Luxemburg-Stadt / „Nicht auf meinem Mist gewachsen“: Bettelverbot löst bei städtischer DP Spannungen aus
Die Diskussion um das sogenannte Bettelverbot in Luxemburg-Stadt nimmt kein Ende – und stiftet aktuell zumindest bei einer von zwei dafür verantwortlichen Parteien Unruhe. Spätestens die letzte Sitzung des städtischen Gemeinderats zeigte, dass sich einige Mitglieder der DP damit schwertun.
Ein Jahr ist es bald her, dass DP und CSV in einer Sitzung des städtischen Gemeinderats für eine Änderung der städtischen Polizeiverordnung stimmten und damit den Weg für das sogenannte „Bettelverbot“ ebneten. Eine Regelung, die kontrovers diskutiert wurde und momentan zumindest bei einer der beiden dafür verantwortlichen Parteien zunehmend für Spannungen sorgt. Das war zuletzt in der Gemeinderatssitzung Ende Februar zu spüren, während der es in den Reihen der DP immer wieder Unruhe gab.
Vor Beginn der Sitzung betraten die Gemeinderatsmitglieder der liberalen Partei nach einer Fraktionssitzung gemeinsam den Saal am „Knuedler“ – in dem Rätin Colette Mart (DP) bereits seit einigen Minuten saß. Sie war bei den Gesprächen zuvor nicht dabei, in denen es auch um den Umgang mit umstrittenen Aussagen von Simone Beissel (DP) gegangen sein durfte. Ein Video, in dem die liberale Schöffin mit der ehemaligen EU-Abgeordneten Astrid Lulling (CSV) über das Bettelverbot diskutiert, hatte in den Tagen davor Aufsehen erregt. Für ihren Ton sowie die Wortwahl hatte sich Simone Beissel nach Verbreitung des Videos zwar entschuldigt, inhaltlich allerdings hielt sie an ihren Äußerungen fest.
Nicht auf einer Linie
Und das unterstützen nicht alle Mitglieder der städtischen DP-Sektion. „Ich habe dunkle Haare und die dunkle Haut geerbt, wurde als Kind ‚Neger’ beschimpft und als junges Mädchen als ‚Café au lait’ bezeichnet. (…) Das kommt mir jetzt in Erinnerung“, schrieb Colette Mart an dem Tag in einem Beitrag in den sozialen Medien, in dem das Video ihrer Parteikollegin zunehmend verbreitet wurde – ohne dabei explizit darauf einzugehen oder den Namen von Simone Beissel zu nennen. In Kommentaren unter dem Beitrag bedauerte Colette Mart, dass diskriminierende Äußerungen immer noch aktuell sind.
Andere Parteimitglieder teilen ihre Äußerungen zumindest im wortwörtlichen Sinne: Denn die neue Hauptstadtschöffin Corinne Cahen (DP) verlinkte den Beitrag von Colette Mart auf ihrer eigenen Seite in den sozialen Medien und schrieb dazu: „Bravo Colette für deinen Beitrag. Wir sind alle Ausländer. Fast überall.“ In einem Interview mit dem Radiosender 100,7 Ende Januar hatte die ehemalige Familienministerin nicht klar beantwortet, ob sie hinter dem umstrittenen Artikel 42 steht. „Ich glaube immer noch nicht, dass jemand, der einfach mit dem Becher da sitzt, protokolliert wird“, antwortete sie ausweichend auf die konkrete Frage der Journalistin. Deutlicher wurde sie da in einem Kommentar in den sozialen Medien am Dienstag. Unter einem Beitrag, in dem sie in Zusammenhang mit dem Bettelverbot erwähnt wird, schrieb sie: „Mir ist es wichtig zu betonen, dass das ‚Bettelverbot’ nicht auf meinem Mist gewachsen ist und dass ich zu dem Moment noch nicht im Schöffenrat war.“
Ich will mich nicht fremd fühlen im GemeinderatRätin
Und an noch einer scheinen die Diskussionen um das Bettelverbot nicht spurlos vorbeizugehen: Nach einem kurzen Wortwechsel mit Colette Mart brach Rätin Sylvia Camarda (DP) von der Mehrheit des Schöffenrats offenbar unbemerkt in der letzten Gemeinderatssitzung in Tränen aus. Schon bei der Sitzung zuvor im Januar war aufgefallen, dass die Ehefrau von Yann Tonnar – dem Bruder von Serge Tonnar, der sich in der Debatte um das Bettelverbot stark gegen dieses einsetzt – zu Beginn der Diskussion über die Abschaffung von Artikel 42 in der städtischen Polizeiverordnung mit dem Handy am Ohr den Raum verlassen hatte. Und: Als Ende März 2023 erstmals über das Bettelverbot abgestimmt wurde, war sie ebenfalls nicht im Raum. Kontaktversuche vom Tageblatt blieben bisher unbeantwortet.
Lob von der Opposition
Dass Sylvia Camarda und andere Mitglieder der Partei sich aktuell mit der Linie der DP schwertun, ist auch in den Oppositionsreihen aufgefallen. „Wir haben mitgekriegt, dass mindestens eine Person nicht damit einverstanden ist und das ist Sylvia Camarda. Aber wir spüren auch, dass andere Leute ebenfalls nicht überzeugt sind“, sagt François Benoy von „déi gréng“. Er findet es mutig, die Entscheidung der eigenen Partei nicht zu unterstützen.
Auch Maxime Miltgen von den „Stater Sozialisten“ spricht von Spannungen in der letzten Ratssitzung, was sie an Blicken, der Körperhaltung und dem Verhalten mancher Ratsmitglieder festmacht. Bei der Diskussion um das Bettelverbot hatte sie während der letzten Sitzung einen Beitrag von Colette Mart in den sozialen Medien gelobt. Und sagt auf Nachfrage vom Tageblatt: „Es ist gut für eine Demokratie, wenn verschiedene Positionen vertreten werden. Es beruhigt mich, zu wissen, dass manche anderer Meinung sind.“ Die Sozialistin hofft, dass die Betroffene sich nicht entmutigen lässt und weiterhin innerhalb ihrer Partei für ihre Meinung kämpft.
„Dass DP-Räte die Partei verlassen, ist nicht wahrscheinlich. Zu dem epochalen Ereignis, dass jemand mit der Opposition stimmt, dürfte es so schnell auch nicht kommen“, heißt es in einem Artikel im Lëtzebuerger Land, in dem die offensichtlichen Spannungen bei der DP beschrieben werden. Und das dürfte bis auf Weiteres so stimmen. In Bezug auf die Möglichkeit, gegen die eigene Partei zu stimmen, schrieb Colette Mart kürzlich nämlich in den sozialen Medien: „Das habe ich 25 Jahre lang nicht gemacht und habe es auch nicht vor.“ Die Frau, die sich selbst als linksliberale Politikerin bezeichnet, unterstrich aber: „Ich will mich nicht fremd fühlen im Gemeinderat. Und dafür werde ich kämpfen.“
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Das Zitat von Corinne Cahen anders formuliert: Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts. Wie süss.