD-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vollständig und unverzüglich gewährleisten. Momentan habe man auf nationaler Ebene kein Instrument, was dies garantieren würde. Der Nationale Pakt (LuxPCN) sei in seiner aktuellen Fassung nichts weiter als ein „Green- und Socialwashing“-Produkt.
Die Zeit der Sonntagsreden ist nun vorbei. Die zukünftige Regierung muss jetzt handeln.„Initiative pour un devoir de vigilance“
Die Vertreter des „Cercle de coopération des ONGD“, der Arbeitsgruppe „Finance durable“ und der „Initiative pour un devoir de vigilance“ bemängeln die Inkohärenz in der Politik, wenn es um Themen wie Umweltschutz, Biodiversität oder Menschenrechte geht. Ein gutes Beispiel sei dabei der Finanzsektor. Es könne nicht sein, dass eine Regierung immer wieder erklärt, wie wichtig ein nachhaltiger Finanzplatz sei, und sich gleichzeitig, auf EU-Ebene, dafür einsetzt, dass die Fonds aus der aktuellen EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit ausgeklammert werden sollen.
Im Vorfeld der Nationalwahlen hatte die „Initiative pour un devoir de vigilance“ einen Fragebogen an die Spitzenkandidaten geschickt. Dort hatte sich der jetzige Formateur Luc Frieden (CSV) für eine Miteinbeziehung des Finanzsektors sowie der Investmentfonds in die EU-Richtlinie ausgesprochen, auch wenn er betonte, dass die Besonderheiten des Sektors berücksichtigt werden müssten. Für Zeien ist jedenfalls klar: „Die Zeit der Sonntagsreden ist nun vorbei. Die zukünftige Regierung muss jetzt handeln.“
Freiwillige Maßnahmen allein würden jedenfalls nicht ausreichen, damit der Respekt der Menschenrechte und der Schutz der Umwelt und der Biodiversität unsere Wirtschaft prägen. Dass die Themen Umwelt- und Klimaschutz trotz der Wahlniederlage der Grünen für die Einwohner Luxemburgs immer noch eine wichtige Rolle spielen, hatte zuletzt eine Umfrage des „Mouvement écologique“ gezeigt. Demnach ist eine breite Mehrheit der Befragten dafür, dass dem Klimaschutz sowie dem Schutz der Biodiversität in der Öffentlichkeit mehr Bedeutung beigemessen wird.
Die Forderungen
– Gewährleistung einer echten Übereinstimmung und Kohärenz auf der Ebene der nationalen Gesetze und der Stellungnahmen der Regierung auf EU-Ebene mit internationalen Menschenrechts-, Klima- und Umweltabkommen.
– Gewährleistung der Überprüfung des Nohaltegkeets-Checks mit ehrgeizigeren Kriterien, der Einbeziehung der Zivilgesellschaft auf der Ebene der Konsultation während dieses Prozesses sowie der Einbeziehung des Nohaltegkeets-Checks in die Gesetzgebung.
– Implementierung eines Mechanismus zur Korrektur festgestellter Inkohärenzen und Schaffung eines Budgets, das der ständigen Überwachung und robusten Steuerung der Politikkohärenz gewidmet ist.
– Entwicklung und Anwendung leistungsfähiger und verbindlicher Indikatoren und Methoden für die Koordinierung und Bewertung im Hinblick auf die Politikkohärenz
– Einsetzung eines Verantwortlichen im Staatsministerium, der auf eine kohärente Politik achtet, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, Klima und Umwelt in Verbindung mit wirtschaftlichen Aktivitäten.
– Durchführung einer Analyse der luxemburgischen Politik in Bezug auf den Spillover-Index der Vereinten Nationen und kohärente Einbeziehung der Schlussfolgerungen in die nationale und internationale Politik.
– Gewährleistung, dass Unternehmen mit staatlicher Beteiligung und staatliche Stellen internationale Menschenrechts-, Umwelt- und Klimaverträge sowie internationale Standards wie die UN- und OECD-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte einhalten.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos