Luxemburg / Neue Daten: So viele Wohnungslose wurden in der Hauptstadt und in Esch gezählt
Immer mehr Menschen leben in Luxemburg-Stadt aktuell auf der Straße – darauf lassen zumindest die Ergebnisse einer Zählung von Wohnungslosen schließen, die bereits fünf Mal in der Hauptstadt stattfand. Auch zur Situation in Esch liegen neue Daten vor.
Zahlen zur Wohnungslosigkeit – die gab es lange Zeit in Luxemburg nicht. Mit bis dato fünf Erhebungen vom „Ministère de la Famille, des Solidarités, du Vivre ensemble et de l’Accueil“ (MFSVA) und von „Inter-Actions“ wird inzwischen versucht, die Lage zumindest in den beiden größten Städten des Landes zu erfassen. Dazu fand am 27. Juni 2024 in Luxemburg-Stadt sowie in Esch die vierte Zählung der Menschen auf der Straße statt, deren Ergebnisse dem Tageblatt vorliegen. Insgesamt 86 Fachkräfte aus dem sozialen Bereich registrierten an dem genannten Abend zwischen 17 Uhr und Mitternacht 238 Personen ohne feste Unterkunft: 210 in Luxemburg-Stadt und 28 in Esch. Hinzu kamen 68 Menschen, die vorübergehend in Heimen für Wohnungslose unterkamen, wie dem „Centre Ulysse“ in der Hauptstadt oder im Escher „Abrisud“.
Die Anzahl der Obdachlosen in den 24 Vierteln von Luxemburg-Stadt fällt damit leicht höher aus als noch bei vorangegangenen Ausgaben. Zum Vergleich: Im Dezember 2023 wurden 195 Betroffene in der Hauptstadt angetroffen, im Juni 2023 insgesamt 193. Im Oktober 2022 waren es bei der ersten Befragung 197. „In der Stadt Luxemburg ist (…) eine wahrnehmbare Evolution der Anzahl der erfassten Personen festzustellen“, heißt es in dem Bericht. Vor allem in den Vierteln Grund, Bahnhofsviertel und Bonneweg halten sich diesem zufolge inzwischen mehr Menschen ohne festen Wohnsitz auf.
Die meisten von ihnen waren an dem Abend aber in der Oberstadt, im Bahnhofsviertel und in Bonneweg-Süd unterwegs: Mehr als 80 Prozent hielten sich dort auf. Rund drei von zehn gezählten Personen in der Hauptstadt wurden laut dem Bericht alleine in der Oberstadt angetroffen. „Die Anzahl ist im Vergleich zur Ausgabe vom Dezember 2023 gesunken, entspricht jedoch der vom Juni 2023. Ein saisonales Phänomen zeichnet sich ab: Im Winter werden mehr Obdachlose gezählt“, wird in dem 54 Seiten langen Dokument festgestellt. Im Juni 2023 sowie 2024 hielten sich demzufolge etwa gleich viele Wohnungslose in der Hauptstadt auf – an der Anzahl hat das im Dezember 2023 eingeführte Bettelverbot also nichts geändert.
Rückgang in Esch
Und wie sieht die Situation in Esch aus? In den 18 Vierteln der zweitgrößten Stadt des Landes wurden bislang erst zwei Befragungen durchgeführt. Im Dezember 2023 wurden dabei 39 Wohnungslose gezählt, jetzt 28. Es gibt also einen Rückgang zu verzeichnen. Die meisten der Betroffenen, nämlich zehn, waren an dem Juniabend in „Al-Esch“ unterwegs und fünf weitere hielten sich bei der Universität in Belval auf. Auch in den Vierteln „Schlassgoart“ und Lallingen wurden laut dem Bericht Betroffene verzeichnet. In „Brill“ und „Uecht“ war das – im Gegensatz zur letzten Ausgabe – aber nicht mehr der Fall.
Von den insgesamt 306 Menschen in der Hauptstadt und in Esch wurden 161 auf der Straße angetroffen, 71 in Notunterkünften, sechs in Krankenhäusern und 68 in Wohnheimen. Manche von ihnen waren dazu bereit, verschiedene Fragen zu beantworten. Von 134 Befragten gaben dabei je 20 Prozent an, dass sie wegen familiärer oder finanzieller Probleme auf der Straße gelandet sind. Weitere 16 Prozent sagten, dass sie ohne Unterkunft nach Luxemburg kamen und bislang keine gefunden hätten.
