/ Noch ein Kurz-Kanzler in Österreich: Hartwig Löger ist bis zum Wochenende Interimspremier
Österreich hat einen neuen Bundeskanzler. In wenigen Tagen soll es schon den nächsten geben, der aber auch nur bis zur Kür eines neuen Regierungschefs nach der Wahl im Herbst amtieren wird.
Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien
Eine Folge des Skandals um FPÖ-Politiker, die im Ibiza-Urlaub heimlich beim Schwadronieren über illegale Parteispenden, Wasser-Privatisierung und das Verscherbeln der Kronen-Zeitung an russische Oligarchen gefilmten wurden, war gestern beim Brüsseler EU-Gipfel zu sehen: Statt dem wenige Stunden zuvor vom Bundespräsidenten samt seiner Ministerriege entlassenen Sebastian Kurz kam der bisherige Finanzminister und Vizekanzler Hartwig Löger zum – hoffentlich nicht heimlich gefilmten – Postengeschacher auf höchster Ebene. Allzu intensiv dürfte sich die Runde nicht um eine Vertiefung der Beziehung zum Neuling aus Wien bemüht haben, weil alle wussten: Dieser Regierungschef wird nicht wiederkommen.
Kurz macht lieber Wahlkampf
Denn am nächsten Akt in der von Ibiza-Gate ausgelösten Staatsposse wird schon geschrieben: Bundespräsident Alexander van der Bellen sucht fieberhaft nach dem nächsten Kanzler. Die mit Kurz entlassenen Minister hat er zwar umgehend mit der Fortführung der Geschäfte betraut, der ÖVP-Chef selbst wollte aber nicht mehr. Kurz war schon am Montag gleich nach dem von SPÖ, FPÖ und der Liste „Jetzt“ im Parlament beschlossenen Misstrauensvotum in den Wahlkampfmodus geswitcht und stand nicht als Übergangskanzler zur Verfügung. Also musste der oberste Krisenmanager für eine Zwischenübergangslösung sorgen, damit gestern zumindest ein Österreicher nach Brüssel fliegen konnte. Denn auf EU-Gipfeln können sich Regierungschefs nur von einem ausländischen Amtskollegen, nicht aber von einem einheimischen „Vize“ vertreten lassen.
Hartwig Löger äußerte sich erfreut, die Verantwortung übernehmen zu dürfen. Er weiß aber um die Kürze seines Vergnügens am Gipfel der Macht. Als Kurz-Getreuer würde er nämlich im Nationalrat kaum Mehrheiten zustande bringen. Zwar stehen bis zur vorgezogenen Neuwahl Mitte September keine großen Würfe auf dem Programm, aber auch das politische Tagesgeschäft bedarf wohlwollender parlamentarischer Begleitung. Also wird Löger als Drei- bis Vier-Tages-Kanzler in die österreichische Geschichte eingehen. Denn bis zum Wochenende will Van der Bellen jenen Übergangspremier gefunden haben, der bis zur Wahl zwar auch keine großen Entscheidungen treffen, aber das Staatswerk am Laufen halten soll. Die Job-Description: Eine „untadelige“ Persönlichkeit, mit großer politischer und verwaltungstechnischer Erfahrung, aber ohne enge parteipolitische Bindungen.
Eintrittsdatum: Sofort.
Im Gespräch sind der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler und der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Gerhart Holzinger. Letzteren hat die SPÖ schon für geeignet erklärt. Fischler ist zwar ein ÖVPler, aber schon seit Jahren kein aktiver Parteipolitiker mehr und zudem auch kein Kurz-Freund, sodass er für die Sozialdemokraten ebenfalls tragbar wäre. Altbundespräsident Heinz Fischer wäre wohl Wunschkanzler der SPÖ, als Altlinker aber ÖVP-inkompatibel und vor allem ein rotes Tuch für die FPÖ. Van der Bellen wird jedenfalls jemanden präsentieren, der oder die im Nationalrat überleben kann. Denn wenn das Parlament alle paar Wochen bis zur Wahl Kanzlerkillen spielt, könnte aus der Staatsposse tatsächlich die Staatskrise werden, von der bislang niemand sprechen will.
Der Wahlkampf ist unterdessen voll angelaufen. Sebastian Kurz verzichtet nicht nur auf Kanzlerwürde, sondern auch auf sein Abgeordnetenmandat, um sich über den Niederungen der Tagespolitik schwebend als Heilsbringer inszenieren zu können. Während die ÖVP ihrem Messias zu Füßen liegt, tut sich die SPÖ schwer mit der Frau, die Kurz eine Rückkehr ins Kanzleramt streitig machen soll: Pamela Rendi-Wagner wurde zwar gestern vom SPÖ-Vorstand einstimmig zur Spitzenkandidatin gekürt, doch unter der Oberfläche rumort es. Die bisherige Performance der in Interviews unsicher und zögerlich wirkenden Parteichefin stimmt die Genossen alles andere als optimistisch.
Das EU-Wahldebakel hat die roten Pessimisten nur bestätigt. Für einen neuerlichen Wechsel an der Spitze ist es freilich vier Monate vor einer Wahl zu spät, ganz abgesehen davon, dass es zwar viele Kritiker gibt, aber niemanden, der Rendi-Wagner ihre Mission impossible abnehmen möchte.
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