/ Nicht nur, weil er homosexuell ist: Alexander Grodensky ist ein besonderer Rabbiner in Esch
Esch hat etwas, das die meisten anderen Städte in Luxemburg – bis auf die Hauptstadt – nicht haben: Einen eigenen Rabbiner. Sein Name ist Alexander Grodensky. Der 36-Jährige entspricht kaum dem klassischen Bild eines jüdischen Geistlichen.
Alexander Grodensky sieht jung aus und trägt keine Kippa. Seine auffallend ruhige Art zu erzählen hat fast schon etwas Therapeutisches. Das ist kein Zufall: Einen Großteil seiner Arbeit als Rabbiner verbringt Grodensky mit der Seelsorge, wie er es nennt. „Die jüdische Gemeinde in Esch ist in den vergangenen zehn Jahren gewachsen“, sagt er. Wie groß sie genau ist, sei schwer zu sagen, weil nicht alle regelmäßig kommen. Aber in der Escher Synagoge, in der Kanalstraße Ecke Dicksstraße, gibt es jede Woche einen Gottesdienst; jüdische Feste und auch Hochzeiten und Bar Mizwas werden zusammen gefeiert.
Alexander Grodensky bei seiner Ordination im Jahr 2016
(Foto: Fabrizio Pizzolante)
Vor vier Jahren – im Frühling 2015 – ist Alexander Grodensky zusammen mit seinem Ehemann zum ersten Mal in Luxemburg. Nachdem Grodensky das Rabbinerstudium in Potsdam abgeschlossen hat, macht er sich auf die Suche nach einer Anstellung. Dabei stößt er auf eine staatliche Stelle als Rabbiner, die in Esch ausgeschrieben ist. „Ich hatte mir nie Gedanken über Luxemburg gemacht. Das ist ja auch nicht das Erste, woran man denkt“, sagt der 36-Jährige amüsiert. Er und sein Mann sind sofort begeistert von der Stadt. Die Menschen sind freundlich, die Sonne scheint. Es herrscht Aufbruchstimmung, findet Grodensky.
Die Aufbruchstimmung ist auch einer der Gründe, weshalb er überhaupt von der jüdischen Gemeinde nach Esch eingeladen wurde. Denn für offen homosexuelle Rabbiner ist es nicht selbstverständlich, in Europa eine Anstellung zu finden – obwohl es offiziell eigentlich kein Problem ist. Aber im Minett ist die Gemeinschaft offen und progressiv. Anders als in der Hauptstadt, in der es laut Grodensky traditioneller, orthodoxer vonstatten geht. Esch ist liberal. Alexander Grodensky ist liberal.
Pride-Flagge bleibt lieber drin
In seinem ersten Jahr in Esch, 2015, hat Grodensky sich dafür starkgemacht, die Regenbogenflagge während der Pride an die Synagoge zu hängen. Seit drei Jahren tut er das jedoch nicht mehr. „Es ging nicht darum zu sagen, dass wir eine schwule Synagoge sind – das haben manche so verstanden“, sagt er. Dabei steht der Regenbogen für Vielfalt, in der sich auch Heterosexuelle wiederfinden können. Nachdem es beim ersten Mal gute Resonanz aus der Bevölkerung gab, wiederholte er den Vorgang ein Jahr später – und geriet in Konflikt mit der jüdischen Gemeinde in Luxemburg-Stadt.
(Foto: Isabella Finzi)
„Es gibt sehr viele Unsicherheiten was das angeht. Bis wir uns einig sind, was wir genau wollen, belasse ich es erst einmal dabei“, sagt er. Trotzdem ist Grodensky der Meinung, dass es gut war, die Flagge herausgehängt zu haben. Denn dadurch wurde eine Diskussion angestoßen, die geführt werden muss.