Ein Großteil würde die Wohnungslosigkeit gerne hinter sich lassen, nämlich 94 Prozent von 140 Personen, die diese Frage beantworteten. Mehr als 84 Prozent von 139 Befragten wenden sich an Fachkräfte aus dem sozialen Bereich, um eine Wohnung bzw. Arbeit zu finden, oder sich medizinisch versorgen zu lassen. Insgesamt 235 der erfassten Personen waren übrigens an dem Abend alleine unterwegs. Nur 52 hielten sich in Gruppen auf und 15 mit ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner. Bei vier wurden keine Angaben gemacht.
Vor allem Männer betroffen
Die Mehrheit der Wohnungslosen ist männlich. So wurden 247 Männer, 55 Frauen und vier Personen unbekanntes Geschlechts registriert (Letztere konnten zwar gezählt, aber nicht befragt werden, da sie zum Beispiel schliefen). Das spiegelt die Geschlechterverhältnisse wider, die sich auch bei Rundgängen der Streetwork-Dienste oder während Sozialsprechstunden offenbaren. Das Durchschnittsalter von 130 Personen, die die entsprechende Frage dazu beantworteten, lag bei 43 Jahren. „Die am stärksten vertretenen Altersgruppen sind 31-40 und 41-50 Jahre, was mit früheren Ausgaben übereinstimmt.“
Die Methodik und ihre Grenzen
Insgesamt 86 Fachkräfte aus dem sozialen Bereich waren am Donnerstagabend vom 27. Juni 2024 in Luxemburg-Stadt und in Esch unterwegs, um die Anzahl an obdach- und wohnungslosen Menschen zu erfassen. Dabei wurden 306 Personen gezählt, von denen 140 bereit waren, einen Fragebogen auszufüllen. Jedoch wurden nicht immer alle Fragen beantwortet. Die Zahl von 306 Wohnungslosen darf übrigens nicht als feste Anzahl für das ganze Land gewertet werden. Denn, wie es in dem Bericht heißt: „Es handelt sich um eine Momentaufnahme der Anzahl der Personen, die zu einem festen Zeitpunkt und zu festen Uhrzeiten auf der Straße und in Notunterkünften angetroffen wurden.“ Außerdem erfolgt die Erfassung bislang nur in den beiden größten Städten des Landes und kann laut dem zuständigen Ministerium erst nach Zustimmung der Gemeinden auf andere Gebiete ausgeweitet werden. Von einer weitaus höheren Dunkelziffer an Betroffenen ist also auszugehen.
Mehr als sieben von zehn Befragten haben dem Bericht zufolge die luxemburgische Nationalität oder kommen, allgemeiner gesagt, aus Europa. Die Mehrheit – nämlich rund acht von zehn Personen – lebt das ganze Jahr über im Großherzogtum. „Lediglich eine Person, die seit mehr als einem Jahr in Luxemburg lebt, gab an, sich zwischen neun und elf Monaten im Jahr im Land aufzuhalten“, wird in dem Dokument erklärt. Rund sieben von zehn Personen gaben an, seit mehr als fünf Jahren in Luxemburg zu leben. Diese und weitere Zahlen sollen bald auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht werden.
Dort werden in einigen Monaten dann wohl auch die Ergebnisse der fünften Zählung zu finden sein, die am 12. Dezember 2024 ab 17 Uhr in der Hauptstadt, in Esch und in den Räumlichkeiten der Winteraktion (WAK) am Findel stattfand. Wie zuverlässig die gesammelten Daten sind, wird sich allerdings zeigen müssen. Denn: An diesem Tag fand bis 18 Uhr die Weihnachtsfeier der „Stëmm vun der Strooss“ im Bonneweger Kulturzentrum statt, die auch viele Wohnungslose gerne besuchen. Einige von ihnen dürften deshalb in den frühen Abendstunden nicht auf der Straße anzutreffen gewesen sein. Die Nachfrage beim Ministerium, ob und wie diese Tatsache bei der Auswertung der Daten berücksichtigt wird, blieb bislang unbeantwortet.
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