Editorial / Nationalität hat als Ausschlusskriterium für politische Beteiligung ausgedient
Die Chamber, Ausdruck der Luxemburger Volkssouveränität, hat sich am Dienstag erstmals für die neue Legislaturperiode versammelt. Vorerst treten 46 von 60 Abgeordneten ihr Mandat an. Das ist schon fast sinnbildlich dafür, dass nur ein Teil der Luxemburger Bevölkerung auch tatsächlich mitbestimmt, wer sie die nächsten fünf Jahre regiert. Der andere Teil ist beim demokratischen Prozess auch weiterhin abwesend. Zeit für Überlegungen, wie das Problem gelöst werden könnte.
Die Bürgerrechte – und damit auch das aktive und das passive Wahlrecht – sind in den meisten westlichen Demokratien meist an die Nationalität gekoppelt. In Luxemburg gibt es bereits eine Ausnahme auf lokaler Ebene, während die Teilnahme an den Nationalwahlen weiterhin nur Luxemburger Staatsbürgern vorbehalten ist.
Bei einer konservativen Interpretation des Nationenbegriffs, der viel eher die ethnische Herkunft und Homogenität einer bestimmten Gruppe anhand von kulturellen oder sprachlichen Merkmalen hervorhebt, führt das unweigerlich zur Exklusion „anderer“. Beim demokratischen Prozess der Wahl, der auf Partizipation basiert, sind die Probleme, die sich daraus ergeben, offenkundig.
Historisch gesehen sind die Bürgerrechte durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse, über das Eigentum, die geleisteten Steuern und Abgaben oder den Wehrdienst verliehen worden. De facto könnte man auch heute in Luxemburg zu dem Schluss kommen, dass in der „Demokratie der Wohneigentümer“ eher der Besitz (und die Angst vor dessen Verlust) das politische Bild prägt. Das sind mittelalterliche Zustände, die es zu beheben gilt.
Der Politologe Philippe Poirier hat in dem Kontext bereits ein europäisches Wahlrecht angedacht. Europäische Bürger sollen in dem Land, in dem sie wohnhaft sind, zumindest das aktive Wahlrecht ausüben dürfen, um über die politische Zukunft ihrer Heimat entscheiden zu dürfen.
Die Frage, die sich daraus ergibt, ist die, ob ein an die Nationalität gekoppeltes Wahlrecht einen Anachronismus in einer globalisierten Welt darstellt. Poirier war es, der im Gespräch mit dem Tageblatt festgestellt hat, dass verschiedene Menschen sich einfach nicht für Politik interessieren. Das bezeugt auch die Abwesenheitsquote bei den diesjährigen Chamber-Wahlen.
Warum also nicht das Interesse oder den Einsatz für das Gemeinwesen würdigen und als Grundvoraussetzung nennen, um Ausländern ein Mitspracherecht in ihrer Wahlheimat zu gewähren?
Zwei Beispiele, wie das gelingen könnte: Ausländern mit einer EU-Staatsangehörigkeit ist es beispielsweise gestattet, sich in der Luxemburger Armee zu engagieren – vorausgesetzt sie wohnen bereits seit 36 Monaten im Großherzogtum. Eine Möglichkeit, das Demokratiedefizit zu bekämpfen, wäre es, den Soldaten, die sich mit ihrem Leben für Luxemburg einsetzen, das Wahlrecht zu gewähren. Oder warum nicht den Ausländern, die sich für die Gemeindewahlen eingetragen haben und somit ihren politischen Partizipationswillen zum Ausdruck bringen, das Wahlrecht bei kommenden Nationalwahlen gewähren?
Der Anachronismus des an die Nationalität gekoppelten Wahlrechts kann in Luxemburg dank des Referendums im Jahr 2015 nicht mehr ohne Weiteres behoben werden – auch weil oft das Argument ins Feld geführt wird, dass die Nationalität heutzutage vergleichsweise einfach zu erringen ist. Damit versperrt Luxemburg sich der Chance, den gesellschaftlichen Austausch zwischen mehreren Kulturen und Ethnien auf institutioneller Ebene weiterzuführen. Nationalität ist in einer globalisierten Welt eher Ankerpunkt der persönlichen Identität als eine politische Entscheidung für oder gegen eine Menschengruppe. Als Ausschlusskriterium für politische Beteiligung hat es im 21. Jahrhundert definitiv ausgedient.