Die positiven Energien, die Grodensky in seiner bisherigen Zeit in Esch entgegengebracht wurden, haben inzwischen einige Kratzer. Vor wenigen Tagen fanden er und sein Mann einen Aufkleber mit der Aufschrift „Schwuchtel Juden“ an ihrem Briefkasten. Es lag bereits mehrmals Hundekot vor ihrer Eingangstür und auch das Auto wurde zerkratzt. „Jetzt wissen wir, dass das alles kein Zufall ist“, sagt er traurig. Worüber das Paar jedoch dankbar ist, ist die herzliche Unterstützung und die Solidaritätsbekundungen nach dem Vorfall seitens der Politik, vor allem vom Escher Bürgermeister Georges Mischo.
Hassbotschaften am Briefkasten
Grodensky wurde 1983 in Tadschikistan geboren, eine der sowjetischen Republiken, nördlich von Afghanistan. Dorthin war seine Familie während des Krieges evakuiert worden. Als er sechs ist, zieht er mit seiner Familie nach Russland. Sein Vater ist im Militär. Er ist im Norden, in der Republik Komi, stationiert, wo Grodensky von nun an aufwächst. „Wie jedes sowjetische Kind musste ich damals zur Musikschule. Ich musste Akkordeon lernen. Das war eine Tortur“, erinnert er sich.
Als junger Erwachsener zieht es ihn in die Stadt, nach Sankt Petersburg, wo er zu studieren beginnt. Mit dem Studium beginnt für Grodensky eine lange Suche nach sich selbst. Er schließt Studien in öffentlicher Verwaltung, öffentlichem Recht und Politikwissenschaften im Master ab.
Die Synagoge in Esch (Foto: Frank Göbel)
Die jüdische Religion hat ihn immer schon interessiert, das, obwohl seine eigene Familie nur ethnisch und nicht religiös jüdisch ist. Grodensky fragt sich, was jüdisch sein überhaupt bedeutet. „Darüber wusste ich überhaupt nichts“, sagt er und erinnert sich an ein prägendes Erlebnis in seiner Schulzeit im Norden Russlands. Als damals eine Mitschülerin stirbt und die Klasse das Begräbnis besucht, stellt er sich die Frage, was zu tun sei, wenn so etwas Schreckliches mit seiner Familie passieren würde. Das war einer von mehreren Gründen, die ihn zur Religion geführt haben. In Sankt Petersburg engagiert er sich zum ersten Mal in der jüdischen Gemeinde.
Nach seinem Studium in Sankt Petersburg will er auswandern. „Die einfachste Variante war über das Studium.“ Grodensky zieht nach Jerusalem und erhält dort 2004 ein Jahr lang einen Einblick an einer Rabbinerschule. 2006 bietet sich ihm die Möglichkeit, nach Wien zu gehen, um weiter zu studieren. Was eigentlich nur ein kurzes Studium werden sollte, zieht sich über vier Jahre.
Den Mann fürs Leben in Wien kennengelernt
Er studiert Marketing und Management, obwohl es ihn eigentlich nie interessiert hat, in der Firmenwelt zu arbeiten. „Ich habe das Studium genutzt, um eine Pause zu machen und herauszufinden, was ich wirklich will.“ Dazu hatte er in Russland nie wirklich die Möglichkeit. Dort war Grodensky in einer orthodoxen und konservativen Gemeinde aktiv. „Das hat nicht mit meiner sexuellen Orientierung zusammengepasst“, sagt er. Seine Homosexualität blieb sein Geheimnis – und brachte ihm sogar etwas: „Dadurch dass ich kein Interesse an Frauen hatte, dachten alle um mich herum, ich sei sehr religiös“, schmunzelt er.
