Umgang mit Akteneinsicht / Nationalarchiv äußert sich zu Vorwürfen von Historiker Benoît Majerus
Der Luxemburger Historiker Benoît Majerus hat kürzlich das Vorgehen des Nationalarchivs bei der Einsicht von Akten kritisiert. Inzwischen hat sich das Archiv gegenüber dem Tageblatt zu den Vorwürfen geäußert.
„Was hat das Nationalarchiv zu verbergen?“: Das war der Titel des Eintrags, den der Luxemburger Historiker Benoît Majerus kürzlich auf seiner Internetseite veröffentlichte. Darin kritisierte er den Umgang des Archivs bei der Einsicht einer Akte des luxemburgischen Außenministeriums, die er Anfang des Jahres angefragt hatte. Der Historiker recherchiere derzeit über die Verbindung zwischen Luxemburg und Panama im Kontext von Offshore-Firmen, erklärte er kürzlich im Interview mit dem Tageblatt. Nachdem das Archiv zunächst eine (nicht unübliche) Absage schickte, habe Majerus eine Ausnahme beantragt, die auch genehmigt worden sei. Nachdem er rund fünf Monate warten musste, habe er zahlreiche geschwärzte Namen und Seiten in der Akte vorgefunden und die Einsicht sei zudem nur unter Aufsicht in einem separaten Kellerraum erlaubt worden.
Das Nationalarchiv hat sich inzwischen auf Tageblatt-Nachfrage zu den Vorwürfen des Historikers geäußert. Ein Sprecher bestätigt die Vorgehensweise im Fall des Historikers und der besagten Akte. Wie auch Majerus bereits im Interview beschrieben hatte, erklärt das Archiv, es sei gemäß der Regeln, dass bestimmte Akten oder Dokumente nicht eingesehen werden dürfen, wenn bestimmte Fristen noch nicht abgelaufen seien. Beispielsweise dürften laut dem Archivgesetz vom 17. August 2018 Dokumente, die persönliche Informationen zu einer Person enthalten, nur dann freigegeben werden, wenn die betroffene Person bereits 25 Jahre tot ist. Das setzt allerdings auch voraus, dass bekannt ist, ob und seit wann die in dem Dokument erwähnte Person tot ist. Daher gibt es eine ergänzende Bedingung: Ist das Todesdatum nicht bekannt und würde dessen Ermittlung unverhältnismäßig viel Aufwand bedeuten, dürfe die Akte erst „75 Jahre nach dem Datum des jüngsten in der Akte enthaltenen Dokuments“ freigegeben werden.
Schutz der Privatsphäre
So viel zu der gesetzlichen Grundlage – in dem betrachteten Fall bedeutet das laut dem Archiv, dass Forschende auch bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, um eine Akte einsehen zu dürfen, die persönliche Informationen enthält. Erstens müsse derjenige nachweisen, dass er seine Forschung im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit von öffentlichem Interesse betreibe. Zweitens müsse er belegen, „dass die Privatsphäre der vom Dokument betroffenen Personen nicht unverhältnismäßig verletzt wird“, so das Nationalarchiv. Weist der Forschende beides nach, sei die Einsicht der ungeschwärzten Akte im Lesesaal des Archivs möglich. Ist das nicht der Fall, müsse die Akte jedoch geschwärzt werden und dürfe nicht in dem Lesesaal erfolgen.
„In dem hier zitierten Fall handelt es sich um eine Akte aus dem Bestand des Außenministeriums (Signatur AE-AW-0830), die bis zum 31. Dezember 2044 aufgrund von personenbezogenen Daten geschützt ist“, so die Pressestelle des Archivs. „Da der Forscher nicht die nötigen Garantien zum Schutz der Privatsphäre geliefert hat, die der Urheber der Akte verlangt hat (z.B. wie der Forscher die personenbezogenen Daten verwendet), hat das Nationalarchiv vor Einsicht der Akte die personenbezogenen Daten geschwärzt.“ Dafür seien die Dokumente zunächst digitalisiert worden.
„Die Einsichtnahme durch den Forscher konnte nicht im Lesesaal des Nationalarchivs stattfinden, weil hierfür noch die technische Infrastruktur geschaffen werden muss, deswegen fand sie in einem separaten Raum im ersten Untergeschoss des Nationalarchivs statt“, erklärt das Nationalarchiv weiter. Da der Zugang zu diesem Bereich des Gebäudes nur Mitarbeitenden gestattet sei – und um sicherzustellen, dass die Dokumente nicht vervielfältigt werden – müsse jeder, der die Akten dort digital einsieht, von einem Mitarbeitenden begleitet werden.
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▪ Die Tücken des Kulturinstitutsgesetzes (02.10.2014) Öffentliche Verwaltungen sind in Luxemburg nicht verpflichtet, historisch belastendes Material an das Nationalarchiv weiterzuleiten. Das Nationalarchiv hat nicht nur die Aufgabe, die kulturelle Entwicklung eines Staates aufzubewahren, sie soll auch die politische Geschichte speichern, um sie später hinterfragen zu können. Besonders in Luxemburg scheint Letzteres nur beschränkt möglich zu sein. Das Kulturinstitutsgesetz, welches die Regelungen für das Nationalarchiv aufstellt, sieht nämlich keine Pflicht für öffentliche Verwaltungen vor, historisch wertvolle Dokumente an das Nationalarchiv abzugeben. Ein Zustand, der in Frankreich oder Deutschland undenkbar wäre. (…) Im Gegensatz zu unseren Nachbarstaaten ist es in Luxemburg aufgrund einer juristischen Grauzone möglich, dass staatliche Verwaltungen unliebsame Dokumente einfach verschließen oder sogar vernichten und somit eine offene Aufarbeitung der Geschichte verhindern. Der Zensur sind hiermit Tor und Tür geöffnet. Auch wenn ein Archivgesetz aktuell in Ausarbeitung ist, bleibt das Großherzogtum das einzige europäische Land ohne entsprechendes Gesetz. Die Ablieferung, Bewertung, Zerstörung, Verwahrung und der Zugang zu Dokumenten befindet sich letztlich in einer gesetzlosen Sphäre. (…)
(Tageblatt, 02.10.2014)