/ Natur versus Ökonomie: Einwohner von Koerich kritisiert Arbeiten im Waldstück "Kräizerbuch"
Menschen, die oft im Wald spazieren gehen, beobachten: Auf „Kräizerbuch“, einer bewaldeten Anhöhe an der Nordseite von Hobscheid, werden verstärkt Wege angelegt. Jeannot Weber, Einwohner von Koerich, fragt sich, wieso derart in die Natur eingegriffen wird, die touristisches Potenzial besitzt.
Direkt hinter Hobscheid und dem Weiler “Kräizerbuch“ erstreckt sich Wald. Ein Schild neben dem „Chalet“ macht auf die Wanderwege aufmerksam, ein Mountainbiker radelt trotz Regen in den Wald. Kleine Pfade führen ins dunkle Grün und außer dem Knistern von Ästen unter den Füßen und Vogelgezwitscher ist nichts zu hören. Wäre da nicht das Geräusch von Lkws und Baggern, die im Wald arbeiten. Da, wo sie fertig sind, sind die Wege zwischen sechs und zehn Meter breit und mit einem gelblichen Kieselsteinbelag versehen. Das fällt auf. Mehr als 30 Kilometer sind schon so bearbeitet. Das hat Jeannot Weber (61), in Hobscheid aufgewachsen und wie er sagt, „seit er laufen kann“ im Wald unterwegs, dokumentiert.
Der Waldliebhaber und pensionierte Mitarbeiter eines Gemeindesyndikats im Bereich Naturschutz stellt sich Fragen. „Das geht seit 2014 so und ich frage mich, warum“, sagt er. Die Eingriffe in die Natur ärgern ihn umso mehr, als er sich ehrenamtlich dafür engagiert, die Region touristisch vor allem für Wanderer auszubauen. Der pensionierte Gemeindesyndikatsmitarbeiter sitzt im Vorstand von Leader Luxemburg West. Die gleiche Position bekleidet er bei der „Entente des communes et syndicats d’initiative des vallées de l’Eisch, de la Mamer et de l’Attert“ (Asivema). Beide Organisationen haben sich dem Tourismus im Westen des Landes verschrieben.
Potenzial für Wandertourismus „verkannt“
Im Bericht zur „Entwicklungsstrategie der Region Lëtzebuerg West“ aus dem Jahr 2014 ist von 200 Kilometern an kleineren Rundwegen zum Wandern, Radfahren und Radwandern die Rede. „Beim Wandern können wir durchaus mit dem Müllerthal mithalten“, bestätigt Weber und verweist auf zusätzliche kulturelle Sehenswürdigkeiten. Das frisch renovierte Schloss in Koerich ist gerade eingeweiht, die gallo-römischen Ausgrabungen in Goeblingen winken, in Steinfort gibt es Industriekultur. „Wir sind das Tal der sieben Schlösser und Burgen“, sagt er. Das 100 Seiten starke Leader-Papier bescheinigt der Region zudem, dass das Potenzial der intakten Natur und Landschaft sowohl für einen „sanften Tourismus“ als auch zur Naherholung der ansässigen Bevölkerung „verkannt“ wird. „Wir sind zwischen Müllerthal, Mosel oder Vianden immer mehr untergegangen“, sagt Weber.
Ein sanfter Tourismus setzt auf unberührte Natur. Dass sie in dieser Region vorhanden ist, bescheinigt die „Entwicklungsstrategie“. Die künstlich angelegten Wege stehen in krassem Gegensatz dazu. „Wanderer und Mountainbiker mögen das nicht“, sagt Weber. Zertifizierer, die irgendwann die Wanderwege marketingstrategisch wertvoll prämieren sollen, mögen das ebenfalls nicht. Weber versteht die Welt nicht mehr. „Das, was bis jetzt verbreitert und angelegt wurde, ist erst der Anfang“, sagt er. „Sie können locker noch mal die gleiche Anzahl an Kilometern so bearbeiten“.