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Der Turmbau zu Babel
Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte.
Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an. Sie sagten zueinander:
Auf, formen wir Lehmziegel und brennen wir sie zu Backsteinen. So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel. Dann sagten sie:
Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.
Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sprach:
Seht nur, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen.
Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.
Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.
Gewöhnen wir uns an den Premier Mohammed Ben Kalish Ezab. Kulturelle Vielfalt eben.
Es scheint einige unserer ausländischen perfekt luxemburgischsprachigen Mitbürger ungeheure Überwindung zu kosten, die luxemburgische Staatsbürgerschaft anzunehmen, obwohl sie seit langen Jahren hier wohnen oder sogar hier geboren sind. Es gab dazu sehr seltsame Diskussionen vor dem Referendum und danach – noch seltsamer – beleidigte hier geborene Nichtluxemburger.
Das Wahlrecht einfordern, aber kein Luxemburger sein wollen … Was soll man dazu denken?
Und was viele andere angeht: Wieso nicht per Gesetz mehr Luxemburger „schaffen“?
Unser großer Vorteil ist unsere Mehrsprachigkeit. Wieso diesen Vorteil nicht nutzen und statt der luxemburgischen Sprachhürde unsere 3 Hauptsprachen für die Einbürgerung zulassen?
Schließlich ist es fürs Zusammenleben nicht wichtig, welche Sprache man spricht, sondern dass man sich versteht.
Kein Luxemburger = kein Wahlrecht
Überall in Europa ist das Wahlrecht an die Nationalität gebunden. Weshalb zählt das nicht für Luxemburg?
Weshalb kann man in Luxemburg die Nationalität extrem einfach bekommen?
Mit unserer Politik wird der Premier in einigen Jahren Ali ben Saddat heissen. Das möchte ich nicht mehr erleben.
„führt das unweigerlich zur Exklusion „anderer“. Stimmt, ich würde bestimmt nicht von einem Herrn Puigdemont angenommen, verstehe nur spanisch!
Es reicht schon, dass Leute mit doppelter oder dreifacher Nationalität mehr Rechte haben als andere, da sie in mehreren Staaten wählen dürfen. Mit einem Wahlrecht für alle Ansässigen würde man diese Ungerechtigkeit noch verschlimmern.
Et geet duer mat dem Gesouers vun enger Minoritéit, (20%), déi sech drunn hält wéi de Geck un de Bengel, well se der Majoritéit hire Wellen wellen opzwengen. Grad dofir hunn déi Gring bei de Wahlen esou e Fouss hannebäi kritt.
An meine nationalistischen Stammtisch-Meckerköpfe : was hat der Name mit der Nationalität zu tun? Wenn euer Argument „Nationalität = Wahlrecht“ ernst gemeint ist, dann müsste ja auch ein Ali Ben Saddat mit luxemburgischer Nationalität den Posten des Premiers bekommen können. Wo wäre das Problem? Die Briten, ansonsten nicht ganz frei von nationalistischem Gedankengut, scheinen sich nicht an einem Namen wie Sadiq Khan oder Rishi Sunak zu stören… how shocking! Ich schließe draus dass ihr euch nur an der (unmittelbar) nicht-luxemburgischen Herkunft stört… dafür gibt es doch ein Wort, wieso fällt es mir jetzt nicht ein??
Und außerdem… wenn Ali Premier wird, dann hat wohl mehr als nur seine Großfamilie für ihn gestimmt. Wo bleibt jetzt wieder der Aufschrei nach dem berüchtigten „Wählerwillen“??
Das Tageblatt-Editorial bietet diskussionswürdige Argumente, mit denen man vielleicht nicht einverstanden sein muss. Dass aber die üblichen „man-kann-ja-auch“-Argumente (aber wieso „muss“ man? das wird nie begründet) wieder herhalten müssen, ist schon traurig. Billiges Herkunft-bashing ist aber unterhalb der Gürtellinie…
@DanV
Ich stimme dir vollkommen zu.
Wahlrecht nur für Luxemburger und das Erlangen der Staatsbürgerschaft nicht mehr nur an eine Sprache binden.
In der Realität haben wir 3 Amtssprachen. Irgendwie trifft man sich immer in einer Sprache…im Privaten, auf der Arbeit und auch beim Staatsdienst, es klappt doch!
