Feminismus / Nationaler Frauenrat: Ein Urteil mit Folgen
Der Streit zwischen dem „Conseil national des femmes de Luxembourg“ (CNFL) und seinem ehemaligen Mitglied, der „Fédération nationale des femmes luxembourgeoises“ (FNFL), ist vorläufig entschieden. Ein jüngst erlassener Gerichtsbeschluss widerspricht dem Ausschluss der FNFL aus dem Frauenrat. Falls er rechtskräftig wird, hat die Entscheidung weitreichende Konsequenzen für den Betrieb der Dachorganisation.
Für den Nationalen Frauenrat ist die Sache klar. „Wer gegen unsere Statuten verstößt, gehört nicht in den ,Conseil national‘“, sagt Danielle Becker-Bauer (62). Die Apothekerin ist Präsidentin des „Conseil“, als das Ausschlussverfahren gegen ein Mitglied Ende 2019 eingeleitet wird. Sie vertritt die luxemburgische Sektion von Zonta International. Er ist einer von jetzt nur noch zwölf Frauenverbänden, die unter dem Dach des „Conseil“ als Mitglieder vereinigt sind.
Die Ausrichtung der einzelnen Mitglieder ist breit. Sie sind sowohl politisch als auch religiös motiviert, wie die Mitgliedschaft der „Femmes socialistes“ oder die „Action catholique des femmes du Luxembourg“ zeigen. „Diese Diversität ist die Stärke des Nationalen Frauenrates“, sagt Becker-Bauer. Um niemanden zu benachteiligen, sind die Entscheidungsgremien dementsprechend organisiert.
Jedes Mitglied entsendet automatisch zwei Vertreterinnen in den Verwaltungsrat. Das fünfköpfige Comité, das die Entscheidungen des Verwaltungsrates umsetzt, wird per Los besetzt. Verfahren wie diese ziehen nach sich, dass es gemeinsame Ziele der Mitglieder gibt und ganz genau hingesehen wird, wer aufgenommen wird.
Neue Mitglieder müssen passen
„Neue Mitglieder müssen zu uns passen“, sagt Ex-„Conseil“-Präsidentin Becker-Bauer. Sie illustriert das an einem Beispiel. „Wenn jemand in den Verwaltungsrat von Greenpeace will, kann er nicht die Atomkraft befürworten.“ 2019 gibt es mehrere neue Anfragen für eine Mitgliedschaft. Nach 45 Jahren des Bestehens entscheidet der Verwaltungsrat daraufhin einstimmig, dass ein Grundsatzpapier verfasst wird.
Es soll noch einmal die in den Statuten definierten Ziele festlegen. Die Mitgliedsverbände sollen unterschreiben. Einer unterschreibt jedoch nicht. Es ist die „Fédération nationale des femmes luxembourgeoises“ (FNFL), ein Gründungsmitglied des Nationalen Frauenrates. Am 16. Dezember 2019 entscheidet eine außerordentliche Generalversammlung, dass die FNFL ausgeschlossen wird.
Anwesend waren deren Vertreterinnen nicht, obwohl sie eingeladen waren. Die Präsidentin des betroffenen Verbandes Astrid Lulling verweist auf Anfrage des Tageblatt auf einen Brief in dieser Angelegenheit an den Frauenrat. Persönlich kann sie die Presseanfrage wegen eines Unfalls nicht beantworten. Sie hat dem „Conseil“ am 9. Dezember 2019 geschrieben, also noch vor der Generalversammlung.
Darin heißt es: „Ich hatte Sie (…) darüber informiert, dass die FNFL-Delegierten im Dezember und Januar nicht an einer gemeinsamen Sitzung teilnehmen konnten.“ Ein Grund dafür wird nicht angegeben. Zur fehlenden Unterschrift heißt es: „In Bezug auf die Verpflichtungserklärung (…) sollten Sie wissen, dass der CNFL seinen Mitgliedsverbänden (…) nicht vorschreiben kann, ihren Zweck zu ‚verwirklichen‘, d.h. ihre Tätigkeiten ‚in strikter politischer, ideologischer und religiöser Unabhängigkeit’“ auszuüben.
Lulling begründet dies mit der unterschiedlichen ideologischen Ausrichtung der Mitglieder, die sich schon in deren Namen widerspiegelten. Sie ist viel mehr der Meinung, die „Unabhängigkeit“ sei Sache des CNFL. Schließlich seien die Mitgliedsverbände „hinsichtlich ihrer Aktivitäten nicht der CNFL, sondern ihren Mitgliedern gegenüber verantwortlich“.
Meinungsunterschiede hinsichtlich des Selbstverständnisses
Das offenbart Meinungsunterschiede hinsichtlich des Selbstverständnisses eines Dachverbandes und seiner Beziehung zu den Mitgliedsverbänden. Und es stellt sich die Frage, ob es wirklich nur das ist? Medienberichten zufolge resultieren die Meinungsverschiedenheiten zwischen Rat und Mitglied aus unterschiedlichen Haltungen, wie der Großherzogin zu begegnen ist. Ist Widerspruch erlaubt oder nicht?
FNFL-Präsidentin Lulling hatte dies bei einem Besuch von Ratsmitgliedern im Palast getan. Im Gespräch mit dem Tageblatt fällt seitens des „Conseil“ kein Wort dazu. Die FNFL ihrerseits kündigt mit gleichem Schreiben an, dass sie im Falle eines Ausschlusses juristisch dagegen vorgehen werde. Das ist geschehen, und das Gericht hat jetzt dem Ausschluss widersprochen, was Astrid Lulling in einem „Communiqué“ vor wenigen Tagen mitteilt.
Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, resultieren daraus für den Frauenrat Probleme angesichts ihrer internen Verfahrensregeln. „Kann jetzt ein Gericht darüber bestimmen, wer bei uns im Verwaltungsrat sitzt?“, fragt sich nicht nur Anik Raskin (55), die das Büro des Frauenrates leitet. Wer Mitglied im Frauenrat ist, sitzt automatisch in dem Entscheidungsgremium und kann Präsidentin werden. Diese Geschichte ist für keinen angenehm. Der „Conseil“ berät dies Ende November in einer Sitzung des Verwaltungsrates und behält sich Berufung vor.
Der Nationale Frauenrat
Bis Mitte der siebziger Jahre war die Frau ein unmündiges Wesen. Sie konnte kein Girokonto aufmachen, musste die Erlaubnis vom Ehemann haben, um zu arbeiten, und erziehungsberechtigt war alleine der Mann. In dieser Zeit – das Zivilrecht wird reformiert – gründet sich der Nationale Frauenrat, um für alle Frauen und über alle Verbände hinweg mit einer Stimme zu sprechen. Er arbeitet Gutachten zu Gesetzesprojekten aus und widmet sich allen Themenfeldern der Gleichberechtigung.
„Orange Week“
Unter dem Motto „Lëtz say no to violence“ organisiert der Frauenrat diese Kampagne zum 5. Mal in Luxemburg. Sie ist eine Initiative der UNO aus dem Jahr 2008 und wird weltweit begangen. In Luxemburg fällt der Startschuss am 20. November mit einer „Marche de solidarité“ in Esch/Alzette ab 11 Uhr. Ziel der Kampagne ist es, gegen Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen vorzugehen. 2021 werden in diesem Zusammenhang 47 Ereignisse zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember stattfinden. Es werden ebenfalls eine ganze Reihe öffentliche und private Gebäude in Orange belichtet. https://www.cnfl.lu
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