EU-Haushalt / Noch mehr Macht für von der Leyen durch die Hintertür?
Schon den Aufbau der neuen Kommission hat sie ganz auf sich ausgerichtet, nun gibt es Radikalreformideen auch für die Vergabe der EU-Mittel, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehr Macht auf Kosten des Parlamentes verleihen würden.
Wenn in zweieinhalb Wochen die Fachabgeordneten die von Ursula von der Leyen vorgeschlagenen neuen EU-Kommissar-Kandidaten in einem stundenlangen Hearing auf Herz und Nieren prüfen, wird das Parlament als die einzige direkt von den Europäern gewählte Institution noch einmal seine herausgehobene Rolle ausspielen können. Danach beschränkt sich sein Einfluss auf die Details der von der Kommission vorgelegten Gesetzgebung. Dafür steigt die Macht der Kommissionspräsidentin. Und sie scheint gewillt, sich davon noch deutlich mehr durch die Hintertür sichern zu wollen. Auf den Fluren der Abgeordneten herrscht Alarmstimmung.
Denn es geht um das Budget und damit um die Kernkompetenz jedes Parlamentes. Das ist auf nationaler Ebene genauso wie in Brüssel. Keine Regierung kann auch nur einen einzigen Cent ausgeben, wenn die Abgeordneten nicht vorher dessen Verwendung im Haushaltsplan genau festgelegt haben. So gilt das auch für die EU-Milliarden, die für Projekte an die Mitgliedstaaten überwiesen werden. Die Kommission arbeitet derzeit an der Vorbereitung einer Radikalreform und hat Einzelheiten, wie üblich als Testballon, an die Öffentlichkeit durchsickern lassen, ohne dabei zu bestätigen, dass die Verantwortlichen das genau so wollen.
Danach soll das geltende Ausgabenprinzip umgedreht werden: Statt wie bisher den Staaten das Geld für Projekte im Sinne der EU im Nachhinein zu erstatten, sollen sie es im Versprechen gegen Reformen erhalten und dann selbst verteilen. Das folgt dem Prinzip des riesigen, schuldenfinanzierten Corona-Wiederaufbaufonds, wo auch nur Meilensteine aufzuzeigen waren, um die Milliarden aus Brüssel bekommen zu können. Gerade hier lauern aber gigantische Möglichkeiten der Zweckentfremdung. So hat der Europäische Rechnungshof in seinem aktuellen Jahresbericht festgestellt, dass jeder dritte in diesem Zusammenhang ausgezahlte Euro so verwendet wurde, dass es „nicht den Vorschriften entsprach“.
Zum fünften Mal in Folge versagten die Luxemburger Prüfer auf dem Kernfeld ihrer Zuständigkeit der Kommission das Gütesiegel. Die Fehlerquote der EU-Ausgaben sei von drei Prozent im Jahr 2021 und 4,2 Prozent im Jahr 2022 im letzten Jahr auf einen seit langem nicht mehr erreichten Rekordwert von 5,6 Prozent angestiegen. Es habe „hohe vorschriftswidrige Ausgaben“ gegeben, fasste Rechnungshofpräsident Tony Murphy zusammen. Er wies auch auf eine bezeichnende parallele Entwicklung hin: Auf der einen Seite seien die noch abzuwickelnden Mittelbindungen auf 543 Milliarden Euro gestiegen, gleichzeitig die EU-Schulden auf 458 Milliarden Euro hochgeschnellt. Niclas Herbst, EVP-Europaabgeordneter und Chef des parlamentarischen Haushaltskontrollausschusses, nannte das „bedrückend“. Schulden seien schnell gemacht, die Zinsen belasteten bereits heute und die Rückzahlungen begönnen erst 2028. „Das gilt es zu bedenken angesichts aktueller Forderungen zu einer neuen Verschuldung“, mahnte Herbst.
Um so schwerer zu schaffen machen den EU-Parlamentariern die Gerüchte von einer geplanten Totalrevision des EU-Haushaltes. Danach könnten die größten Ausgabeposten für den Agrarbereich, die Strukturausgleichsleistungen und alle Vorhaben im Zusammenhang mit der steigenden Wettbewerbsfähigkeit ausgerechnet dem Prinzip übergeben werden, das beim Wiederaufbaufonds in großen Teilen an der parlamentarischen Kontrolle und Rückverfolgbarkeit durch den Rechnungshof vorbeifließt. Statt Kontrolle der Kommission durch das Parlament bei der Mittelvergabe würde dann die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Mittelvergabe von EU-Geldern kontrollieren.
Prinzip „teile und herrsche“ perfektioniert
Der EVP-Europaabgeordnete und Chef des Verfassungsausschusses des Parlamentes, Sven Simon, bietet der Kommission zwar an, angesichts der nicht immer effizient und gezielt genug eingesetzten Mittel aus dem EU-Haushalt über Verbesserungsvorschläge zu reden. „Aber falls Kommission und Mitgliedstaaten nur noch ohne Kontrolle durch das Parlament über Haushaltsmittel entscheiden wollen, werden wir das natürlich nicht akzeptieren“, kündigt der Europarechtsexperte unmissverständlich an. Da würden dann auch die eigenen Parteifreunde der Kommissionspräsidentin Grenzen aufzuzeigen versuchen.
Ursula von der Leyen baut ihre Macht ohnehin gerade massiv aus. Wenn ihre Kandidaten die Anhörungen im Parlament überstehen, hat sie eine noch mehr auf sie selbst ausgerichtete Kommission ohne andere Machtzentren. Zentrale Vorhaben wie der neue Plan für „saubere“ Industrie werden von gleich drei Kommissaren mit sich überschneidenden Kompetenzen ausgearbeitet. Auch bei anderen gibt es zwar eine Unterstellung von Kommissaren unter Vizekommissionspräsidenten, zugleich jedoch Berichtspflichten direkt an sie. Sie hat für ihre zweite Amtszeit das Prinzip „teile und herrsche“ perfektioniert. Am Ende entscheidet sie immer alles.
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