@jung.lux.lux
Wie kommst du darauf, dass man die Nationalität extrem einfach bekommt???
Einfach bekommst du nur die Nationalität wenn du einen Bopi aus Luxemburg hast der nach 1900 geboren ist.
Dann bekommst du den Pass ohne ein Wort luxemburgisch zu sprechen und du musst noch nicht einmal wissen wo Luxemburg überhaupt liegt.
Dann holst du dir den Pass damit du kein Visum mehr brauchst um weltweit herumzureisen. Und wenn es in deinem Land mal richtig scheisse wird wie z.B. eine Naturkatastrophe, Krieg oder Diktatur (das kommt ja in der letzten Zeit immer häufiger vor…) dann gehst du eben in das Land deiner Vorfahren.
133.500 solcher Luxemburger gibt es mittlerweile im Ausland!!!
…Oder bist du vielleicht ein guter Sportler oder bist du ein Oligarch und investierst du viel Geld in Luxemburg…Jaaa! Dann ist es einfach!
Nur für den Normalbürger der hier arbeitet, steuern und die hohen Mieten zahlt ist es total schwer Luxemburger zu werden!!!!
Kleines Beispiel:
Meine Frau ist englischsprachig. Seit 8 Jahren hier. Keiner redet Luxemburgisch mit ihr. Die ersten Jahre hat sie sich um unsere Kinder gekümmert bis sie in die Vorschule gekommen sind.
Dann haben wir zwei Jahre lang versucht einen Platz in einem Kurs am INL zu bekommen. Nach zwei Stunden sind am Anmeldetag alle Plätze belegt. Jetzt hat sie einen Platz bekommen und muss nun mindestens 3 Jahre lang 3 mal die Woche zu einem Sprachkurs in die Stadt fahren bis sie die Sprache so gut kann, dass sie den Sproochentest besteht. Total einfach!!!
Ich hoffe, dass sie es in 5 Jahren geschafft hat damit sie dann wählen kann.
Nach 20 Jahren im Land brauchst du dann plötzlich keinen Sprachtest mehr…Wo ist da die logik?
Dieses ganze System ist total krank und ideologisch verunstaltet!
So sieht man was der Regierung an Luxemburg liegt. Nichts. Alles zum Wohle der Ausländer.
Neuer Versuch. An meine nationalistischen Kollegen : anstelle auf die diskussionwürdigen Argumente des Editorials einzugehen, werden immer nur die üblichen „man-kann-doch“-Argumente (aber : wieso „muss“ man?) wieder vom Stapel gelassen.
Hier meine Frage : wieso legt ihr am Namen fest, ob jemand Premier werden kann oder nicht? Ali Ben Saddat kann auch heute Premier werden wenn er die luxemburgische Nationalität besitzt. Was sagt sein Name über seine Fähigkeiten oder über sein „Luxemburgisch-sein“ aus? Nichts! Mir scheint, ihr wollt Menschen mit nicht-unmittelbar-luxemburgischer Herkunft partout nicht in Luxemburg sehen… und schon gar nicht in Führungspositionen. Dafür gibt es einen Namen, wieso fällt er mir jetzt nicht mehr ein? Nicht mal die sonst so traditionell geprägten Briten haben ein Problem mit einem pakistanstämmigen Bürgermeister oder einem indisch-afrikanisch-stämmigen Premier…
Wirwaat machen mer keen Referendum iwert dei Fro do ?
Wir brauchen unbedingt mehr Dolmetscher ( Simultanübersetzer ). Avis aux amateurs!
Zur einer Demokratie gehoert es dass man demokratische Wahlergebnisse und Resultate von Referenden akzeptiert . Unser Nochpremier ,der 2015 zu den Verlierern gehoerte hat im Gegensatz zu manchen Schreiberlingen das verstanden . –
Das nun manche kleinkarierten Biedermaenner*innen Probleme mit einem Premier “ Ali Ben Sadatt “ haben ,das geht mir schon auf den ….
Nein Danke, ich will mir nicht von Fremden vorschreiben lassen wie ich zu leben und funktionieren habe. Die Regierung, genauso wie die öffentliche Gewalt, sollten schon Eingeborene sein!
@fraulein smilla
Kann es sein, dass sie so grosskariert und borniert sind, dass sie garnicht mitkriegen was um sie herum passiert?