/ Nantes ist echt elefantastisch
Frankreich-Liebhaber wissen das Land der vielen Facetten zu schätzen. Für viele ist die „Grande nation“ so etwas wie eine zweite Heimat, die auch vielen Luxemburgern ganz besonders ans Herz gewachsen ist, nicht nur wegen der unzählbaren Gourmandisen.
So unterschiedlich die fast schon unüberschaubaren Reiseziele des Hexagons auch sein mögen, gerät allzu oft und völlig zu Unrecht Nantes in Vergessenheit. Dabei hat die ehemalige Hauptstadt der Bretagne weitaus mehr zu bieten als man auf Anhieb annehmen könnte. Besonders in den letzten Jahren hat sich die Geburtsstadt von Jules Verne zu einem wahren Schmuckstück französischer Stadt-Romantik und außergewöhnlichem „savoir vivre“ gemausert.
Im architektonisch prachtvollen Stadtkern frohlockt das Lebensgefühl, das den Alltagsstress vergessen lässt und viele Menschen nach Nantes zieht, wo neben Kunst und Kultur auch ungewöhnliche Projekte wie zum Beispiel die „Machines de l’île“ allgegenwärtig sind.
Eine Fantasiewelt ohnegleichen
Das eigentliche Leben spielt sich aber in den Gassen der Altstadt ab, wo ab und zu sogar das Trompeten des mächtigen Elefanten von den ehemaligen Werfthallen aus bis ins historische Zentrum zu hören ist. Was ein Elefant in Nantes soll, mögen nun einige fragen? Nun, das niedliche, zwölf Meter hohe Tierchen ist Bestandteil und zugleich Hauptattraktion einer Fantasiewelt ohnegleichen. Der 48,4 Tonnen schwere Gigant kann sich nicht nur mechanisch fortbewegen, sondern auch den Rüssel schwenken, mit den Augen zwinkern, mit den Riesenohren schlackern, mit dem Schwanz wedeln und sogar den Kopf mit den mächtigen Stoßzähnen unter bedrohlichem Kollern bewegen. Wer ihm in die Quere kommt, wird sporadisch mit Wasser besprüht. Zur imaginären mechanischen und überdimensionierten Tierwelt gehören außerdem u.a. eine gigantische Ameise und eine furchterregende Spinne.
Auf dem ehemaligen Werftgelände auf der Île de Nantes gibt es eine weitere Vielzahl tierischer Maschinen zu bewundern, von denen ein Teil aus Jules Vernes Universum stammen und die auf dem über drei Ebenen 25 Meter hohen „Carrousel des mondes marins“ (Meereswelten-Karussell) ihre Runden drehen. Daneben wecken Einblicke in weitere Projekte wie auch abgeschlossene Arbeiten die Neugier der Besucher. „Jedes Mal, wenn ich nach Nantes komme, besuche ich den Elefanten, es ist ein Muss, ‚je m’en lasse pas, il est fantastique’“, schwärmt eine begeisterte Rückkehrerin.
„Venedig des Westens“
Nach diesem spannenden Ausritt geht es an der Promenade entlang der Loire, wo die maritime Vergangenheit omnipräsent ist, entspannt weiter. Obwohl Nantes rund 60 Kilometer von der Atlantikküste entfernt liegt, sind die Gezeiten von Ebbe und Flut hier am Wasserspiegel des Flusses ablesbar.
Nantes war ursprünglich von der Loire und ihren Zuflüssen durchflossen, was der Stadt dann auch den Beinamen „Venedig des Westens“ einbrachte. Im 20. Jahrhundert begann man damit, die Wasserläufe zuzuschütten. So floss zum Beispiel durch den heutigen „Cours des 50 otages“ die Erdre, die nun durch den Tunnel Saint-Félix umgeleitet wird und einige Meter von der Tour LU in die Loire fließt. Flussaufwärts entlang der Loire führt außerdem eine Radroute von Nantes bis zum Ozean.
Etappenweise bis ins Herz der Stadt
Mit seinen rund 310.000 Einwohnern steht Nantes auf Platz sechs der größten Städte Frankreichs, bliebt dabei aber eine Stadt mit angenehmer Größe, in der die meisten Sehenswürdigkeiten mühelos mit den einfachsten aller Fortbewegungsmittel, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, besichtigt werden können. Dazu braucht man im Prinzip nur einer auf dem Boden gezeichneten grünen Linie zu folgen. Dieser 13 Kilometer lange Rundkurs führt etappenweise bis ins Herz der Stadt vorbei an allen kulturellen Standorten und den wichtigsten Denkmälern und Sehenswürdigkeiten.
