Editorial / „Nicht illegal. Nur asozial“: Was OpenLux über Luxemburg verrät
Was für ein Schauspiel. Die staatstragenden Parteien liegen sich in den neoliberalen Armen. Die kleineren Oppositionsparteien inszenieren sich als Robin Hood. Für die einen eine Kampagne der internationalen Lügenpresse, für die anderen Einblicke in das Herz der Finanzhölle. Bei einem Punkt reagieren aber alle kleinlaut und geloben Besserung: Geldwäsche durch den Transitstaat Luxemburg. Doch dazu später mehr.
Was die OpenLux-Affäre die letzten Tage vor Augen geführt hat: Luxemburg entdeckt mal wieder seinen Finanzplatz, den europäischen Binnenmarkt – und die Interessen multinationaler Unternehmen sowie Superreicher. Dass sich einiges verbessert hat, seit z.B. Antoine Deltour seine Existenz aufs Spiel setzte, um Missstände aufzudecken, wird rückblickend umgedeutet. Die Regierungs-Schiene lautet: alles freiwillig, wir sind Weltmeister der Transparenz. Die Kritiker meinen: alles wie vorher, nichts hat sich geändert. In der öffentlichen Diskussion wird legale – wenn auch höchst fragwürdige, aber v.a. international regulierbare – Steueroptimierung z.T. in den gleichen Topf wie illegale Geldwäsche geworfen. Dabei ist diese Optimierung oft nur eins: „Neben Betrug und Abzockerei der Unternehmersport. Politik-gefördert. Nicht illegal. Nur asozial.“ So das Bonmot des Systemanalytikers Frank Wisniewski.
Dass die Regierung diese Woche ein leichtes Spiel hatte, verdankt sie ihrer effizienten Kommunikationskampagne. Finanzminister Pierre Gramegna setzte in der Chamber den Deutungsrahmen: Steueroptimierung, Geldwäsche und der Neid der Nachbarn. Mit einem Triple AAA könne man sich zwar beim Bäcker keine „Baguette méi bëlleg“ kaufen, dafür aber Luxemburgs Zukunft sichern. Die Botschaft: Allein der Kompetitivität wegen haben wir mit umstrittenen Praktiken der Vergangenheit gebrochen. Der Gegenvorwurf: Die Grenzen zwischen illegitimem Missbrauch der Steuersysteme und illegalem Betrug verschwimmen zunehmend. Was stimmt also?
Luxemburg hat zumindest aus Sicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Fortschritte gemacht. Heißt: Die Bekämpfung der Abwärtsspirale in Sachen Steuerwettbewerb wurde durch eine länderübergreifende Herangehensweise verstärkt. Dass es zu Fortschritten kam, hatte u.a. mit dem globalen Prozess rund um BEPS („Base erosion and profit shifting“) und infolgedessen mit etlichen regulatorischen Schritten auf europäischer Ebene zu tun. Von einem Systemwandel sind wir dennoch meilenweit entfernt. Die Ermöglichung von Steueroptimierung ist und bleibt keine Luxemburger Spezifität.
Umso hässlicher wird es, wenn man das von OpenLux kritisierte System bis ans Ende verfolgt und fragt: Was passiert eigentlich, wenn unser Finanz- und Justizsystem mit tatsächlich illegalen Praktiken wie Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung konfrontiert wird? Diese Frage stellt sich auch das Schreckgespenst der Luxemburger Regierung und Justiz: die „Groupe d’action financière“, kurz GAFI. 2010 waren die Antworten ungenügend: Luxemburg landete kurzzeitig auf einer grauen Liste – mit schweren Vorwürfen. Wurden damals v.a. Gesetzestexte untersucht, steht heute auch die konkrete Umsetzung der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung im Vordergrund. Und genau hier zeigt der Blick auf die dünne Personaldecke, dass Luxemburg entgegen der Regierungs-PR schlecht aufgestellt ist, um die „schwarzen Schafe“ zu bekämpfen. „Cellule de renseignement financier“ (CRF) und „Parquet économique“ müssen sich gezwungenermaßen auf ausländische Manpower und deren Knowhow verlassen.
So zeigen Recherchen der Wochenzeitung Woxx in Zusammenarbeit mit IrpiMedia, dass das GAFI bei seiner nächsten Visite wenig Grund zur Freude haben könnte. Die italienische Mafia soll u.a. in Differdingen in einer Spelunke ihr Geld weißgewaschen haben, wie bereits 2019 bei der Festnahme des Mafiosos S. R. vermutet wurde: „‘La ’Ndrangheta perçoit le Luxembourg comme un endroit intéressant pour investir et blanchir du capital, précisément parce que dans ce pays, le système financier est connu pour sa discrétion, ce qui attire ceux qui ont besoin de cacher de l’argent illicite et des fonds douteux‘, a indiqué un procureur antimafia calabrais à IrpiMedia.“
- Der Schattenboxer Xavier Bettel - 14. Juli 2022.
- Die Impfpflicht: Wer setzt sich in Luxemburg durch? - 7. Juli 2022.
- Luxemburgs halbherzige Sanktionspolitik - 17. Juni 2022.