Investitionen am falschen Platz
Hinzu kommt, dass die Arbeiten vom „Office national de remembrement“ in Auftrag gegeben wurden. „Der Wald gehört entweder dem Staat oder der Gemeinde“, sagt Weber. „Was soll hier neu geordnet werden?“ Er stellt sich auch die Frage, warum hier auf diese Weise staatliche Gelder investiert werden, anstatt sie für den Ausbau des Wandertourismus zu nutzen. Weber denkt an Bänke, touristische Hinweisschilder oder kleine Tümpel und Trockenmauern. Es stößt ihm auch auf, dass mit den Arbeiten eine Firma aus Weiswampach beauftragt wurde. Als Allerletztes kritisiert er, dass es bislang keine Informationsversammlung für die Bürger gab oder gar einen Austausch mit denen, die sich in der Gegend für den Tourismus einsetzen. Viele Einheimische nutzen die „Kräizerbuch“ als Naherholungsgebiet.
Der Hobscheider Bürgermeister Serge Hoffmann (CSV) bestätigt, dass die Gemeinde darüber informiert wurde, dass solche Arbeiten stattfinden. „Das wird gemacht, damit der Wald bewirtschaftet werden kann und dafür geeignete Wege zur Verfügung stehen“, sagt Hoffmann auf Anfrage des Tageblatt. „Dann müssen sie nicht mehr außerhalb der Wege fahren, um damit den Boden zu beschädigen.“ Die „nachhaltige Nutzung und den Unterhalt der Wälder“ bestätigt auch das Landwirtschaftsministerium, dem das „Office de remembrement“ untersteht.
Die Gemeinde Beckerich hat das initiiert
Die Initiative geht auf die Gemeinde Beckerich zurück, die im Februar 2008 einen Antrag auf eine Neuordnung des Waldes in ihrer Kommune eingereicht hat. Im Juli 2009 wurde dem Antrag entsprochen. Bei dem Gelände, um das es geht, gibt es mehrere Waldbesitzer. Die Gemeinden Beckerich, Hobscheid, Ell und Useldingen sowie viele Privatpersonen besitzen Waldparzellen in diesem Gebiet, teilt das Ministerium mit.
Die Infrastrukturarbeiten bei diesem Projekt seien in der Endphase, heißt es weiter aus dem Ministerium. Noch einmal 60 km Waldwege auf dem Gebiet von Tarchamps (fast fertig), Winseler, Eschweiler (Wiltz), Beckerich und Saeul kommen hinzu. Von den 35 Kilometern verbreiterten Wegen wurden rund zwei Drittel lediglich instand gesetzt, teilt das Ministerium weiter mit. Das kostet 50 Euro pro Meter. Beim letzten Drittel wurden nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums neue Wege zu 90 Euro pro Meter angelegt. Das Geld für die Arbeiten ist da. Für 2019 verfügt das ONR über ein Budget von rund fünf Millionen Euro.
Es geht um Holzwirtschaft – zwei verschiedene „Märkte“
Es geht also darum, den Wald zu bewirtschaften. Die Holzwirtschaft gewinnt jährlich 500.000 Kubikmeter Holz aus dem luxemburgischen Wald. Die Hälfte der Waldflächen im Land gehört Privatbesitzern, der Rest der öffentlichen Hand. Diese Informationen stammen vom „Holzcluster“ bei Luxinnovation. Zwei Drittel des Waldes in Luxemburg bestehen aus Laubbäumen, ein Drittel aus Nadelbäumen. „Das sind zwei verschiedene Märkte“, sagt Philippe Genot (39), der „Holzcluster“-Manager.
