Konzert / „No Pressure“: Joep Beving eröffnet die Konzertsaison im Atelier
Joep Beving sieht aus wie ein Wikinger und komponiert schön melancholische, minimalistische Musik für das Klavier. Am Sonntag spielte er nicht nur Auszüge aus seinen drei Alben, sondern auch ein paar neue Nummern – und leitete damit nach 18 Monaten Pause die Konzertsaison im Atelier ein.
„Ich habe noch Merch dabei – aber irgendwie gelingt es uns nicht, den Koffer, in dem sich das Zeug befindet, zu öffnen. Ich kann danach auch noch T-Shirts signieren. Ich weiß halt nicht, ob ihr sowas mögt. In Berlin stand das Publikum auf jeden Fall drauf. No pressure“, scherzt Joep Beving gegen Ende des Konzerts. No pressure: Das scheint angesichts der verblüffenden Leichtigkeit, mit der er die Verantwortung, das erste Atelier-Konzert in über 18 Monaten zu spielen, auf seinen breiten Schultern trug, auch Bevings Devise gewesen zu sein.
Wenige Minuten vor Beginn des Konzertes begegne ich Michel Welter. „Stell dir vor – es ist das erste Konzert in dieser Halle seit Ende Februar … 2020“, meint Welter. Ich erinnere ihn daran, dass er einst meinte, die Konzerthallenbetreiber wären nicht nur die ersten, die schließen müssten – sondern wohl auch die letzten, die wieder öffnen dürften. Eine Art Prophezeiung. „In dem Fall bedauere ich es, ein Prophet gewesen zu sein“, lacht er fatalistisch, bevor wir uns in den nur zur Hälfte gefüllten Raum begeben.
„Ich weiß nicht, wie’s euch geht – aber ich freue mich riesig, wieder auf einer Bühne zu sein. Gleichzeitig bin ich wahnsinnig verängstigt“, scherzt Beving kurz nach dem Auftakt. Sein 80-minütiges Set besteht aus zahlreichen Highlights seiner drei Alben – da die geplante Tour zum dritten Album „Henosis“ ins Wasser fiel und selbst noch vor kurzem geplante Gigs mit Elektro-Elementen, Chor und Violinen abgesagt wurden, fokussiert sich Beving nun auf Soloklavierkonzerte.
Zwischen minimalistischen Kompositionen wie „Midwayer“ greift Beving immer wieder zum Mikrofon, verleiht den Songs Kontext, schmückt sie mit Anekdoten – und gibt den charismatischen Storyteller auf eine überaus überzeugende Weise. Das ist in dem Sinne gut, da den intim-minimalistischen Kompositionen immer das Risiko einer leichten Redundanz innewohnt – die Beving dank seiner humorvollen Einlagen geschickt überbrückt.
„Als ich mit Freunden darüber diskutierte, worüber ich zwischen den Songs mit dem Publikum reden solle und die Frage aufkam, ob ich was zu Covid sagen würde, meinten alle: auf gar keinen Fall. Aber worüber soll man denn sonst reden?“
Kurz darauf spielt Beving das während der Pandemie komponierte „Solitude“, am Ende reicht er „Hanging D“ nach. Es ist das lauteste seiner einfühlsam, delikat gespielten Stücke, zwischen denen Beving immer wieder seine beiden Hände rüttelt, als wolle er die ganzen Noten, die er gerade gespielt hat, abschütteln, um Platz für neue zu schaffen. Kurz vor der Zugabe bittet er dann auch den Tontechniker, die Volumenregler etwas nach oben zu schieben. „Hanging D“ erinnert ein bisschen an „Hammers“ von Nils Frahm, ist frenetisch, wunderschön – und ein gebührender Abschluss eines schönen ersten Konzerts, das einen diskreten Auftakt einer Konzertsaison darstellte.
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