Geld stinkt nicht.Wer mit Trompeten und Paukenschlag die journalistische Offensive aus dem Ausland gegen das Steuersystem unseres Landes applaudiert, es als asozial beschimpft , müsste dann ehrlicherweise jegliche staatliche Subventionierung der Medienhäuser ablehnen und postwendend an den Absender zurück überweisen.Eine Gewissensfrage für jeden Journalisten im Lande, dem seine Arbeit durch die Steuergelder finanziert wird.Steuergelder die aus der Weißwäsche von Schwarzgeld oder wie so schön formuliert , das Geld der Mafia in einer Spelunke in Differdingen weißgewaschen wurde.Jeder Bürger in unserem Land der am Wohlstand , den staatlichen Subventionen und Gratisangeboten festhält, ist Teil des Systems das diese Machenschaften gutheißt, weil ohne diese Gelder der Spaß-,Konsum- und Wohlfahrtstaat nicht mehr so funktionieren kann, wie gewohnt. Mitgegangen, Mitgehangen.
Und genauso ist es: asozial!
Ja die Reichen.Hätten sie nicht seit Äonen das Sagen in der Politik(Spenden usw.)könnte sich vielleicht etwas ändern.Steuern müssen bezahlt werden,sonst läuft die Karre nicht mehr.Aber,dass ausgerechnet die Superreichen sich gebärden wie eine Nonne am Badestrand,das ist schon erstaunlich. Und wenn dann die Politik verschiedener Länder Steueroasen ermöglicht,dann ist das Tür und Tor geöffnet für die Milliardäre der Welt.Dabei verdienen die allein durch Zinsen und Investitionen immer mehr. Was in der Welt macht ein Elon Musk mit 300 Milliarden Dollar? (300 000 000 000)
Während für ein Paar mit zwei Kindern die Nachzahlungen richtig weh tun können,spüren die Steuerschinder das kaum. Aber die geklauten Kirschen schmecken immer besser als die gekauften,oder?
Die mafia und ihre Methoden wird kein Land kontrollieren können. Ob es jetzt die Spelunke, die Wettbüros oder die unzähligen chinesischen Restaurants sind. Jedes jahr kommen Millionen asiatischer Touristen nach Europa. Wenn auch nur 10% mit mafiageld teuere Guici handtaschen/uhren erwerben, die dann in ihren Heimatländern weiterverkauft werden…. Das nennt man geld waschen. Nicht besonders spektakulär, eignet sich auch nicht für spannende 007-filme, aber da kommt schon was zusammen. Also sollte man Luxemburg aus der Spelunke raushalten.
@J Scholer. Ihrer Meinung nach, sind wir alle, ausnahmslos Nutzniesser dieser Finanzpolitik und sollten entsprechend kleinlaut sein und sie gutheissen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
@ J.Scholer: Zitat „…weil ohne diese Gelder der Spaß-,Konsum- und Wohlfahrtstaat nicht mehr so funktionieren kann …“. Wenn es den so wäre. Sogar die „Süddeutsche“ weist am Rande ihrer Story darauf hin, dass der Wohlfahrsstaat trotz dem vielen schmutzigen Geld in der Staatskasse nicht funktioniert und die Armut unter der luxemburgischen Bevölkerung zunimmt.
Open-Lux: 80 per cent of Luxembourg private investment funds at risk of laundering dirty money (Quelle: Transparency International)
Die Begründung ist immer die gleiche: Die mangelnde Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen, d.h.
fragwürdige Einträge, nur stückweise oder gar fehlende Information.
„It does not make sense for the definition of a beneficial owner to ONLY include certain shareholders or the person making investment decisions. The EU and Luxembourg authorities need to close this loophole,….“
@Prolet: Natürlich sind wir Nutznießer dieser Steuergelder , die in den gesamten Staatshaushalt einfließen. Sollte Ihre Fragen nicht sein.Wollen wir auf diese Gelder verzichten, eine Steuererhöhung für die Bürger in Kauf nehmen unseren Wohlstand, Infrastrukturen,… weiter zu finanzieren? Oder wollen wir grobe Einschnitte in den Staatsausgaben hinnehmen, etwas bescheidener werden? Zwischen Moral ,Anstand und dem wahren Leben liegen Welten, das wahre Leben überwiegt. Oder verzichten unsere europäischen Nachbarn der Moral, des Anstandes wegen auf Waffenexporte?
@ J. Scholer . Es scheint mir, als würde es sich als äusserst interressant erweisen, Ihre Steuererklärung mal genauer unter die Lupe zu nehmen. .. 😳
Im Zweifelsfalle gehen bei mir stets die Moral, die Ethik und der Anstand vor. War, bin und werde nie ein Opportunist sein. Was ist das wahre Leben? Lüge, Mogeln, Profitgier? Für Viele ja, für andere nicht. Das wäre z.B. eine von vielen Lektionen, die wir aus der aktuellen Krise zu lernen haben.
„Geldwäsche und der Neid der Nachbarn“. Neidisch bin ich so langsam auch. Shit, wie macht man das, Haus gekauft, innerhalb 3 Monaten 3 neue Autos, mein Euro ist innerhalb 2 Jahren von 40,3399 auf 33,5399 Franken geschrumpft. Wie wird man so ein Pfeiffenblaser?
Würde gerne wissen was man so benötigt um in diesem „Spaß-,Konsum- und Wohlfahrtstaat “ zu überleben, Herr JS müsste das doch wissen!?
@Grober J-P- Nehme an, eine Menge Moos und ein dickes Fell. Und vor allem keine Skrupel.
Zur gerechteren Verteilung des Reichtums in Luxemburg könnte die Steuerverwaltung sich schon einmal folgende Leute vorknöpfen: 23 Personen besitzen Bauland im Wert von mind. 25 mio EUR … (Quelle LW). 23 dossiers müssten eine überschaubare Menge sein.
Déi eng hun eng dauzend Luxusaueren um Arm hänken, déi aaner kënnen kaum eng Swatch kafen.Sou leeft et hei.
Asozial ist nicht das Wort, es ist wohl eher antisozial.