Aber die unkritische Herangehensweise der Orthodoxie beginnt ihn schnell zu stören. In Jerusalem und in Wien lernt er das liberale Judentum kennen. Er bekommt die Möglichkeit, sein Leben mit der Religion zu verbinden. Aber bis dahin war es ein langer Weg, betont er immer wieder. Nach langem Hin und Her beginnt er 2012 ein Rabbinerstudium am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Nur drei Jahre später wird er ordiniert – obwohl das Studium eigentlich fünf Jahre lang dauert. „Ich musste nur drei Jahre machen, weil ich parallel zu meinem Studium in Russland, später auch in Israel und in Stockholm bereits Theologie studiert hatte“, erwähnt er beiläufig. Studieren hätte ihm eben immer Spaß gemacht, lacht er. Im Rabbinerstudium lernt er viele verschiedene Dinge. Von der psychologischen Betreuung über das Leiten eines Gottesdienstes, den theologischen Grundsätzen oder Sprachen wie Hebräisch und Aramäisch.
Foto: Fabrizio Pizzolante
Vor neun Jahren lernt er seinen jetzigen Ehemann in Wien kennen. Sie lassen sich verpartnern und heiraten später in Luxemburg. Sein Mann ist für Grodensky die wichtigste Unterstützung. „Rabbiner sein ist schwer vom Privatleben zu trennen“, sagt er. Ein Rabbi könne nie alleine sein – das wäre ungesund. Er kümmert sich dauernd um andere, deshalb sei es wichtig, jemanden zu haben, der ihm den Rücken stärkt. 90 Prozent seiner Arbeit findet im Verborgenen statt. Er darf wegen der Schweigepflicht nicht davon erzählen. „Meine Arbeit als Rabbiner ist eine sehr langfristige Arbeit, bei der nicht sofort Resultate zu sehen sind. Das kann manchmal ganz schön frustrierend sein“, gibt er zu. Und Rabbiner sei ein sehr einsamer Beruf – weil es eben nicht viele gibt und zwischen Kollegen häufig Kämpfe herrschen.
Die Oma bedauert das späte Coming-Out
Seine Familie hatte nie ein Problem mit seiner sexuellen Orientierung. Ihre Reaktion war sehr respektvoll, sagt Grodensky. „Ich glaube, das lag daran, dass sie sehr viel Vertrauen in mich haben.“ Er hat lange gewartet, bis er es ihnen gesagt hat. Nur seine Mutter wusste schon länger davon. Seinen Großeltern und seinem Vater erzählt er es erst kurz vor der Verpartnerung mit seinem Lebensgefährten. Niemand reagiert negativ. „Vor allem meine Großmutter war sehr traurig, dass ich es ihr nicht früher gesagt habe“, sagt er.
Wenn Alexander Grodensky seine Familie in Russland besucht, redet er außerhalb des Hauses nicht über seine sexuelle Orientierung. Zusammen mit seinem Mann reist er nicht nach Russland. „Es ist einfacher, wenn meine Familie hierher kommt oder wir uns in Israel treffen, wo meine Schwester wohnt“, sagt er.
Hier in Luxemburg versucht er, sich so viel für die Vielfalt einzusetzen, wie es ihm in seinem Bereich möglich ist. Er marschiert regelmäßig bei der „Gay Pride“ in Esch mit und hält Vorträge über Homosexualität im Judentum. Trotzdem ist ihm wichtig zu unterstreichen: „Ich bin Rabbiner für alle, nicht nur für Homosexuelle.“
Grodensky vergleicht Gott mit einem Navigationssystem. Er zeigt den bestmöglichen Weg auf, die Entscheidung liegt jedoch bei jedem Einzelnen – und biegen wir mal falsch ab, wird die Route neu berechnet.
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Und dieses braune Gesindel das sich Nachts umhertreibt um sich an des Rabbiners Auto zu schaffen zu machen sowie den Hauseingang mit Hundekot zu beschmieren und anonyme Briefe zu hinterlassen,dieses Gesindel müsste man erwischen. In der Dunkelheit sind jene Vollpfosten stark jedoch aus der Geschichte haben jene nichts gelernt. Meine Sympathie und Solidarität gehört jedenfalls der Escher Communauté Israélite sowie dem Escher Rabbiner denn hier in Esch oder sonstwo ist kein Platz für Antisemitismus.