/ Neue Helden in modernen Rüstungen: Schüler zeigen die Kämpfernaturen von heute
Jeder zieht tagtäglich in seinen eigenen Kampf. Ums Überleben. Gegen den Faschismus. Oder vielleicht auch einfach, um eine zweite Socke in der gleichen Farbe zu finden. Kämpfer tragen längst keine Rüstungen mehr, dafür aber wahlweise Strumpfhosen, knallige Röcke oder zeigen Mut, indem sie blankziehen und Narben offenlegen. Drei Klassen des „Lycée technique des arts et métiers“ haben die Augen aufgehalten, um ebendiese neuen Helden zu finden. Und es hat geklappt.
Warrior!
noch bis zum 20. Februar
täglich von 11 bis 18 Uhr
in der „Chapelle“ der Abtei Neumünster
Obwohl Danielas Foto auf den ersten Blick etwas pessimistisch, gar zynisch wirkt, trifft sie den Nagel auf den Kopf. Durch eine subtile Provokation regt sie das (glücklicherweise) von blutigen Konflikten verschonte Luxemburg zum Nachdenken an. Laut ihr wird es Zeit, sich darüber klarzuwerden, über was sich hier eigentlich beschwert wird und für was es sich aber letztendlich wirklich zu kämpfen lohnen würde. Zwar sei man im Großherzogtum weit von vielen Krisen entfernt, jedoch trage man dafür nicht weniger Verantwortung in einem globalen Kontext, findet die junge Schülerin.
Während Daniela bei der Diskussion um den Ausgangspunkt der nun in „Neimënster“ gezeigten Kunstwerke – nämlich moderne Kämpfe – beispielsweise das internationale Klimaabkommen erwähnt, sprechen ihre Mitschüler weitere soziopolitische Themen an und man wird sich gewahr: Über diese jungen Menschen kann man viel sagen, aber mit Sicherheit nicht, dass sie sich keine Gedanken machen.
Trotz Niederlagen weitermachen
Als sie sowie ihre Mitschüler und Mitschülerinnen im vergangenen Jahr auf die luxemburgische Choreografin Anne Mareike Hess trafen, die mit „Warrior“ ihren ganz eigenen modernen Kriegstanz in Luxemburg uraufführte, bekamen sie die Aufgabe, ebenso wie die Tänzerin den Kämpferbegriff neu zu denken und ihm im Rahmen von fotografischen und grafischen Arbeiten Form zu verleihen.
Aus der künstlerischen Auseinandersetzung, die von Hess wie von den Lehrern Patrice Pütz, Ralph Kilburg und Joseph Tomassini begleitetet wurde, resultierten unter anderem Abbildungen von paralympischen Sportlern, Mädchen, die einengende Maßbänder durchreißen und Bodyshaming den Kampf ansagen, oder auch von Menschen, die im Angesicht von lebensbedrohlichen Krankheiten und Verletzungen nicht aufgeben.
„Eine verlorene Schlacht bedeutet längst noch nicht, dass man den Krieg nicht noch gewinnen kann.“ Was äußerst martialisch daherkommt, ist weit davon entfernt, es auch zu sein. Eine gefühlte Niederlage im Leben, meint Christophe, bedeute längst noch nicht, dass es nicht doch weitergehen könne. Solange man kämpfe, habe man noch nicht verloren, heißt es weiter. Man fühlt sich leicht an den wichtigen Leitspruch Bertolt Brechts erinnert.
Es brauche heute nicht mehr zwingend Nationen, hochmoderne Waffen oder überhaupt einen Feind, damit Kämpfe notwendig würden. Das Schlachtfeld befinde sich nicht selten im eigenen Kopf und es brauche daher kein Muskeltraining, sondern geistige Kraft, um voranzukommen, so der Tenor der Schüler im Gespräch mit dem Tageblatt. Unter den interviewten Heranwachsenden herrscht ein sehr kritischer Umgang mit Stereotypen, Rollenbildern und Klischees. Sowohl in Bezug auf die Thematik als auch auf die künstlerische Umsetzung.
Im Box-Ring mit den eigenen Gedanken
Stella hat sich mit ihrem Lieblingssport, dem Eishockey, beschäftigt. Dieser Mannschaftssport erfreut sich noch nicht allzu großer Bekanntheit in Luxemburg. Außerdem sind in diesem Bereich bisher wenige Frauen vertreten. „Mir ist es wichtig, hier zu zeigen, dass Kraft mehrere Dinge gleichzeitig bedeuten kann. Natürlich braucht man sie im Sport. Man benötigt jedoch ebenso Durchhaltevermögen, wenn einem häufig kommuniziert wird, man sei aufgrund seines Geschlechts nicht dafür geeignet. Ich bin da absolut anderer Meinung und gebe diese Botschaft gerne anderen mit auf den Weg.“
„Wenn jemand beispielsweise einen Herzinfarkt hat, dann spielt das Geschlecht keine Rolle, du musst zum Kämpfer werden für ebendiese Person und ihr helfen“, erklärt Diana. In ihrer Arbeit hat sie boxende Männer wie auch Frauen darstellt, und zwar nicht nur während sie in Bewegung sind, sondern auch in Momenten der Ruhe. Ihrer Auffassung nach braucht jeder diese, um – ob nun beim Sport oder im alltäglichen Leben – die nächste „Round“ wohlbehalten zu überstehen.
Wenn auch gewissermaßen mit körperlichem Bezug, so zielen Lisas Arbeiten, die sich auf einem anderen (Kriegs-)Schauplatz abspielen, doch in eine Richtung. Es ist ihr gelungen, darauf hinzuweisen, dass sich im wahrsten Sinne des Wortes unter der Oberfläche wahre Kämpfernaturen verbergen können. Sie hatte einen Aufruf gestartet und nach Personen gesucht, die bereit sind, sich und ihre Narben vor der Kamera zu zeigen. Während die Schülerin von ihren Modellen spricht, die teils schwere Verbrennungen, Operationen im Rahmen von Krebserkrankungen oder Herzproblemen überstanden haben, zeigt sie sich tief beeindruckt. Nicht nur von deren Vertrauen ihr gegenüber, sondern auch von ihrem Mut, der weit mehr Anerkennung verdiene, wie Lisa feststellt.
Thierry hat im Gegensatz zu vielen anderen zwar ein klassischeres Kriegsmotiv gewählt, jedoch wirft er einen eher unklassichen Blick darauf. Er besuchte das Militärmuseum in Diekirch und befasst sich damit, wie die Geschichte von Kämpfen aufgearbeitet wird. Eine Auseinandersetzung, die in Zeiten, in denen immer mehr Zeitzeugen von großen Konflikten sterben, definitiv essenziell ist. „Im Museum sieht man sich in der Regel eher einer statischen Situation gegenüber“, sagt Thierry. „Das, was sich bewegt, sind die Gedanken und die mit ihnen einhergehenden Interpretationen, die aus der Konfrontation mit dem Gesehenen entstehen.“
Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Anne Schaaf.
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