Entlang der Sauer / Nachwehen des Hochwassers: „Wir sitzen noch auf einem Müllberg, den wir nicht losgeworden sind“
Das Hochwasser vom Juli 2021 brachte viel Leid und Zerstörung mit sich – und Müll. Der Wasserstrom riss zahlreiche Gegenstände mit sich, die letztlich am Flussufer der Sauer liegen- oder hängengeblieben sind. Die Aufräumarbeiten funktionierten hierzulande eindeutig besser als bei unseren Nachbarn auf der gegenüberliegenden Flussseite.
Das Großherzogtum wurde im Juli 2021 schwer von den reißenden Wassermassen des „Jahrhunderthochwassers“ getroffen. Privatpersonen wie auch Betriebe mussten um ihre Existenzgrundlage bangen. Es gibt allerdings noch ein weiteres „Opfer“ der Flut, dem weitaus weniger Beachtung geschenkt wurde: die Umwelt. Die braunen Wassermassen rissen eine Unmenge an Gartendeko, Kellerinventar, sogar Camping-Anhänger und viele andere Gegenstände mit sich. Wohnungen und Straßen wurden recht schnell von Schlamm und Müll befreit. Die Säuberung des Sauerufers hat allerdings etwas länger auf sich warten lassen.
LINK Reportage: Wie Bollendorferbrück das Jahrhunderthochwasser durchlebte
„Da die Sauer ein Grenzgewässer ist und die Ufer des Flusses unter die staatliche Verwaltung fallen, sollten diese Abfälle unter der Regie des Wasserwirtschaftsamtes entsorgt werden. Warum diese Arbeiten noch nicht durchgeführt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis“, antwortete ein Vertreter der Gemeinde Berdorf auf Nachfrage des Tageblatt Anfang April. Die Gemeinde hätte sich lediglich um die Säuberung der innerorts gelegenen Abschnitte in Bollendorferbrück gekümmert.
Wer ist also zuständig für die Säuberung des Mülls entlang der Flussufer? Gemeinden und Privatbesitzer, sagt zumindest Luxemburgs Umweltministerium. Die Wasserverwaltung (AGE) diene lediglich zur Koordination der Arbeiten aller Beteiligten.
Wir sitzen noch auf einem Müllberg, den wir nicht losgeworden sind.Bürgermeisterin von Bollendorf
Laut Umweltministerium wurde „eine ganze Reihe unterschiedlicher Firmen“ damit beauftragt, die umgefallenen Bäume und Äste entlang der Sauer aufzuräumen. Zudem sei eine große Menge an Abfällen und sonstigen Verunreinigungen aufgesammelt und ordnungsgerecht entsorgt worden. „Aus technischen Gründen war es nicht immer möglich, den Abfall aus den hohen Spitzen der Bäume zu entfernen. Dazu kommt, dass sich dieses Problem über mehrere Kilometer entlang des Flusses zieht und es keine guten und brauchbaren maschinellen Alternativen zur Handarbeit gibt“, antwortet ein Sprecher des Umweltministeriums auf eine Tageblatt-Anfrage.
Die Wasserverwaltung stehe in engem Kontakt mit den Gemeinden vor Ort. Hinweise aus der Bevölkerung würden dabei helfen, weitere Plätze ausfindig zu machen und den Fluss weiter von Müll zu befreien. „Es [die Säuberung der Flussufer, Anm. der Redaktion] ist eine Arbeit, die höchst wahrscheinlich nie als vollständig abgeschlossen betrachtet werden kann. Alle Partner sind extrem bemüht, alles einzusammeln, es werden jedoch immer wieder neue Fundorte gemeldet“, sagt der Sprecher. Dem Umweltministerium seien aber keine „größeren Beschwerden“ bekannt. Bei der Gemeinde Berdorf seien diesbezüglich „eine bis zwei Anfragen von Bürgern“ eingegangen, verrät der Gemeindevertreter.
Ein Blick auf die andere Seite
Ein Spaziergang entlang des Gewässers in Weilerbach (Gemeinde Berdorf) verdeutlicht, dass nicht die luxemburgische Uferseite, sondern vielmehr die deutsche das eigentliche Problem ist. Die luxemburgischen Ufer auf der Strecke zwischen Echternach und Bollendorferbrück sind inzwischen größtenteils vom Abfall befreit worden – auf der deutschen Seite hingegen hängen noch zahlreiche Plastikfolien im Geäst der Bäume.
Gewässer erster und zweiter Ordnung
Im Landeswassergesetz von Rheinland-Pfalz wird den Gewässern entsprechend ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung eine sogenannte Gewässerordnung zugewiesen. So gehören beispielsweise der Rhein, die Mosel, die Saar und die Sauer zu den Gewässern erster Ordnung. Als Gewässer zweiter Ordnung zählen all jene Gewässer, die für die Wasserwirtschaft zwar von erheblicher Bedeutung sind, aber nicht zur ersten Ordnung gehören. Alle restlichen Gewässer werden den Gewässern dritter Ordnung zugeteilt. Sowohl die Eigentumsverhältnisse als auch die Unterhaltungslast werden durch die Ordnung der Gewässer geregelt.
Da es sich bei der Sauer um ein Grenzgewässer handelt, ist nicht die Kreisverwaltung, sondern das Land, also die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, für den Unterhalt des Flusses zuständig.
„Das Land hat da bis jetzt tatsächlich noch nichts gemacht“, sagt die Bürgermeisterin von Bollendorf (D), Silvia Hauer, gegenüber dem Tageblatt. „Wir haben als Anrainer, weil uns das auch sehr gestört hat, mit Freiwilligen und Ehrenamtlichen schon vieles geräumt“, sagt Hauer. Jedoch gebe es etliche Stellen, die nur sehr schwer zugänglich seien, so etwa Müll, der sich in den Bäumen befindet. „Wir sitzen noch auf einem Müllberg, den wir nicht losgeworden sind“, sagt die Bürgermeisterin.
