Recycling Art / „Nei Aarbecht“ und „Okkasiounsbuttik“ vereinen Nachhaltigkeit mit Sozialem
Ausgediente Möbel wegschmeißen oder wiederverwenden? In der heutigen Zeit entscheiden sich immer mehr Menschen für die zweite Variante. Sie wollen ihrer alten Einrichtung ein zweites Leben geben. Genau das und mehr wollen auch „Nei Aarbecht“ aus Helmdingen und der „Okkasiounsbuttik“ aus Differdingen erreichen.
Jeder, der einen Umzug plant, stellt sich dieselbe Frage: Ziehen die alten Möbel mit um oder soll doch etwas Neues in den eigenen vier Wänden stehen? Falls die jetzige Einrichtung ausgedient hat und doch zu schade ist zum Wegwerfen, kommen die Wörter „Reuse“ und „Recycling“ ins Spiel. Möglichkeiten, die Möbel zu verkaufen oder zu verschenken, gibt es etliche: Auf Facebook etwa oder eBay kann jeder (fast) alles an den Mann bringen. Wer sich dazu entschließt, seine Einrichtung zu spenden, kann dies nicht nur online tun.
In Luxemburg gibt es mindestens zwei Anlaufstellen, die sich dem Thema der Wiederverwendbarkeit widmen und einen sozialen Hintergrund haben: die „Nei Aarbecht“ in Helmdingen (Gemeinde Lorentzweiler) und der „Okkasiounsbuttik“, der im Süden des Landes vom CIGL Differdingen betrieben wird. „Heutzutage machen sich die Menschen viel mehr Gedanken darüber, ob sie etwas wegschmeißen wollen oder ob noch jemand anders davon profitieren kann“, sagt Charel Kneip, „chargé de direction“ bei „Nei Aarbecht“.
Im Shop von „Nei Aarbecht“ steht neben Möbeln, Kleidung oder Schuhen alles zum Verkauf, was sich in einem Haushalt finden lässt. Mitarbeiter von „Nei Aarbecht“ holen die Spenden ab. Pro Tag fahren mehrere Lastwagen durch das Land und im Jahr werden 1.000 Tonnen wieder in den Umlauf gebracht.
Wichtig zu erwähnen ist, dass alles in einem guten Zustand sein muss. „Die Sachen müssen wiederverwendbar sein“, sagt Kneip weiter. Da viele ihrer Kunden finanziell schwächer gestellt seien, bewohnten sie kleinere Wohnungen. „Ein Wandschrank, der fünf Meter breit und 2,50 Meter hoch ist, passt nicht dort hinein.“
Dass das Geschäft von „Nei Aarbecht“ seine Wichtigkeit hat, zeigt sich daran, dass kurz vor der Öffnung um 14.00 Uhr bereits um die 80 Menschen vor der Tür warten. Täglich finden, laut Charel Kneip, mehr als 200 potenzielle Kunden den Weg zum Shop. Und jeder ist willkommen: So finden – neben Menschen, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben – auch Studenten ihre erste Wohnungseinrichtung oder Sammler eine Rarität.
55 Angestellte bringen sich ein
Dazu richtet „Nei Aarbecht“ auch Wohnungen ein, die über die „Offices sociaux“ oder andere soziale Organisationen vermietet werden. Pro Jahr kommen auf diese Weise 60-80 Familien in den Genuss einer neuen Wohnungseinrichtung, schätzt Kneip.
Das soziale und solidarische Unternehmen „Nei Aarbecht“, das Teil des CNDS („Comité national de défense sociale“) ist, wurde 1986 mit dem Ziel gegründet, Langzeitarbeitslose auf sozialer und beruflicher Ebene zu integrieren. Zurzeit betreut „Nei Aarbecht“ 55 Angestellte, die je nach ihren Fähigkeiten in den verschiedenen Ateliers oder im Geschäft aktiv werden können.
Ob in der Schreinerei, im Fahrrad- oder Elektro-Atelier: Das ganze Konzept funktioniert nach dem Motto „Learning by doing“. Gerade bei den Elektrogeräten stapeln sich Einzel- und Ersatzteile oder auch die Musikboxen. „Etwas, das uns wirklich fehlt, ist Platz. Sonst könnten wir noch viel mehr machen“, sagt Kneip.
