Berlinale / Networking zwischen Häppchen, Crémant und einem kaputten Reißverschluss
Luxemburgs Gala-Pendant zur Eröffnungsfeier der Berlinale ist ganz klar der Empfang in der Botschaft, die seit Jahren ein lokales Promi-Defilee ist – hier trifft sich alles, was in der hiesigen Filmbranche Rang und Namen hat, hört neun Minuten Reden zu, stürzt sich danach auf die Häppchen, den Crémant und den Weißwein und knüpft zwischen zwei Gläsern Kontakte. Ein Gonzo-Bericht.
Montag, 18.23 Uhr in der Bar des Golden Tulip Hotel in Berlin. Ich schließe das Interview mit der Regisseurin Laura Schroeder, deren nächster Film „Maret“ für den Berlinale-Koproduktionsmarkt ausgewählt wurde, ab und wir machen uns auf den Weg zur Botschaft, die knappe sieben Minuten Fußweg entfernt ist. In der Lobby des Hotels hält eine Frau die luxemburgische Filmemacherin an: „Can you help me with my dress?“ Sie zeigt auf ihren leicht überforderten Begleiter: „He’s a man, maybe that’s why he doesn’t succeed.“ Wir bleiben stehen, Laura Schroeder versucht, der Dame zu helfen, den Reißverschluss des Kleides zu schließen.
Die Frau lässt nicht locker, obwohl es schnell ziemlich offensichtlich wird, dass der Verschluss nicht nur klemmt, sondern kaputt ist. „Wo müssen Sie denn hin?“, fragt die luxemburgische Regisseurin, während ich an der Rezeption Schlange stehe, um nach Sicherheitsnadeln zu fragen – und einen Blick auf die Uhr werfe, ich darf die paar Reden nicht verpassen, sonst fehlt es diesem Artikel an Infos und Text, wenn eventuell auch nicht an Inhalt.
Ein Who is Who der Filmszene
„Ich muss gleich noch zu drei verschiedenen Feten“, erklärt die Frau. Wie sich herausstellt, ist eine davon der Empfang in der luxemburgischen Botschaft. Wir ergattern eine winzige Sicherheitsnadel beim Rezeptionisten, die beiden zeigen sich zufrieden, obwohl es eher unwahrscheinlich erscheint, dass diese Nadel das Problem beheben wird.
Für das Rendezvous sind fast 700 Menschen angemeldet – falls alle auftauchen würden, wäre es fraglich, ob dies kein Sicherheitsproblem darstellen würde, aus Erfahrung weiß man aber, dass nicht jeder geladene Gast zur gleichen Zeit anwesend ist. Bewegungsraum gibt es dennoch fast keinen. Neben Schauspielerinnen wie Leila Schaus oder Fabienne Hollwege trifft man auf den Filmemacher Donato Rotunno oder tritt der Produzentin Bady Minck auf die Füße, die mir erzählt, dass die iranische Fernsehsendung, die in der luxemburgischen Koproduktion „Yalda“ stark kritisiert wird (der Film zeigt, wie die Sendung über das Leben einer zu Tode verurteilten Frau entscheidet), nun abgesetzt wurde – definitiv ein Grund zum Anstoßen, meint die Produzentin zu Recht.
Schauspieler Alexandre Hornbeck und Regisseurin Aude-Laurence Biver vertreten „actors.lu“ und verteilen Visitenkarten – interessant sind bei diesem Zusammenkommen eben auch die internationalen Partner, die vor Ort sind und mit denen hier informelles Networking betrieben werden kann. Der Botschafter Jean Graff beginnt seine kurze Rede, weist auf den 70. Geburtstag der Berlinale und die Tradition seiner Rezeption hin, neben mir flüstert jemand seinem Nachbarn zu, dass Graff ein schlechter Redner sei. Den Crémant trinkt man aber, ohne groß zu meckern.
Choreografie der Unbeholfenheit
Ein Besucher winkt einen der Kellner zu sich – sein Sektglas ist leer. Der Kellner eilt herbei, während ein Mann im Frack just in diesem Moment einen Schritt nach hinten macht. Es kommt zur Kollision, das Ganze wirkt wie eine Choreografie der Unbeholfenheit (man denkt, falls man das Tanzstück gesehen hat, an Giovanni Zazeras „Until You Fall“). Crémant läuft am Frack herunter und tropft in die schicken Schuhe, der Mann lässt sich nichts anmerken, während der Schuldige eine Grimasse schneidet – und dabei an seinem nachgefüllten Glas nippt.
Gleichzeitig beginnt Guy Daleiden, der Direktor des Film Fund, seine Rede mit einer Referenz auf den öffentlichen Transport, der ab nächstem Monat gratis sein wird. Was das mit der Berlinale zu tun habe? Rein gar nichts, meint Daleiden, und legt den Akzent dann auf den Erfolg von „Yalda“ beim Sundance-Festival und auf die zweite auf dem Festival projizierte Koproduktion „Jumbo“ – eine Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einer Maschine, laut Daleiden ein „sehr poetischer Film, aber (sic!) ihr dürft ihn nicht verpassen“.
Anschließend erwähnt Daleiden den diesjährigen 30. Geburtstag des Film Fund sowie die wichtige Rolle des Kinos und der Koproduktion im Kampf gegen Rassismus und für die Völkerverständigung. Eine klassische Rede, die mit der lokalen Dimension anfängt und sich dann gen Ende auf allgemeingültige Betrachtungen fokussiert – und die mit der Eröffnung des Buffets prosaisch zu Ende geführt wird.
Am Ende des Empfangs teilt mir Laura Schroeder dann mit, dass die Frau, die im Golden Tulip Probleme mit dem Reißverschluss hatte – die Szene war so absurd, dass sie eigentlich als Eröffnungssequenz eines Films oder eines Romans dienen könnte – niemand anderes als Behnaz Jafari war, eine der beiden Hauptdarstellerinnen aus „Yalda“. Wie die Schauspielerin das Reißverschlussproblem löste, konnte ich nicht in Erfahrung bringen: Ich musste zum nächsten relevanten Wettbewerbsfilm eilen.
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