Bisher habe die Gemeinde Bollendorf auf Eigeninitiative einige Säuberungsaktionen angesetzt oder Spaziergänger hätten hie und da mal etwas aufgesammelt und das anschließend der Gemeindeverwaltung gemeldet. Die Gemeinde habe auch eine Firma damit beauftragt, den Müll einzusammeln. Aber auch die habe nicht alle Stellen erreichen können. „Das, was wir leisten konnten, haben wir geleistet. Mehr geht halt nicht“, meint Hauer.
Seinen Pflichten nachkommen
Neben dem angespülten Müll sind vor knapp einem Jahr auch eine ganze Reihe an Bäumen umgefallen – und die liegen heute immer noch am Ufer oder sogar in der Sauer. Wenn diese Bäume nicht weggeschafft werden, könnte bei einem nächsten Hochwasser noch mehr Abfall daran hängen bleiben und die Lage würde sich weiter verschlimmern. „Meiner Meinung nach muss das Land hier dringend was machen“, sagt Hauer. Die Lage sehe derzeit aber so aus, dass mit dem Land noch geprüft und geklärt werden muss, was überhaupt mit den herumliegenden und -hängenden Gegenständen passieren soll.
Die Verbandsgemeinden seien für die kleineren Gewässer zuständig. „Die haben ihren Job erledigt. Die Flüsse sind alle gereinigt, die Ufer sind in Ordnung und geputzt“, sagt Hauer. Nur am Grenzgewässer würde es noch hapern. Darum will sie nun den Kontakt mit den zuständigen Behörden suchen und nachhorchen, „wann das Land denn vorhat, seinen Pflichten nachzukommen“.
Auf der deutschen Uferseite seien meist die Eigentümer der Ufergrundstücke für die Beseitigung des Mülls verantwortlich. „Im Kondominiums-Bereich, Abschnitt Wallendorf-Echternacherbrück, sind der SGD Nord aktuell keine erforderlichen Gewässerunterhaltungsarbeiten bekannt“, meint eine Pressesprecherin der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord gegenüber dem Tageblatt. Und weiter: „Soweit es sich entlang der Sauer um Grundstücke im Verantwortlichkeitsbereich der öffentlichen Hand handelt, ist nach Kenntnis der SGD Nord diese ihrer ‚Aufräumpflicht‘ im Rahmen sogenannter ‚Dreckweg-Tage’ weitestgehend nachgekommen und hat große Mengen an Unrat beseitigt.“
Bei Flächen, die Privatleuten gehören, müsse der zuständige öffentliche Entsorgungsbetrieb – in diesem Fall der Zweckverband Abfallwirtschaft in der Region Trier (A.R.T.) – jeweils selbst prüfen, ob er eine Beseitigung des Unrats anordnet oder nicht.
Kondominium
Beim Kondominium handelt es sich um ein Gebiet, das unter der gemeinsamen Herrschaft mehrerer Staaten steht. Die Sauer ist ein solcher Kondominium-Bereich. Das heißt, sie gehört sowohl zum luxemburgischen als auch zum deutschen Staatsgebiet (Rheinland-Pfalz). Das hat zur Folge, dass beide Staaten für den Unterhalt zuständig und verantwortlich sind. Für die Uferbereiche gelten jedoch die rechtlichen Regelungen der jeweiligen Staaten.
Quelle: Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord
Beschädigte Straßenabschnitte
Das Hochwasser bewirkte jedoch nicht nur ein Müllproblem, sondern sorgte auch dafür, dass einige Straßenabschnitte bis heute nur schwer befahrbar sind. So ist auf der CR121 auf Höhe des Schießentümpels eine Mauer eingestürzt. Der Verkehr verläuft an dieser Stelle seither nur einspurig und wird mit einer Ampel geregelt. Eine Sprecherin des Transportministeriums teilte dem Tageblatt mit, dass diesbezüglich ein Projekt unter der Leitung der „Division de la voirie Diekirch“ (DVD) laufe. „Um die Folgen des Projekts besser zu analysieren und zu bewerten, sind geotechnische Bohrungen geplant.“ Die Bohrungen müssten allerdings noch vom Wasserwirtschaftsamt (AGE) genehmigt werden. „Im Moment befinden wir uns in einem Stadium, wo einige Studien an diesem Ort durchgeführt werden müssen“, antwortet die Sprecherin.
Auch die CR364 wird auf der Höhe der Kreuzung N10 bei Echternach mit einer Straßenabsperrung begrenzt. Hierbei handele es sich laut Transportministerium eigentlich um Schäden am neben der Straße gelegenen Fahrradweg, dem PC3. Derzeit würden Studien laufen, es sei allerdings noch nicht klar, wie teuer die Reparaturarbeiten werden. Die Arbeiten seien mit der Naturverwaltung (ANF) und dem Wasserwirtschaftsamt abgeklärt worden.
Auf Nachfrage, welche Straßen aufgrund des Hochwassers immer noch nicht oder nur beschränkt befahrbar sind, nannte die Sprecherin die CR356 zwischen Müllerthal und Waldbillig. Dem Ministerium läge die Einreichungsakte („Dossier de soumission“) vor. Die CR356 sollte ab dem 19. April 2022 für zwei Monate für Kanalarbeiten der Gemeinde gesperrt werden, teilt das Transportministerium mit.
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Das nächste Hochwasser kommt bestimmt.