Das Nadelholz geht überwiegend in den einheimischen Markt, Sägereien und Bauwirtschaft nehmen Holz ab. Luxemburg verfügt über zwei große Sägewerke in Huldingen und Manternach. Ein Viertel des gewonnenen Holzes wird verheizt, weitere 50 Prozent gehen in die Industrie zur Papier- oder Bodenbelagsherstellung. Die Laubhölzer interessieren eher andere. „Sie sind für asiatische Länder interessant“, bestätigt Genot das oft in den Raum gestellte Gerücht, die Chinesen kauften alles, teilweise. Das im Gegensatz zu Nadelholz viel härtere Laubholz wird Tausende Kilometer weiter zur Herstellung von Möbeln oder Stäbchen zum Essen verwendet. Zwischen 50 und 60 Firmen betätigen sich in Luxemburg im Holzhandel und der -gewinnung heißt es beim „Holzcluster“. „Das meiste Holz geht allerdings in die Großregion“, sagt Genot. Wanderer und Menschen, die die Natur in diesem Teil des Landes als Pfund betrachten, mit dem sich touristisch wuchern lässt, werden Aussagen wie diese nicht freuen.
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Wieviel Holzwirtschaft soll es denn werden? Müssen wir uns auf ähnliche Probleme wie in der Landwirtschaft gefasst machen? Krankheitsanfällige Monokulturen statt Mischwald. Grosse abgerodete Waldflächen wie zur Zeit vom Bourscheider Schloss aus zu bestaunen? Gewiss kein touristisches Highlight.
Leider ist das kein Einzelfall. In vielen Wäldern sieht es nicht besser aus. Da werden Waldwege in regelrechte Pisten für schwere Geräte verwandelt, alle paar Jahre wieder durch Waldarbeiten zerstört und neu angelegt. Dabei wird meist ein Untergrund aus Gestein mit Sand überschüttet und platt gewalzt. Beim ersten Gewitterregen, wird die sandige Oberfläche weggespült und zurück bleibt Geröll. Weshalb nicht das steinige Fundament mit einem Gemisch aus Sand und Kies bedecken, wobei beide Elemente sich miteinander verbinden und einen festen, haltbareren Belag bilden ? Leider hat der Wald keine Lobby, ist -ausser dem Holz-für die meisten Gemeinden uninteressant und wird von zu wenig Menschen regelmässig besucht, die auf solche Missstände aufmerksam machen. Neuerdings gibt es sogar eine Gemeinde, die sich selbst als ein Hort der Kultur bezeichnet, die aus dem Wald eine offene Kunststätte macht, dabei aber die Waldwege sträflich vernachlässigt.
Zitat: “ Jeannot Weber, Einwohner von Koerich, fragt sich, wieso derart in die Natur eingegriffen wird, die touristisches Potenzial besitzt“. Da kann ich Herrn Webers Verwunderung nicht nachvollziehen. Denn wenn derart in die Natur eingegriffen wird, dann doch nur um das touristische Potenzial nutzen zu können. Nur für Wildschweine und Rehe werden die Wege wohl kaum angelegt.
Nein, wohl kaum, aber damit die Holzhändler mit ihren schweren Maschinen und Transporter sie wieder kaputt machen!
Janno, kaaf dir e Besch, elo nom Borkekäffer gi se jo ëmmer méi belleg, da kanns du eppes fir d’Allgemengheet machen andeems du an dengem Besch näischt mechs, a jiddereen do ka spadséire goën.
@ Claude Torres. Merci fir Äre gudde Rot. Virwat maach Dir dat dann nët selwer ? Dir schingt Iech jo gutt auszekennen an a Saache Bësch e Spezialist ze sinn!
Nein für Rehe und Wildschweine werden diese Wege nicht angelegt, diese Wege werden ausschließlich angelegt um mit LKW in den Wald zu gelangen.
Es geht um die Ausbeutung des Waldes und schnelle Anfahrt der LKW’s.Viele luxemburger Wälder kann man mit verbundenen Augen durchwandern ohne sich den Kopf an einem Baum zu stoßen. Schön,dass die Öffentlichkeit diese Wege finanziert.
Das sind regelrechte Boulevards!