Um die 8.000 Elektronikgeräte kommen jährlich im Shop an. Seit 2018 läuft das Projekt „Social reuse“ mit den Ökozentren Junglinster, Hesperingen und Münsbach sowie mit dem Sivec („Syndicat intercommunal à vocation écologique“) Schiffingen und dem Sidec („Syndicat intercommunal pour les gestions des déchets“) Mersch. Dort sammelt „Nei Aarbecht“ einmal im Monat Elektrogeräte ein, die abgegeben wurden. Wenn diese noch funktionieren, werden sie weiterverkauft, wenn nicht, werden sie auseinandergenommen, um die wiederverwendbaren Teile als Ersatzmaterial aufzuheben.
Verstärkte Präsenz durch Facebook
Zum Thema „Upcycling“ sind vor allem die Schreinerarbeiten zu erwähnen. Aus dem Holz von alten Möbeln, die nicht mehr verkauft werden können, entstehen z.B. Vogelhäuschen, Kommoden, Schränke oder Dekoartikel. Die Idee sei schon, diesen kreativeren Bereich auszubauen, so Kneip.
Alle Artikel können auf der eigenen Facebook-Seite reserviert werden. „Mit dem Facebook-Shop wollen wir uns verstärkt nach außen präsentieren. Das hat bisher gefehlt.“ Die Kunden müssen die Artikel jedoch selbst vor Ort abholen. Da samstags geschlossen ist, stellt das für viele ein Problem dar. Am Samstag zu öffnen, sei eine Überlegung wert, so Kneip. Das sei auch eine Frage der Organisation, die noch beantwortet werden müsse.
„Nei Aarbecht“ finanziert sich zum Teil selbst und ist deswegen auf die Verkäufe angewiesen. „Unsere Grundidee ist, dass sich Menschen, die nicht viel haben, für wenig Geld neu einrichten können.“ Dabei werde nicht kontrolliert, wer im Geschäft einkaufe. Solange diejenigen, die es nötig haben, auch immer etwas finden, würde man es so belassen.
Auf Facebook kostet die Ware etwas mehr als im Geschäft: „Jemand, der finanziell nicht so gut dasteht, kommt nicht für eine wertvolle Vase, sondern um sich einzukleiden oder für ein Bett.“ Deswegen werde eine solche Vase online angeboten, wo eine andere Kundschaft erreicht werde.
Kreativ werden in Differdingen
Im Süden des Landes vereint das CIGL Differdingen ebenfalls Nachhaltigkeit und soziale Arbeit. Dabei konzentriert sich dieser „Service“ des CIGL („Centre d’initiative et de gestion local“) auf Möbel und Dekorationsartikel. Die Mitarbeiter holen wie bei „Nei Aarbecht“ die Möbelspenden vor Ort ab. Im Atelier im Differdinger Creative Hub 1535° werden die Möbelstücke repariert oder kreativ wiederverwertet. Anschließend werden die Secondhand-Möbel sowie die Eigenkreationen im „Okkasiounsbuttik“ im Belval Plaza zum Verkauf ausgestellt. „Rund 20 Menschen sind im ,Okkasiounsbuttik‘ aktiv: Die einen arbeiten im Atelier oder in der Verwaltung, andere im Verkauf, holen die Möbel ab oder liefern sie aus“, erklärt Gesamtkoordinatorin Kathy Nachtsheim. Die Einnahmen durch den Verkauf fließen wieder in das Projekt.
Einen Onlineshop gibt es bisher noch nicht. Doch es wird daran gearbeitet, die Homepage benutzerfreundlicher zu gestalten, so die Servicekoordinatorin des „Buttik“, Edith Weis. Auch bei der Preisfestsetzung möchte der „Okkasiounsbuttik“ sozial handeln: Kunden der luxemburgischen Sozialdienste erhalten einen Rabatt von 50 Prozent auf Möbel aus zweiter Hand. Studierende können ebenfalls von einem Rabatt profitieren.
Bei den „Recycling Art“-Artikeln liegen die Preise etwas höher als bei den gebrauchten Möbeln. Hier werden zum Teil die Arbeitsstunden sowie die Materialkosten mit einberechnet. „Es ist schön, dass unsere Mitarbeiter ihre Ideen in einem Möbelstück umsetzen können.“ Jedes Exemplar sehe deswegen anders aus. Das Ergebnis ihrer Eigenkreationen wisse die Kundschaft sehr zu schätzen. „Für unsere Mitarbeiter ist das eine Aufwertung ihrer Arbeit“, so die Gesamtkoordinatorin Kathy Nachtsheim.
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