Mondorf / Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein
Wenn Kampagnen wie „Wright for rights” anstehen, haben die großen Plastikbanner von Amnesty Luxemburg ihren Auftritt. Und danach? Bei anderen landen sie im Müll. Die Frauen der „Bitzstuff” in Mondorf, ein Projekt der „Beschäftegungs-Initiativ Réimecher Kanton“ (BIRK), geben ihnen einen neuen Sinn. Für beide Organisationen ist es die erste Zusammenarbeit dieser Art. Die Ergebnisse sind witzig und originell.
Wenn zwei sich zusammentun, die zueinander passen, kommt etwas Gutes dabei heraus. So alt die Binsenweisheit ist, so überzeugend ist ein aktuelles Beispiel. Es geht um den Einsatz für Menschenrechte, Abfallvermeidung, Re- und Upcycling, und das nicht unter rein betriebswirtschaftlichen, sondern sozialen Aspekten.
Noch sind die Produkte, mit denen benutzte Banner von Amnesty umgewidmet und wieder benutzt werden, nicht erhältlich. Aber im Konferenzsaal der NGO, die sich für Menschenrechte einsetzt, gibt es eine Vitrine. Der kleine „Showroom” zeigt Computertaschen, Lätzchen, Stiftemäppchen und Fliegen für den Mann im Smoking, die an die Kampagne „Wright for Rights” erinnern.
Die Amnesty-Aktion fordert dazu auf, sich mit Briefen für Menschen, deren Rechte verletzt wurden, einzusetzen. Wortfetzen oder Gesichter im Design zeugen davon, dass das Plastikmaterial schon irgendwann mal eine Botschaft transportiert hat. Außerdem ist überall die Kerze mit dem Stacheldraht rundherum nicht weit. Das Logo von Amnesty steht gegen Repression und für die Hoffnung auf eine bessere Welt.
Die Geschichte der Banner soll weiterleben
„Wir haben hier im Land nach einer Möglichkeit gesucht, dass diese Geschichte weiterlebt”, sagt Marc Cascant (47). Er ist seit 2022 bei Amnesty Luxemburg zuständig für Kommunikation, Mobilisierung und Fundraising. Das passt zur DNA der international agierenden NGO, die zudem ein großes Bewusstsein für Klimagerechtigkeit pflegt.
„Reusing” lag nahe, doch wo? Ebenfalls zur Amnesty-DNA gehört ein sozialer und regionaler Aspekt, wenn schon recycelt wird. Ein aktuelles Beispiel ist die Kooperation von Amnesty Luxemburg und der „Bitzstuff“ in Mondorf. Die Beschäftigungsinitiative BIRK war ein idealer Partner, diese Missionen zu erfüllen. Der gemeinnützige Verein ohne Gewinnzweck arbeitet mit sieben Gemeinden im Osten daran, konkrete Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit umzusetzen. Die „Bitzstuff” ist eine davon.
Das kleine, mit Nähmaschinen, Schneidetisch und Stoffen vollgestopfte Atelier in Mondorf atmet Kreativität, Fantasie und Tatkraft. Denisa Turkovic (50) ist dort seit fünf Jahren Ausbilderin und immer noch begeistert. „Ich wollte, so etwas hätte es in meiner Jugend auch schon gegeben“, sagt sie. Ihre Mutter war Schneiderin in Serbien, die Tochter bringt es sich selbst bei, erlangt den Abschluss und ist lange selbstständig.
Mit Kreativität und Tatkraft bei der Sache
Hüte sind die Spezialität der gebürtigen Serbin, die seit 23 Jahren im Land lebt. Sogar die Großherzogin nennt ein Stück aus ihren Kollektionen ihr Eigen, erzählt sie. „Ich liebe es, zu entwerfen“, sagt Turkovic. Vor fünf Jahren gibt sie ihr Atelier auf und fängt bei der Beschäftigungsinitiative als Ausbilderin an. Es ist nicht nur Nähen, Ausbessern oder größere Reparaturen wie in den meisten Nähstuben.
„Hier gleicht kein Tag dem anderen“, sagt Turkovic. „Es ist immer eine Explosion an Kreativität.“ Egal, was an gebrauchtem Material angeliefert wird, ihr fällt immer etwas ein. Die erste Lieferung für Amnesty ist fertig und gerade nimmt eine riesige rote Weihnachtsmütze Form an. Sie soll den Schriftzug „Visit Mondorf“ vor dem Parkplatz an der Avenue Frantz Clément in der Vorweihnachtszeit zieren. Es ist ein Auftrag der Gemeinde.
Aurelia Freisinger bringt gerade die pelzige, weiße Borte am Rand der Mütze an. Die 15-Jährige besucht die Waldorfschule und hat Anfang der Woche ein dreiwöchiges Praktikum in der „Bitzstuff“ begonnen. Sie hat sich bewusst für die Nähstube entschieden, der im Untergeschoss der Secondhand-Laden „D’Vitrin“ angegliedert ist. Der Ort passt in ihr Gedankengut.
Aus Gebrauchtem wird Neues
„Es ist ein großer Aufwand, ein T-Shirt herzustellen”, sagt die Schülerin. „Wenn es dann nach fünf Mal Tragen weggeworfen wird, weil es nicht mehr gefällt, finde ich das sehr schade”. Die Arbeit in der „Bitzstuff“ ist der Gegenentwurf. Aus allem, was nicht mehr gebraucht wird, entsteht dort Neues und sie ist froh, zeitweise ein Teil davon zu sein – auch wenn sie nicht ganz ins Profil der sonstigen Beschäftigten bei BIRK passt.
Auf Eduarda Fragosa (59) hingegen trifft das zu. Die gelernte Schneiderin mit portugiesischen Wurzeln wird die Nähstube bald verlassen. Nach einer schweren Krankheit konnte sie lange nicht mehr arbeiten. BIRK war eine gute Anlaufstelle, um den Weg zurück ins Berufsleben zu finden. Und die „Couture“ ist ihre Leidenschaft, wie sie sagt. Was sie danach macht, ist noch ungewiss, sie überlegt noch.
Die Zusammenarbeit zwischen Amnesty und der „Bitzstuff” hat sich gelohnt. Viele der rund 200 gelieferten Banner sind verarbeitet. Der physische Verkauf im Secondhand-Laden in Mondorf und der virtuelle auf der Webseite der NGO sollen innerhalb der nächsten Woche anlaufen. Bleibt zu wünschen, dass die Stücke neue Besitzer finden.
Der soziale Verein BIRK
2023 beschäftigte die BIRK laut Geschäftsbericht 85 Menschen aus 26 Nationen. Davon waren 78 Menschen in den zweijährigen Verträgen der Initiative, um „ihre Berufserfahrung und ihre sozialen Kompetenzen durch Arbeit zu festigen“, wie aus dem Geschäftsbericht der „Beschäftegungs-Initiativ Réimecher Kanton“ hervorgeht. Die Initiative selbst wurde 2001 gegründet und ist sowohl vom Ministerium für Arbeit und Beschäftigung als auch dem Ministerium für Wirtschaft anerkannt. Die Initiative bietet Jobs in den Bereichen kommunale Dienste wie Pflege der öffentlichen Grünanlagen, Haushaltshilfe, Reinigungskraft, beim „Rent a bike Miseler Land“ oder eben in der Nähstube mit Secondhand-Laden in Mondorf an. 2023 verließen 14 Menschen die Initiative in eine unbefristete Arbeitsstelle. BIRK arbeitet mit den Gemeinden Bad Mondorf, Bous-Waldbredimus, Dalheim, Lenningen, Remich, Schengen und Stadtbredimus zusammen.
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