Vom Quai de la Fosse führt der Rundgang an mehreren historischen Hausfassaden aus dem 18. Jh. vorbei zur Innenstadt mit seinen unzähligen Restaurants, Bars sowie den kleinen typischen Boutiquen und Läden mit lokalen Spezialitäten, deren lockende Düfte für Hunger sorgen. Geselligkeit passen nun mal zu Nantes wie guter Wein zu schmackhaftem Essen. „Eine echte Spezialität wie z.B. die Choucroute in Straßburg oder die Bouillabaisse in Marseille gibt es hier in Nantes nicht“, erläutert eine Reiseführerin „als ehemaliger Handelshafen sind wir an alles gewohnt, unsere Speisekarte reicht vom Herkömmlichen bis hin zum Exotischen“ gibt die gebürtige Nantaise zu verstehen.
Hauptsache mit Butter
Die Nanteser Küche sei aber durchaus von einem einzigartigen Charakter geprägt, der eng mit der Geschichte und der geografischen Lage verbunden sei. Zu jedem „Plat“ würde aber vor allem reichhaltig Butter serviert, denn eine Mahlzeit ohne Butter sei in Nantes kaum vorstellbar. Kein Wunder also, dass die weltbekannten sogenannten „Petits beurres“ aus dem Hause LU (Lefèvre-Utile) genau wie die lächelnden BN-Kekse (Biscuiterie Nantaise) ursprünglich aus Nantes stammen. Heute erinnert nur noch der 38 Meter hohe LU-Turm an die Zeiten, als eine zuckersüße Brise über der Loire wehte. Weitere lokale Spezialitäten sind das Meersalz aus Guérande, Butterkaramellen, Berlingots und Rigolettes, der Cocktail Nantillais, das handwerklich produzierte Bier Blonde der Brasserie du Bouffay sowie der Muscadet sur lie und der berüchtigte Gâteau nantais.
Über die unter Denkmalschutz stehende Passage Pommeraye, eine überdachte Galerie mit Geschäften und Wohnungen auf drei Ebenen, Baujahr 1843, gelangt man zur Place Royale mit dem berühmten Brunnen, der die Stadt Nantes symbolisiert. Von diesem besonders beliebten Platz führt der Bummel über eine sehenswerte Einkaufsstraße durch weitere Stadtviertel mit einer Vielzahl an Boutiquen und Läden bis zum majestätischen Château des ducs de Bretagne. Die Festung beherbergt übrigens auch das Geschichtsmuseum (Musée d’histoire de Nantes).
Einen Katzensprung weiter ragen die Türme der Cathédrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul in den Himmel. Nach dem zerstörerischen Großbrand 1972 haben umfangreiche Restaurierungsarbeiten dem Gebäude wieder zu altem Glanz verholfen. Hinter der zweitürmigen Fassade erheben sich die Säulen 37,5 m hoch. Mit ihren imposanten Silhouetten sind sowohl die Kathedrale als auch das Schloss „nur“ die Blickfänge des Viertels Bouffay mit seinem Gassengewirr, in dem das mittelalterliche Nantes die Jahrhunderte durchschritten hat. Hier kann man schon mal vom Kurs abkommen und sich von den Spuren des Mittelalters, die heute noch an den Fachwerk-Fassaden zu erkennen sind, überraschen lassen.
Der ungeliebte Turm
Zwischen Remparts und verwinkelten Gassen wirkt der mit seinen 144 Metern hohe Tour de Bretagne fast wie ein Störenfried. Von den Einheimischen nicht sonderlich geliebt und als einsamer Wolkenkratzer zwischen Paris und New York verspottet, bietet er allerdings eine atemberaubende Panoramasicht weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Die Fahrt zur Aussichtsplattform kostet lediglich einen Euro. Zum Preis einer Baguette muss man den Turm nicht unbedingt mögen, aber zumindest die Aussicht genießen. „Die Nanteser verspüren kein Faible für die Tour, ich bin mir aber sicher, dass sie den Turm vermissen würden, falls er eines Tages nicht mehr da wäre“, scherzt ein Besucher, während sein Blick über die Stadt hinweg schweift.
Ebenfalls zu empfehlen ist der Markt von Talensac, der älteste und wichtigste Markt in Nantes. Hier, wo man zwischen den Fisch- und Meeresfrüchte-Auslagen und lokalen Produkten schlendert, treffen sich am Wochenende die Nanteser, um beispielsweise ein Gläschen Muscadet unter Freunden zu genießen. Hier kann man viele regionale, oft auch selbst erzeugte Spezialitäten kaufen oder direkt vor Ort an kleinen Ständen kosten. Am Markt von Talensac lebt man eben noch „à la Nantaise“ oder einfach nur wie Gott in Frankreich.
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